Headcornerstone

Nachdem es im letzten Jahr bereits mit dem Longplayer von Dubtari einen Beginn in Sachen heimischer Nachwuchsförderung bei Echo Beach aus Hamburg gegeben hat, kommt nun das Debütalbum von Headcornerstone auf den Markt. Die Spatzen pfeifen es bereits seit einiger Zeit von den Dächern: da kommt ganz feiner Conscious-Reggae gewürzt mit Ragga aus München auf uns zu. Wie bereits bei Seeed und Dubtari handelt es sich bei Headcornerstone um eine Bigband. Neun Köpfe zählt sie in diesem Fall. Musikalisch wird von allen auf einem hohen Niveau gearbeitet, klanglich perfekt und sowohl von den Lead- als auch von den Backingvocals überzeugend. Schöne und vor allem echte Bläsersätze runden das Ganze ab. Textlich sind die Lyrics sehr spirituell, vorgetragen meist in Patois, der Sprache die auch Gentleman verwendet. Und dem Vergleich mit eben dem oder auch mit Seeed hält Headcornerstone durchaus stand. Moritz Feuerhak sprach mit Highna a.k.a. Conscious Fiyah.

Headcornerstone ist eine neue Band, zumindest für Menschen, die nicht aus dem Süden des Landes kommen oder dort waren. Könntest du euch vielleicht erst einmal vorstellen, d.h. wer sind Headcornerstone und wie würdest du eure musikalische und textliche Ausrichtung beschreiben?
Wir sind eine Gruppe von Musikern, die Reggae lieben und einfach gerne Musik machen. Das Alter der Bandmitglieder ist durchschnittlich 25 Jahre. Die meisten von uns kennen sich schon eine Zeit lang aber die Formation der Band hat immer wieder gewechselt, so dass immer wieder neue Leute dazu gekommen und andere wieder gegangen sind.
In unserer Musik versuchen wir alle möglichen Elemente zu verbinden und von klassischem Roots bis hin zu Dancehalltunes, ist bei uns alles vertreten.
Textlich handeln die Lieder meist von der Ungerechtigkeit mit der die Menschen auf dieser Welt jeden Tag konfrontiert werden, aber auch von einem Bewusstsein das es etwas Höheres gibt an das ich glaube und in das ich meine Hoffnung setze. Ich nenne es Jah und es wird mir bewusst wenn ich mich mit RastafarI befasse.


Beim ersten Hören eures Albums stellte ich fest, dass es sehr "konzert-mässig" aufgebaut ist und fast wie aus einem Guss klingt. Habt ihr versucht, eine Liveatmosphäre zu transportieren?
Wir hatten keine genauen Vorstellung wie unser Album klingen soll wenn es fertig ist. Deswegen ist es nicht unbedingt beabsichtigt einen Live-Sound wiederzugeben. Wir sind allerdings mit dem Aufbau und Sound des Albums sehr zufrieden, so wie es geworden ist, gefällt es uns und das ist auch wichtig. Der Live-Charakter liegt wahrscheinlich daran das wir in 1. Linie eine Liveband sind und dies unsere erste Produktion war. Außerdem wollten wir unseren Sound so unverfälscht wie möglich halten, so wie man uns halt von den Konzerten kennt.

Erzähl doch mal, wie bei euch 9 (!) die einzelnen Titel entstehen, also wer fürs Schreiben und Komponieren etc. verantwortlich ist. Agiert Headcornerstone als Kollektiv?
Ja, HCS agiert als Kollektiv und das ist auch das was unsere Musik ausmacht. Die Idee eines Soundpools wird hier umgesetzt. Die Lieder sind meistens ein Entwicklungsprozess bei dem jeder seinen Teil zum Ganzen beisteuert. Wir schmeißen sozusagen alles in einen Topf und schöpfen dann daraus einen neuen Tune. Ich denke das ist gut, so hat jeder auch einen besonderen Bezug zu den Liedern. Klar kommt es aber auch mal vor das jemand ein komplettes "Gerüst" mitbringt, an dem dann noch gefeilt wird.

Eure Texte sind im Grunde ausnahmslos conscious und sehr an Rasta, Roots and Culture orientiert. Ihr toastet und singt im jamaikanischen Dialekt Patois. Was ist hierfür der ausschlaggebende Punkt gewesen: war es die möglichst originalgetreue Wiedergabe der Kultur, die Melodik und Rhythmik der Sprache oder sogar die "Unverständlichkeit", so dass die Lyrics nicht von den falschen Ohren falsch verstanden werden könnten?
Seit ich Reggae höre, höre ich nur Conscious Reggae und das hat mich geprägt, bzw. deswegen hör ich ja u.a. Reggae. Ich hab es immer geliebt, von den powervollen Botschaften der Sänger zu hören. Das ist das was mich an Reggae, textlich gesehen, so fasziniert. So ist es auch was unsere Texte angeht nicht so, dass wir gesagt hätten, o.k. wir machen ein reines "Conscious Album". Es ist uns zum einen wichtig, dass unsere Lieder nicht zu sehr nach Sunshine-Reggae klingen, der nur ein kommerzieller Abklatsch dessen ist was Reggae eigentlich ausmacht. Zum anderen singen und spielen wir so, wie es aus uns rauskommt.
Natürlich sollen so viel Leute wie möglich die Texte verstehen. Unverständlichkeit ist hier nicht beabsichtigt wobei ich verstehen kann wenn man nicht immer alles mitkriegt. Meistens versteht man aber den Zusammenhang und der Rest ist dann nur noch genaues Hinhören und verstehen wollen. Ich singe auf Patois weil mich die Sprache sehr inspiriert und ich mich sehr wohl mit ihr fühle. Es soll keine originalgetreue Wiedergabe sein, schließlich bin ich kein Jamaikaner und das ist auch nicht Sinn der Sache. Ich denke ich hab einen Weg gefunden mich auszudrücken, wie, das bleibt jedem selber überlassen. Obwohl ich Europäer bin, sehe ich mich nicht gezwungen British-English zu sprechen. Ich bevorzuge das Patois, da es für mich kreativer ist und die Dinge besser auf den Punkt bringt. Warum soll die ganze Welt Britísh-English sprechen?

Ich find es immer wieder interessant andere Sprachen auf Reggae-beats zu hören. Inwiefern seid ihr, besonders du "Conscious Fiyah" als Dread, im doch eher konservativen Bayern von der babylonischen Ungerechtigkeit, z.B. im Bezug auf Ganja, betroffen?
Yah man, das ist in Bayern definitiv ein sehr großes Problem. Die Polizeipräsenz ist hier allgegenwärtig. Jeder Ganja- Raucher ist hiervon betroffen und zwar auf eine Weise, die einen sehr stark beeinflusst. Das "äußerliche Erscheinungsbild" spielt bei sogenannten "verdachtsunabhängigen Personenkontrollen" eine große Rolle. Aber nicht nur Leute die Dreads haben werden hier regelmäßig gefilzt. Immer wieder sieht man wie die Polizei auch eher unscheinbare junge Leute aufhält, ihnen mit der Taschenlampe in die Augen leuchtet und ihnen einfach Probleme macht. Es werden generell viel zu viele Jugendliche kriminalisiert, aufgrund des Konsums von Ganja.
Man kann nur den Kopf schütteln wenn man daran denkt, dass ein paar Km weiter nördlich alles ganz anders ausschaut obwohl es das selbe Land ist. Aber besuch uns doch einfach mal!!!

Denkt ihr, man sollte zur Lösung bestehender Probleme den Dialog mit den Babyloniern suchen oder ist es der beste Weg "fi bun fire pon dem"?
Ich denke es ist nie schlecht einen Dialog zu suchen, dabei wird man leider immer wieder enttäuscht wenn man es tut. Ich habe öfters schon versucht bei Kontrollen, über die eigentliche Sinnlosigkeit solcher Aktionen, mit der Polizei zu reden. Manchmal lässt sich Babylon darauf ein und es kommt vor, dass sie uns zustimmen, sagen aber gleichzeitig "´s halt illegal, Gesetz ist Gesetz, da kann man nichts machen". Genau das ist aber das Problem, denn ich denke man kann sehr viel verändern, Voraussetzung dafür ist aber, dass man sich dessen bewusst und es gewollt ist. Die Menschen, die sich bewusst gegen die Wahrheit stellen und Lügen verbreiten.....Fire bun dem !!!

Wie kommt es, dass auf dem Album keine, für den Reggae doch so typischen, romantischen Liebeslieder drauf sind? Sollte es ein reines Conscious-Album werden oder hätte so etwas da evtl. musikalisch auch gar nicht zwischengepasst?
Wie schon gesagt, wir haben so was wie ein reines Conscious Album nicht geplant. Wir haben nur Conscious Tunes in unserem Repertoire. Wir haben halt einfach eine Auswahl von Songs, die wir auch Live spielen, aufgenommen. Es ist mir einfach wichtig eine Message in den Liedern zu haben, denn wenn ich schon die Möglichkeit habe mit einer Band zu spielen, möchte ich diese auch nutzen um über Dinge zu reden die mir persönlich wichtig sind. Ich hab aber auch nix gegen Liebeslieder im Gegenteil, ich mag Lieder die von Liebe handeln.

Man kann bei einigen Liedern (wie "Hot Like Fire" oder "Gwaan So Bad"), sowohl im Text als auch bei der Performance, Ähnlichkeiten zu aktuellen jamaikanischen Künstlern wie Junior Kelly und Capleton erkennen. Inwieweit beeinflussen euch solche Künstler und wen zählt ihr allgemein zu euren Vorbildern?
Künstler wie Jr. Kelly, Capleton, Anthony B, Sizzla und viele andere Artists haben mich auf jeden Fall beeinflusst. Klar, dass man das auch hört. Mir ist es jedoch sehr wichtig, mein eigenes Ding zu machen und mich nicht zu sehr ablenken zu lassen. Ich denke man braucht als Sänger auch eine gewisse Zeit in der man seinen eigenen Stil findet und an ihm festhält.

Wenn du dir einen Artist (lebend oder bereits verstorben) für eine Combination aussuchen könntest: wen würdest du auswählen und warum!?
Es gibt so viele gute Artists mit denen ich gerne mal ne Combination singen würde. Ich kann das so nicht sagen, wenn die Vibes stimmen dann bin ich ready.

Aus dem Raum München dringen nach und nach etliche Namen aus dem Bereich Reggae auch bis hier in den Norden vor. Es scheint eine lebhafte Szene in Bayern zu geben. Wie kommt es dazu? Ist es etwa das bessere Klima.....?
Also das Klima ist es glaub ich weniger... Auf jeden Fall gibt es jede Menge Soundsystems und Bands, wie z.B. Dubios Neighbourhood + Jahcoustix, von denen man garantiert noch hören wird, wenn nicht schon passiert. Vielleicht liegt es daran, weil wir hier im Herzen Babylons sitzen und sich langsam Widerstand formiert.

Mit welchen Bands und Soundsystems aus dem Raum habt ihr zu tun?
Auf jeden Fall mit Dubios, dann haben wir hier noch eine Riddim- Band die heißt Oneness-Band und featured verschiedene Artists. Es gibt in der Nähe von Landshut noch ne Reggaeband die sich "Medassie Selassie" nennt. Soundsystems gibt es hier jede Menge, mein Basic Sound heißt Japhet- Sound aus Augsburg mit dem ich schon seit Jahren Sound mache. Mit den "Roots-Rockers" und "Children of the Most High" arbeiten wir auch sehr gerne zusammen, sowie mit diversen anderen Sounds.

Eine Band aus München trifft auf das Label Echo Beach aus Hamburg. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Da müsstest du eigentlich am besten unseren Manager, den Chris, fragen, wie er das in die Wege geleitet hat. Auf jeden Fall freuen wir uns sehr, dass alles so gut geklappt hat. Ich bin mir sicher, dass es einige Parallelen zwischen Echo Beach und uns gibt, ohne die eine Zusammenarbeit gar nicht möglich wäre.

Die letzte Frage: Wie seid ihr zu eurem Bandnamen gekommen und was bedeutet der?
Als wir uns die Frage nach dem Bandnahmen stellten, kam uns die Bibelstelle die auch Marley zitiert hat in den Kopf:"the stone that the builder refuse, shall be the Headcornerstone".
Cornerstone oder Headcornerstone wurde für uns zum Symbol für die Existenz Gottes, der das Fundament/ Cornerstone von allem ist und ohne den alles in sich zusammen fallen würde. Der Headcornerstone ist aber auch gleichzeitig der Stein den die Bauleute verwerfen und übersehen, womit die kleinen Dinge des Lebens gemeint sind, die wir so gerne übergehen, die aber eigentlich die wirklich wichtigen Dinge sind.

Interview: Moritz Feuerhak
Einleitung: Karsten Frehe

(12/2002)

www.headcornerstone.de

 

www.irieites.de