Jeb Loy Nichols “Long Time Traveller” (On-U Sound)

Jeb Loy Nichols

Jeb Loy Nichols
“Long Time Traveller”
(On-U Sound – 2016)

Anfang der 90er war es eine schlichte Kassette, die mich auf diesen begnadeten Herrn aufmerksam werden ließ. Eine gute Freundin brachte sie mit und es war um mich geschehen: das Album “Just A Visitor” von den Fellow Travellers war darauf zu hören! Schrammel-Country trifft auf Reggae und Dub. Klingt merwürdig – ist bzw. war es auch. Zumindest in dieser Form, denn die Verbindung zwischen Country und Reggae gab es auf Jamaika ja schon früher. Hier war etwas anders! Und das lag auf jeden Fall an Jeb Loy Nichols, dem Kopf der Band, der aus Wyoming stammt, später jedoch nach England übersiedelte und derzeit in Wales wohnt. Seine Stimme ist unvergleichlich: nasal und irgendwie eine Spur in Richtung Langsamkeit gedrosselt, ja fast schon ein wenig gelangweilt klingend saß er singend vor dem Mikrophon und erzählte Geschichten. Wer die noch nicht gehört hat, sollte unbedingt mal nach den Fellow Travellers suchen. Nach gerade mal fünf Jahren löste sich die Band auf und Jeb Loy Nichols ging fortan auf Solopfaden weiter durch die Musik- und Kunstwelt (nebenbei ist er auch Maler und u.a. für viele Holzschnitte verantwortlich, die frühe Veröffentlichungen von Pressure Sounds zieren).

Nun gibt es wieder Neuigkeiten von ihm. Auch wenn das Album “Long Time Traveller” bereits 2010 limitiert in Japan erschien, sollte man aufhorchen. Das Album wurde neu gemixt und veredelt. Zudem kommt es als Doppel-CD (beim Vinyl liegt eine CD bei) auf den Markt und enthält diverse Bonusbeigaben sowie alternative Mixe. Als Produzent steckt Adrian Sherwood hinter all dem. Und eine Reihe von Musikern, die man aus dem On-U Stall kennt, wie z.B. Lincoln “Style” Scott. Im Vergleich zu den Frühwerken von Jeb Loy Nichols tritt hier Country bei der Instrumentierung eigentlich komplett zurück und macht dem Reggae Platz. Nur an der leicht melancholischen, deutlich im Country verwurzelten Stimme sowie dem markant-schleppenden Gesang hat sich bis heute nichts geändert.

Highlights sind “Lonely King Of The Country”, “The Day You Came Over The Hill” und “To Be Rich Should Be A Crime”. Zwischendrin gibt es auch mal kleinere Längen, doch ist die Musik eh nicht für die Party gedacht, zumindest nicht für eine, bei der ausgiebig getanzt werden soll. Auch wenn mir die Alben der Fellow Travellers unterm Strich einen Ticken besser gefallen, weil sie etwas wilder und frecher um die Ecke kommen, legt “Long Time Traveller” ordentlich nach. Auf jeden Fall wird einmal mehr gezeigt, dass es sich lohnt, Brücken zwischen Musikstilen zu schlagen.

Karsten Frehe

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.