Nat Birchall meets Al Breadwinner
„Sounds Almighty“
(Tradition Disc – 2018)
Manchmal ist es sehr schwer einen bestimmten Zeitpunkt auszumachen, wann genau etwas begann. Einen bestimmten Zeitpunkt festnageln, an dem alles seinen Anfang nahm. So im Falle Nat Birchall‘s neuem Album. Waren die Grundsteine für „Sounds Almighty“ schon damals in den frühen Siebzigern gelegt? Wo der junge Nat, noch ein Schüler in Lancashire, zum ersten Mal in Berührung mit dem Reggae kam? Wo ihn die großen jamaikanischen Hornisten, allen voran Cedric Brooks und Tommy McCook, inspirierten selbst Saxophon zu spielen? Oder war es dieser Moment im Hause von Al Breadwinner, wo ihn sein analoger, warmer Vintage-Sound zurück an die eigenen Anfänge erinnerte?
Wie auch immer, Birchall’s Weg, sein musikalischer Werdegang, war der des Jazz, in dem er einem weiteren seiner Idole nachging, dem berühmten amerikanischem Saxophonisten John Coltrane. Birchall’s Jazz war jedoch nie ein klassischer, herkömmlicher, sondern er fusionierte ihn stets mit Funk, Rock oder Hip-Hop. Nicht aber mit Reggae, obwohl ihn dieser Gedanke eigentlich nie so richtig los ließ. Er traute sich aber nicht, denn – wie er es selbst sagte – es ist schwer Reggae auch wirklich überzeugend zu spielen. Und er hatte keine richtigen Mitstreiter für dieses Unterfangen gefunden. In dem Produzenten Al Breadwinner glaubte er endlich so einen gefunden zu haben, der genau wie er, der spirituellen, althergebrachten Art des Reggae nachhing.
Die Rollenverteilung von den Beiden erinnert an eine andere legendäre Zusammenarbeit, die von King Tubby und Augustus Pablo nämlich. Ein großartiger Musiker und ein genialer Produzent finden sich zusammen und holen jeweils das Beste auseinander raus. Al Breadwinner unterlegt die von Birchall geschmeidig jazzige und höchst melodiös eingespielte Saxophon-Soli mit mystischen Nyabinghi Trommeln, nach Art von Count Ossi, verstärkt diese mit massiven Rhythmen und Bässen und – mischt das Ganze ab in klassischer King Tubby Manier – man höre dabei nur den Eröffnungstitel „Youth Iron Rock“ mit seinen tief schleppenden Bässen und schwindelerregend verdrehten Saxophonklängen. Wobei auch die Einflüsse von Lee ‘Scratch’ Perry stellenweise deutlich zu hören sind mit seinem unterschwellig blubbernden Sound (z.B. „Hail Don Jr.“). Die Platte spielt sich ab wie ein einziger Fluss aus Rhythmus und Harmonie und man kann dabei sehr leicht seinen Geist abdriften lassen.
Dennoch, ein fader Beigeschmack bleibt, dass dieses bittersüße Vergnügen dreißig-vierzig Jahre zu spät kommt, auch wenn diese Art von Musik eigentlich zeitlos ist, oder es zumindest sein sollte. „Sounds Almighty“ könnte so nahtlos ans Cedric Brook’s 1978 erschiene Album „United Africa“ anknöpfen – wäre er paar Jahre danach gekommen. Oder sogar an Pablo’s „King David’s Melody“ von 1983 und wenn’s unbedingt sein muss, auch an „North of the River Thames“ von Dub Syndicate und Doctor Pablo aus dem Jahr 1984. Denn damals, ohne in hilflose Nostalgie zu verfallen, hatte man von Musik mehr erwartet als heute, und folglich auch mehr erhalten.
Zvjezdan Markovic
Greetings
“Sounds Almighty” ist eine Zusammenarbeit mit dem in Manchester ansässigen Dub-Produzenten Al Breadwinner, der das Album gemeinsam mit dem Jazzer Nat Birchall eingespielt und produziert hat. Stargast bei den Sessions war der erfahrene jamaikanische Posaunist Vin Gordon alias Don D. Jr. Als Mitglied der legendären Jazz-Studioband The Skatalites übernahm Vin Gordon die vakante Position des ersten Posaunisten, nachdem der hoch geschätzte Don Drummond 1965 in Kingstons geschlossene Psychatrische Heilanstalt Bellevue Asylum eingeliefert und inhaftiert worden war (wo er auch vier Jahre später verstarb). Der Inhaftierung ging voraus, dass Don Drummond seine langjährige Lebensgefährtin ermordete. Vin Gordon hat seitdem unzählige Platten von praktisch jedem Reggae-Künstler der ersten Generation mit seinem Posaunenspiel veredelt. “Musical Bones” ist ein sehr frühes Solo-Studioalbum von Vin Gordon & The Upsetters, das von Lee Perry produziert und 1975 veröffentlicht wurde. Es wurde erst einmal als White-Label-Album veröffentlicht. Dass Vin Gordon für “Sounds Almighty” von Breadwinner und Birchall in die Band geholt wurde, ist sowohl als genialer Coup zu bewerten als auch ein Indiz für den Respekt den man Vin Gordons Posaunenspiel immer noch entgegenbringt.
Diese Anerkennung wird nun dem Reggae-Veteranen Vin Gordon von Nat Birchall & Al Breadwinner erneut entgegen gebracht, denn die beiden haben gemeinsam Vin Gordon’s neues Album “African Shores” produziert, welches am 26.07. veröffentlicht wurde.
Es handelt sich dabei, um ein sehr relaxtes Instrumental-Album mit Jamaican Jazz Einflüssen, reichlich Nyahbinghi Percussions und Dub Versions. Ein sehr schönes, qualitativ wertiges Album, das all denen gefallen wird, die bereits “Soul Almighty” zu schätzen wissen/wussten. “African Shores” klingt als wäre es bereits während der Sessions zu “Soul Almighty” entstanden.
Das Album wurde mit Tape und analogem Equipment eingespielt, so wie wir das schon einige Jahre von Al Breadwinner gewohnt sind. Ein klassisches, zeitloses, klasse Album eben.
credits:
Vin Gordon – Trombone
Nat Birchall – Tenor Sax, Bass, Piano, Percussion, Hand Drums
Al Breadwinner – Drums, Guitar, Organ, Piano, Percussion, Hand Drums
David Fullwood – Trumpet
Stally – Baritone Sax
Wahnsinn! Hab gerade die Tage überlegt, ob ich über das Album schreiben soll. Jetzt mach ich´s erst recht. Läuft gerade bei mir. Der Bass ist richtig bissig. Danke Ras Vorbei 😉
Greetings Zvjezdan,
danke, das freut mich, dass ich dich zu einer Rezension bewegen konnte, auf die ich mich heute schon freue. Solche hochwertigen, ich nenne sie mal, (Reggae-Jazz) Instrumentalalben sind sehr selten und sollten einer breiteren Fangemeinde unbedingt vorgestellt und ans Herz gelegt werden.