Burnt
Friedman & The Nu Dub Players
"Glatte Eingängigkeit kommt
direkt hinten wieder raus."
Jazz,
Dub, Reggae, Funk, Soul, Avantgarde und mehr wird bei Burnt
Friedman & The Nu Dub Players zu einer einzigartigen Vision
vermischt. Burnt Friedman aka Bernd Friedmann, der Kopf des
Ganzen, setzt damit einen Weg fort, den er mit Projekten wie
z.B. Some More Crime und Nonplace Urban Field vor etlichen Jahren
begonnen hat. Eine Schublade oder Etikettierung für das
zu finden, was dort an Musik aus den Lautsprechern kommt ist
schwer. "NeoDub" passt ganz und gar nicht, "Future
Dub" besser, "Art Dub" vielleicht am besten.
An dem neuen Album "Can't Cool" haben insgesamt 20
Musiker aus aller Welt mitgearbeitet. So erklären sich
auch die unterschiedlichen Einflüsse, die hier erneut zutage
treten und den Reiz des Albums ausmachen. An den Vocals ist
neben Don Abi, Lovetta Pippin und Theo Altenberg (ehemaliges
Mitglied der Wiener Otto Mühl Kommune) Patrice zu hören.
Wer jetzt gleich den Mainstream trapsen hört, liegt weit
daneben. Die Musik von Burnt Friedman wird man im allgegenwärtigen
Dudelfunk wohl eher nicht zu hören bekommen. Leider.
Bernd Friedmann beantwortete für Irie Ites kurz vor einem
Trip nach Japan ein paar Fragen.....
Mit
"Can't Cool" liegt ein neuer Longplayer von Burnt
Friedman & The Nu Dub Players vor. Wieder einmal mit ganz
eigenen, überraschenden Visionen was den Dub anbelangt.
"Nu Dub" befindet sich schon im Namen. Wie würdest
du "Nu Dub" umschreiben?
Mit
Nu Dub ist weder ein Stil, im Sinne von Dub-Reggae und instrumentaller
Songversions gemeint, noch ist Dub als bis heute verbreitete
Produktionsmethode gemeint, bei der das Mischpult das zentralen
Instrument der Produktion ist. Aus der Methode ist ein Stil
geworden. Dub, wie ich ihn selber auffasse, bedeutet beides.
Roots-Reggae war für mich die erste Inspirationsquelle,
allerdings habe ich die Dubperspektive auch auf andere Genres
und auf unübliche Taktarten angewendet. Nach dem Motto:
wie lassen sich Blues, Funk und Soul dubfizieren, bzw. reggaefizieren.
Ansonsten höre ich in Dub die Hervormischung von Produktionsprozessen,
d.h. das Zurücktreten von Melodien und Songstrukturen,
zugunsten von übernatürlichen und auch repetitiven
Klang- und Rhythmus-Aspekten.
Wo
siehst du Gemeinsamkeiten und/oder Unterschiede zwischen deinen
musikalischen Visionen und denen von jamaikanischen Dubpionieren,
wie z.B. King Tubby und Lee "Scratch" Perry?
Wenn
man verkürzt sagen könnte, dassDubtechnik die Soundästhetik
hervorhebt, Leadstimmen wandern teilweise ab in den Hintergrund,
dann wäre das eine Gemeinsamkeit. Ich würde dazu bemerken,
dass es bei Osbourne Ruddock immer auf den zu mischenden Tune
ankommt, nie allein auf seine Dubtechnik. Die Postproduktion
macht nicht den Song aus. Ich bin nun aber auch der Komponist
und nicht nur der Produzent und insofern verwandter mit Lee
Perry, der praktisch alle Aufgaben übernommen hat. Aber
wie gesagt, verstehe ich den Nu Dub nicht ausschließlich
als Reggae-Dub sondern als Aufmischung diverser Stilmittel aus
aller Welt. Schade das immer nur diese beiden Namen fallen.
Klassiker des Dub kommen auch von Scientist, Prince Jammy, Dennis
Bovell, Aquarius.
Da
hast du Recht!....Neben Patrice und Theo Altenberg (nebst anderen)
tritt vor allem Don Abi bei 4 Titeln an den Vocals in Erscheinung.
Wo liegen aus deiner Sicht seine musikalischen Qualitäten?
Das
möchte ich nicht beurteilen, das kann man niemals objektivieren.
Wichtig für einen Sänger ist grundsätzlich, daß
er einen eigene, unverwechselbaren Gesang erfindet. Was ich
an seiner Stimme mag, ist im Gegensatz zu Patrice die Nähe
zu Roots.
Auf
"Can't Cool" tauchen wie üblich Einflüsse
verschiedenster Genres auf, wie z.B. Funk, Jazz, Soul, Reggae
und über allem selbstverständlich der Dub. Auffällig
ist hier vor allem, dass nicht unbedingt konventionell ans Werk
gegangen wird und sich eine Eingängigkeit eigentlich nie
so richtig einstellt. So glänzt Don Abi bei "Fly Your
Kite" mit souligen Vocals, die jedoch durch das heftig
synkopierte (und zum Teil vorgezogene) musikalische Fundament
nicht zu einem schmusigen Titel verschmelzen. Scheust du dich
vor allzu glatter Eingängigkeit?
Natürlich.
Glatte Eingängigkeit kommt direkt hinten wieder raus.
Patrice
hatte kürzlich ja gerade erst sein "How Do You Call
It?"-Album mit sehr eingängigen und eher am Mainstream
orientierten Titeln vorgelegt. Jetzt gehst du mit seinen Vocals
bei "Life Is Worth Dying For" eher unkonventionell
vor und mischt ihn in den Hintergrund. Hast du Patrice als derartigen
Experimenten gegenüber aufgeschlossenen Künstler erlebt?
Auf
jeden Fall. Patrice hat ernsthaftes künstlerisches Interesse
daran, etwas Großartiges zu schaffen. Wir sind beide eher
kritisch, aber zum Glück nehmen wir das Scheitern in Kauf
, um voranzukommen. Ich meine, wenn ein Stück fertig geworden
ist, dann kann üblicherweise keiner mehr sagen, ob das
irgendwas taugt. Das Publikum wird daher ebenso ernst genommen,
die Resonanz ist elementar. Dabei ist weniger interessant, ob
etwas gut oder nicht ankommt, sondern in welchen formellen Tendenzen
und mit welchen Vokabeln die experimentellen Ansätze in
der Musik bekräftigt werden, also die Frage, ob eigenartigen,
neue Aspekte der Musik überhaupt kommunizierbar sind.
Wie
kam es ausgerechnet zu einer Zusammenarbeit mit Patrice....Was
schätzt du besonders an ihm?
Patrice
hat beiläufig mitbekommen, dass ich Bock hatte, was zu
machen. Tage später gings los. Das geht auf einen Geistesblitz
meines Labelkollegen Oke Göttlich zurück. Das Patrice
mit meinem Krempel vertraut war, hat mich überrascht.
In
der Vergangenheit warst du u.a. unter den Namen Some More Crime
und, wie eben schon erwähnt, Nonplace Urban Field aktiv.
Der Name Burnt Friedman & The Nu Dub Players ist mir persönlich
zum ersten Mal auf der Compilation "The Space Between Tha
Gaps" (1998) auf dem kleinen und nicht mehr existenten
Label incoming! in die Quere gekommen. Was hat dich/euch dazu
bewogen, diesen Namen zu wählen? Hat es etwas mit verschiedenen
Nuancen in der musikalischen Ausrichtung der verschiedenen Projekte
zu tun?
Das
ist eine Form von Ironie. Wie auch immer ein Projekt nach außen
hin kommuniziert wird, es wird eine Bühne betreten, die
ich nutze, nicht um mich auszudrücken, sondern eher um
Persönlichkeiten zu erfinden. Ich meine, was mir heute
auffällt , ist die Befangenheit der Menschen sich direkt
zu äußern, als ob es einen Zwang gäbe, nur das
sagen zu können, was man "wirklich" denkt. Wie
grausam, das geht doch niemanden etwas an, noch nicht mal die
beste Freundin. Statt authentisch werden zu wollen, empfehle
ich, die Bühnen der Gesellschaft etwa so wie ein Schauspieler
zu betreten. Es geht um die Bereitschaft, von sich selbst loszulassen.
Die Ironie hat das Potenzial, dieses Problem zu lösen.
Mit dem Titel "Fuck Back" geht es darum. Theo Altenberg
hat das nicht nur während der Kommunezeit in den radikalen
70zigern zum Ausdruck gebracht: das tägliche Lebens als
Performance zu begreifen, d.h. fortwährend auf einer Art
Bühne zu agieren und andere Menschen als weitere Akteure
auf dieser Bühne zu begreifen, herauszufordern, sich von
ihren Selbstbildern, von Stolz und Eitelkeit zu lösen,
um zueinander sprechen zu können, in einem ad hoc entstehenden
Spiel.
Bei
der Kompliziertheit der Kompositionen kann ich mir persönlich
kaum vorstellen, dass sich eine wirkliche Band dahinter verbirgt.
Ich gehe mal davon aus, dass die verschiedenen Spuren nach der
Aufnahme noch einmal heftig durch den Wolf gedreht werden, oder?
Aber
was wäre denn eine wirkliche Band? Das kann doch nur ein
Abziehbild sein, oder eine Zwangsvorstellung. Ich will Dich
nicht davon überzeugen, dass 20 Musiker an der Scheibe
mitgewirkt haben, ich verfremde mit Vorliebe das Konzept von
Fiktion und Wirklichkeit.
Die Produktion an "Can´t Cool" habe ich vor
3 Jahren begonnen, die Songs leicht skizziert, so dass sie meine
Kollegen zum Mitspielen inspiriert haben. Die Instrumentenaufnahmen
sind in Australien, Neu Seeland, Dänemark, Santiago de
Chile und Deutschland zu unterschiedlichsten Zeiten mobil entstanden.
In der Endphase von Januar bis Februar diesen Jahres sind die
Sänger dazugekommen, und ich habe daraufhin die Songs innerhalb
weniger Wochen arrangiert und beendet. Es gibt einen harten
Kern von Musikern mit denen ich gearbeitet habe, der Gitarrist
Joseph Suchy und der Bassist Daniel Schröter sind auf "Can´t
Cool" zu hören, als auch live dabei. Gitarrist und
Dub-sound-Ingenieur Robert Nacken ist ebenfalls konserviert
und live für den Sound verantwortlich.
Lässt
sich die Musik von Burnt Friedman & The Nu Dub Players so
ohne Schwierigkeiten auf die Bühne bringen? Denn ihr tourt
ja ebenfalls....
So
läßt sich das nicht auf die Bühne bringen, warum
auch? Das würde zumindest keine musikalische Herausforderung
sein; Die Livemusik wird von der Improvisation bestimmt, obwohl
es einige feste Spielregeln gibt. Auf der Bühne wird auf
Risiko gespielt, sonst wäre es auch für das Publikum
uninteressant. Wenn die komplette Performance vorhersehbar wäre
, bzw. von der LP ablesbar, dann könnte ich genauso gut
Platten abspielen. Auf diese Weise wird jedes Konzert etwas
besonderes. Das hängt auch davon ab, wie das Soundsystem
klingt, denn die Musiker auf der Bühne können nur
so gut sein, wie sie sich selbst hören.
Auf der Tour wird u.a. der Can-Veteran
und Club Of Chaos-Aktivist Jaki Liebezeit mit von der Partie
sein. Bereits 2002 gab es mit ihm eine Zusammenarbeit bei dem
Album "Secret Rhythms". Was verbindet eure beiden
musikalischen Visionen vor allem miteinander?
Ich
würde das so zusammenfassen, daß seine einzigartige
Trommeltechnik darauf abzielt, den Narzissmus demonstrativ zu
überwinden, sich den Eigenschaften der Trommeln zu ergeben,
anstatt den Trommeln ein bestimmtes Konzept aufzuzwingen, um
zurückzukehren zu universellen musikalischen Gesetzmäßigkeiten,
die vor hunderten von Jahren bis heute gültig sind. Mir
geht es ebenso um etwas Demonstratives, nämlich zu beweisen
, dass Genres Zwangsvorstellungen sind.
Mit der Einrichtung von Identitäten hat sich die Musikkultur
selbst ins Abseits manövriert. Das Demonstrative und Komische
daran ist, dass ich ganz bewußt diese Genres einsetze,
anstatt zu behaupten, in keine Schublade gesteckt werden zu
können, denn so kann ich die Schädel von hinten langsam
aufsägen.
Davon abgesehen, die entscheidende Verbindung zwischen mir und
Jaki Liebezeit ist die Vorliebe für ungewohnte Taktarten,
jenseits des allzu präsenten "Kreuz"-Rhythmus
4/4, der unsere Hörgewohnheit bestimmt. Eine meiner Fragestellungen
ist, ob es möglich ist, sich an diese seltsamen Rhythmen
genauso zu gewöhnen, wie an den einfachen "Kreuz"-Rhythmus.
Nach über 3 Jahren Arbeit mit Herrn Liebezeit ist mir klar,
dass das geht, umso mehr frage ich mich, wie es kommen konnte,
dass die Musikkultur, insbesondere Clubmusik ausschließlich
vom "Kreuz"-Rhythmus dominiert wird. Unter diesem
Blickwinkel ist Jaki Liebezeit der wichtigste Trommler unserer
Zeit.
Du
hast, soweit ich mich richtig erinnere, an der Kunsthochschule
in Kassel bei Harry Kramer studiert. Nun würde man von
einem Kunsthochschulabsolventen nicht primär Musik erwarten.
Gibt bzw. gab es Bezugspunkte zwischen dir und Harry Kramer,
dessen Weg vom Friseur über den Tanz hin zum Künstler
ja auch sehr vielseitig war? Hat er dich, knapp formuliert,
besonders beeinflussen können?
Gerade
Harry Kramer hat mit Künstler-Rollenbildern gespielt und
immer die Rolle des Künstlers hinterfragt, eher als die
Ergebnisse von Kunstproduktion zu thematisieren. Wann immer
Künstler in seinem Atelier zusammensaßen, niemals
wurde eine bestimmte Stilrichtung gefeatured. Es ging eher um
die Rechtmäßigkeit der Arbeit des Künstlers,
insbesondere vor dem Hintergrund des Schattens den der Künstler
Marcel Duchamp in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts
auf die Kunst geworfen hat. Es gab eine Gruppe von Musikern
im Atelier, die in verschiedenen Zusammensetzungen zu Eröffnungen,
Ausstellungen musiziert hat, bzw. Performances durchzog, bei
denen Musik eine große Rolle gespielt hat.
Bist
du ebenfalls noch in anderen künstlerischen Bereichen neben
der Musik aktiv? Malerei, Fotografie Film....?
Bilder
an weißen Wänden hab ich gefressen. Das sind reaktionäre
Tendenzen, die sich bis heute halten konnten, weil fassbare
Objekte immer auch als Aktien betrachtet werden. Abgeschwächt
formuliert, zumindest hat der kapitalistisch ausgerichtete Kunstbetrieb
die Tendenz gefördert, vornehmlich technisch imposante
Kunst zu Ruhm zu verhelfen.
Zum
Abschluss noch die Frage nach dem, was konkret in nächster
Zeit ansteht....Bei der Vielseitigkeit wird das sicherlich nicht
wenig sein, oder?
In
Zukunft wird ausgerastet.
Interview: Karsten Frehe (04/2003)
www.nonplace.de