Brotherman - der kreative Kopf hinter Minor7Flat5

 

Brotherman wird mittlerweile sehr vielen Reggaefans weltweit bekannt sein. Wenn nicht namentlich dann auf alle Fälle durch die von ihm produzierte Musik, die auf seinem Label Minor7Flat5 ohne viel Tam Tam zutage befördert wird. Zu nennen wären da insbesondere die Alben von Turbulence "Different Thing", Luciano "Tell It From The Heart" und diverse Singles auf denen u.a. Artists wie Anthony B, Luton Fyah, Mikey General, Spectacular, Bounty Killer und viele andere illustre Gäste zu finden sind. Mit Al Pancho's Album "Righteous Men" featuring Luciano, Bounty Killer, Junior Kelly, Jah Mason, Natural Black und Luton Fyah liegt ein weiteres Album vor, dass den jungen Rasta-Deejay aus Kingston in guter Form präsentiert und zahlreiche eingängige Combinations an den Start bringt. Al Pancho sollte man sich merken! Zudem kommt über Minor7Flat5 das Album "Addicted To Music" von Taffari in die Regale der Welt. Produziert hat hier Al.Ta.Fa.An um Anthony Senior, für Andres "Brotherman" Christophersen eine wichtige Connection auf Jamaika. Als Gäste sind Anthony B, Junior Kelly und Gentleman mit dabei. Taffari strahlt hier als einer der besten Sänger mit einer der angenehmsten Stimmen im Reggaebiz dieser Tage! Zudem steht die neue 7 Inch Selection mit dem "Classic"-Riddim in den Läden und wird landauf/landab von Selektas gerne auf die Teller gelegt. Ein weiteres Album erscheint in ein paar Wochen: Luton Fyah's "Dem No Know Demselves". Stilistisch ist das Programm von Minor7Flat5 nicht in eine Schublade einzuordnen, sondern sträubt sich durch seine Vielfältigkeit. Bei so viel Output wurde es Zeit, Andres "Brotherman" Christophersen einige Fragen zu stellen. Dabei geht es nicht nur um die aktuellen Produktionen sondern selbstverständlich auch um die beiden großen Alben von Turbulence und Luciano sowie andere Veröffentlichungen. Ein Blick zurück und nach vorne also!

Turbulence
Mit dem Album "Different Thing" von Turbulence, dass als erstes Reggae-Album bereits 2003 erschien, ist wirklich ein großer Coup auf deinem Label Minor7Flat5 gelungen. Dir erst mal ein Kompliment für das feine Händchen, dass du bisher bewiesen hast. Ich halte das Album nach wie vor für sein bestes und vielseitigstes Werk. Turbulence soll ja "damals" während der gemeinsamen Sessions von dir und Silly Walks auf Jamaika sehr hartnäckig gewesen sein - mit dem Resultat, dass ein komplettes Album quasi nebenbei entstanden ist. War es vorher wirklich nicht geplant, ihn so viele Riddims Voicen zu lassen?

Nein, den der eigendliche Grund für den Besuch auf Jamaika war ja das Album von Silly Walks. Aber als Turbulence so richtig in Fahrt gekommen war und immer noch einen und noch einen Tune am Start hatte, die alle gut waren, regelten wir das Buisness mit ihm und nahmen sehr viele Tracks auf.

Was schätzt Du besonders an Turbulence als Singjay?

Sein Talent und seinen Vibe. Er hat so unglaublich viele Styles und kommt auf jedem Riddim klar, als wäre er maßgeschneidert für Turbulence.

Wie kommt es eigentlich, dass du mit Silly Walks in so regem Kontakt stehst, sodass auf dem Album gleich sechs der versammelten Riddims versammelt sind, die auf dem Silly Walks-Album von anderen Artists gevoiced wurden?

Silly Walks sind gute Freunde von mir. Schließlich waren sie es , die mir die erste Jamaikareise ermöglicht haben, dafür bin ich ihnen immer noch dankbar. Da das Turbulence-Album ja quasi als Nebenprodukt dieser Reise entstand, war eh klar, dass wir es gemeinsam releasen. Zuerst war noch gar nicht klar, dass es auf meinem Label rauskommt. Die Jungs machen ja bekanntlich sehr gute Arbeit, so dass ich froh war, dass es so kam.

Ganz am Ende des Tracks "Girlfriend" auf einem Silly Walks-Riddim setzt Turbulence noch einmal an, um dann abrupt aufzuhören. Es klingt wie ein Fehler. Da es aber auf dem Album in dieser Form auftaucht und nicht etwa ausgeblendet wurde vermute ich, dass dem eine bewusste Entscheidung zugrunde liegt, oder? Spontaneität contra Perfektion?

Was dabei genau der Grund war kann ich jetzt nicht sagen, ich war bei dem Mix nicht anwesend, aber es kommt oft vor dass auf den Bändern (in Jamaica ist 24-Spur Analogtape immer noch gängige Aufnahmetechnik) irgendwelche lustigen Sprachfetzten oder Geräusche sind, die dazu verleiten sie einfach im Mix zu lassen. Ich habe zum Beispiel bei den Backing Vocals zu Al Panchos Album eine superlustige Stelle, wo Leeba Hibbert und Nikkie Tucker wie wild anfangen zu kreischen, weil auf einmal eine Riesenkakalake in der Gesangskabine auftauchte und der Engineer sich auf die Socken machte um das Vieh zu killen….

Riddims
Neben den Riddims von Silly Walks sind auch fünf von dir mit vertreten. Der Riddim von "Pride" weist Breakbeatspuren auf, die an den frühen Jungle erinnern. Hierzu passt ebenfalls der Wechsel im Tempo des Stückes. Was verbindet Dich mit diesem Genre?

Das selbe wie mit den meisten andren Stilen, die mich beeinflussen, der Vibe. Ich bin nie ein kompletter Breakbeat-Freak gewesen, aber stehe schon sehr auf diese Musik, auch die Produktionstechnik ist geil, weil ja mit hochgepitchten Drums gearbeitet wird. Ich finde es immer sehr interressant, wenn Sounds total verfremdet einen neuen Sinn ergeben. Außerdem liebe ich an Breakbeat die vertrackten Rhythmen,
die mit der Geschwindigkeit und ihren Synkopen eine ganz besondere Energie erzeugen.

Trotz dieser Ausflüge haben die meisten deiner Riddims einen warmen Roots-Touch. Hat das auch spirituelle Gründe?

Auf jeden Fall, zum einen durch den Einfluss den Rastafari auf mich und mein Leben hat, zum anderen, und das bezieht sich nicht nur auf die Rootsriddims, ist für mich jeder Tag im Studio wie eine Übung zur Erweiterung meines Horizontes und meiner musikalischen Freiheit.
Im Karate gibt es Katas, im Yoga Asanas, beides sind Bewegungsabläufe, die immer wieder unter kompletter Konzentration ausgeführt werden. Ich finde das sehr verwandt mit den Übungen die Musiker auf ihrem instrument machen um ihren Körper und ihren Geist so zu schulen, dass sie sich auf einer höheren Ebene entfalten können.
Ich benutze jedes Stück Equipment in meinem Studio ähnlich wie meine Musikinstrumente in dieser Form.
Es gibt ja auch oft monotone und eher langweilige Abschnitte in der Produktion, da konzentriere Ich mich dann darauf, eine größtmögliche Effektivität und eine schnelle und genaue Arbeitsmethode zu entwickeln.
So entdecke ich für mich auch in beschränktem Rahmen immer neue Möglichkeiten. Ich bin sicher, das bleibt immer so. Klar ich habe schon ziemlich feste Routinen, aber ich arbeite ständig daran sie noch zu verbessern.

Vergleichen wir einmal das Basteln eines Riddims mit einem Kochrezept. Wie würde sich das für einen guten Riddim aus deiner Sicht anhören? Man nehme....

Zuerst muss man bei dem Beispiel in jedem Fall vermerken, dass das Gericht erst dann fertig ist, wenn der zweite Koch, nämlich der Artist seinen Senf dazu gegeben hat. Und das ist auch schon ein sehr wichtiger Punkt: Die Riddims dürfen nicht zu voll sein, es ist wichtig, dass genug Raum für den Gesang bleibt, trotzdem muss es auch schon "vollendet" klingen, damit es den Sänger auch genug kickt.
Ich mache immer erst ein Fundament aus Drums und Bass, die ich um eine Akkordfolge rumbaue, wobei ich die Harmonieinstrumente zum Voicen oft ganz ausdünne. Bass und Drum sind alles bei Reggae, wenn die gut grooven ist das schon die halbe Miete. Danach suche ich mir ne knackige Orgel und n frisches Piano und lasse das ganze 30 Minuten schmoren…. Horns und Gitarren kommen meist erst nach dem Voicen im vollen Umfang dazu…….

Auf den Riddim-Selections (Lili-, Campo- und Classic-Riddim) sind u.a. Turbulence, Cecile, Luton Fyah, Al Pancho, Bounty Killer, Anthony B, Mr. G, Spectacular zu hören Nach welchen Kriterien wählst du die Artists aus, die du vors Mikrophon bittest?

1. Der Artist muss GUT sein, d.h. er muss mich durch Output, Vibe und Musikalität beeindrucken.
2. Ich muß ihn persönlich mindestens okay finden, das liegt daran, dass ich Hobby und Beruf kaum trenne, und so gesehen wirklich für meine Produktionen lebe, das bedeutet aber auch, dass ich nur Botschaften und Vibes damit transportiere, die im Einklang mit mir sind. Ginge es mir um schnelles Geld, würde ich was anderes machen. Zum Beispiel Pornos drehen oder Versicherungen verkaufen .

Nach welchen Kriterien triffst du die Entscheidungen, wen du in Combinations nebeneinander stellst - etwa wie beim aktuellen Classic-Riddim Bounty Killer & Al Pancho bei "Stay Far" oder Turbulence & Higher Trod bei "Move On"? Ist es der Style, die Tonlage...?

Das ist ganz unterscheidlich. Zum Beispiel bei "Peace" mit Luciano, Taffari und Luton Fyah finde ich es supercool, wie die 3 so unteschiedliche Styles so fett auf einen Nenner bringen. Beim Luciano Album, war aber auch ein Grund, dass es für die beiden anderen Artists ein super Push war, auf der Platte dabei zu sein. Eine schöne Combination ist im Idealfall gute Promo für alle Beteiligten.

Von jedem der bisher erschienenen Alben wählst du einen Riddim für eine 7 Inch Selection aus (den Lili-Riddim beim Turbulence-Album, den Campo bei Luciano und jetzt der Classic, von dem ja ebenfalls die eben erwähnte Combination mit Bounty Killer auf Al Pancho's Album "Righteous Men" vertreten ist). Sind es aus deiner Sicht die jeweils besten Riddims der Alben oder warum entscheidest du dich für eben genau diese?

Das Phänomen ist eher Zufall und lag in den Fällen auch mit daran, dass ich in dem Moment wo das Album fertig war, oft auch die richtige Menge Tunes für den Release einer Selektion hatte. Dann ist das natürlich auch eine gute Werbung fürs Album. Aber ich kann nicht sagen das es immer so geplant ist.

Die Idee zum Classic-Riddim - nämlich klassische Elemente in den Riddim einzuweben - finde ich gelungen umgesetzt und überzeugend. Gibt es schon Reaktionen aus den Dancehalls, denn klassische Musik ist ja nicht gerade das, was man (auch in kleinen Schnipseln) dort erwarten würde!?

Das Ding kommt gut an, wobei es halt Tempomässig nicht gerade Up-to-Date ist, und deshalb nicht so gut in die aktuellen Sachen gemixed werden kann.

Luciano
Der nächste große Wurf war mit "Tell It From The Heart" ein Album von Luciano. Was hatte dich besonders gereizt, mit ihm zusammenzuarbeiten?
Was schätzt du an ihm als Mensch, soweit du das nach den Treffen beurteilen kannst? Gibt es eine besondere kurze Anekdote von den Aufnahme-Sessions auf Jamaika?

Ich war nicht bei allen Vocal Aufnahmen anwesend, Senior von ALTAFAAN hat die sachen zum Teil allein voicen lassen. Da Luciano im Studio immer ein Magnet ist, für endlose Menschenansammlungen, haben sie sich immer morgens getroffen, für ca. eine Woche lang. Der Vibe war so gut und frisch, dass sie am Ende alle immer 5-10 Minuten vor der Zeit da waren und ein regelrechter Wettbewerb entstand, wer erster am Start ist.
Das ist echt ungewöhnlich und bei anderen Artists undenkbar… Die Sessions bei denen ich dabei war waren super! Luciano ist wirklich eine Ausnahmeerscheinung. Wenn er in den Raum kommt verändert sich die Atmosphere und man hat gleich gute Laune. Wenn er singt ist das noch extremer. Es waren recht viele Leute anwesend, aber nur aus seinem oder unserem Umfeld und es war eine unbeschreibliche Stimmung derbe "unity"!

Al Pancho
Al Pancho zeigte sich bereits auf dem Lili-Riddim mit seinem Titel "Righteous Man" und seiner eindrucksvollen, dunklen Stimme als vielversprechender Artist. Wie ist er dir über den Weg gelaufen? Was schätzt du persönlich besonders an ihm?


Pancho ist mein Bruder. Ich habe auch ihn das erste Mal getroffen als wir 2002 mit Silly Walks auf Jamaika waren. Ich mochte ihn gleich, weil er sehr humble ist. Wir haben uns gleich verstanden und das ist seit dem so geblieben, er ist definitiv der Artist um den ich mich am meisten persönlich kümmere. Aber das beruht auch auf Gegenseiigkeit, er kümmert sich genauso gut um mich und viele meiner Chancen und Links wären ohne ihn nie entstanden.

Al Pancho ist zwar schon länger im Geschäft aber nicht sonderlich bekannt. Mit "Righteous Men" liegt bei dir, so viel ich weiß, sein Debüt-Album vor. Hast du vor, ihm weiter auf den Sprung zu helfen?

Klar, Ich mache inzwischen auch Managment für ihn. Er gehört zur Minor7Flat5-Familie und ich arbeite weiter mit an seiner Karriere.

Uli Nefzer kritisiert in seinem Review des Albums im Riddim (04/1004), dass Al Pancho "sich dem Stil seiner jeweiligen Gesangspartner anpasst". Nun war das so sicher nicht möglich, da die Al Pancho-Aufnahmen ja bereits in Hamburg aufgenommen wurden und die anderen Artists (Junior Kelly, Luciano, Bounty Killer, Jah Mason, Natural Black, Lutan Fyah) aber später auf Jamaika dazu kamen. Dennoch sei gefragt: Hast du die entsprechenden Artists passend zu dem jeweiligen Stil Al Panchos, der ja sehr vielseitig ist, ausgesucht?

Was Uli damit genau meinte, weiß ich auch nicht so recht. Es ist in der Tat so, dass der Grossteil der Songs von Pancho schon in Hamburg gevoiced wurden. Manchmal (z.B. bei "Keep Focus" mit Natural Black) hat Pancho sogar den anderen Artist Ideen für ihre Parts gegeben, die dann natürlich ihren eigenen Style dazugaben.

Sind schon weitere Aufnahmen mit Al Pancho im Kasten, die demnächst veröffentlicht werden?

Ja, auf meiner nächsten Selection (SUNDAY RIDDIM) ist er auch wieder dabei. Und ganz aktuell habe ich auf einem Riddim, den ich während des Hurrikanes Ivan auf Generatorstrom mit meinem Laptop baute (der Riddim heißt Ivan) auch Pancho gevoiced neben anderen sehr fetten Artists. Das ist in jedem Fall das Derbste was ich bisher an Dancehall gemacht habe, aber ich verrate noch nicht alles…..


...Brotherman, Minor7Flat5 & the future...
Gibt es für Dich so etwas wie eine Top 5-Wunschliste von Artists mit denen du in der Zukunft gerne arbeiten würdest? Wenn ja, wer steht auf dem Zettel?


Cocoa Tea
Barrington Levy
Capelton
Bustah Rhymes
Missy Eliott

Bei Sam Ragga's Debütalbum tauchen etliche Hip Hop Artists aus dem Eimsbushumfeld auf. Wird es bei der Vergangenheit von Minor7Flat5 ähnliche Kooperationen mit Hip Hop-Artists auf Dancehall-Riddims geben?

Kann sein, konkret gibt es jetzt gerade keine aufnahmen aber das kann schnell gehen….

Wird es vielleicht sogar Produktionen geben, bei denen du selbst wieder vor das Mikro trittst?


Auf jeden Fall. Ich habe noch einen ganzen Haufen Texte, wenn die Zeit reif ist geht's los…

Was steht ansonsten in naher Zukunft an Veröffentlichungen an?

Erstmal Luton Fyah, die LP ist schon fertig. Ansonsten arbeite ich an einem deutschsprachigen Reggae-Projekt mit einer sehr talentierten afrodeutschen Sängerin und habe nächstes Jahr auch wieder das eine oder andere Album mit jamaican Artists am Start… Lasst euch überaschen.

Abschließend eine womöglich dämliche Frage. Wie bitteschön kommt man auf den nicht gerade naheliegenden Namen Minor7Flat5 für ein Label? Was verbirgt sich dahinter?

Minor ist das Gegenteil von Major, wir sind ein Gegenlabel zu Majorlables, also ein Minorlabel….
Außerdem ist Minor7flat5 einer der disonantesten Akkorde.
Das bedeutet: ich arbeite im Akkord um Dissonanz zu der verstrahlten babylonischen Musikindustrie mit ihrer Gehirnwäsche und all dem Zeug zu schaffen… Alles Klar?? Blessed Love



Al Pancho


Interview: Karsten Frehe (10/2004)

www.minor7flat5.com


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