The Temple Rockers „Festival Of Lights“ (Fresh Roots Records)

The Temple Rockers
„Festival Of Lights“
(Fresh Roots Records – 2018)

Angesichts des wieder erstarkenden Antisemitismus, wo schon das offene Tragen eines Kippas einen zur Zielscheibe macht, und mittlerweile salonfähig gemachter Intoleranz gegenüber Andersartigem, kommt man nicht drum herum „Festival Of Lights“ in diesem aktuellen Kontext zu sehen. Auf dem neuen Album der Temple Rockers, einem Projekt des bekannten Bassisten und Produzenten David Gould, wird das jüdische Lichterfest Chanukka gefeiert, das dieses Jahr Anfang Dezember stattfindet. Dafür hat er sich mit legendären jamaikanischen Sängern Linval Thompson, Wayne Jarrett und Ansel ‘Meditation’ Cridland zusammengetan und den traditionellen, teils Jahrhunderte alten Chanukka-Liedern einen neuen, frischen Reggae anstrich verpasst. Und genau aus dieser Kombination speist sich die Besonderheit dieses Albums, das nicht nur jüdische und jamaikanische Musik verbindet, sondern auch das Judentum mit Rastafarianismus in Verbindung setzt.

David Gould

 

Bekanntlich haben diese viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige fundamentale Unterschiede, wie zum Beispiel, dass die einen glauben, ihren Messias schon gefunden zu haben (Haile Selassie I), während die anderen immer noch auf ihren warten. Aber im „Festival of Lights“ geht es nicht um das, was trennt, sondern um das, was verbindet. Denn beide verbindet vor allem die traurige Sehnsucht nach einem verlorengegangenem paradiesischen Zustand, wo der Mensch noch mit der Welt und Gott in Reinem war, als auch der feste Glaube und Überzeugung, dass diese Einheit wiederhergestellt werden wird. Dazu kommt die gemeinsame Erfahrung von Unterdrückung und Vertreibung.

Als quasi personifizierte Verbindung der beiden Kulturen ist David ‘Solid’ Gould schlechthin, spätestens seit seinem Album „Adonai & I“ aus dem Jahr 2000, worin er alten jüdischen Gebeten und Gesängen einen Reggae und Dub Gewand drüber gezogen hat. Er, aus einer religiösen amerikanisch-jüdischen Familie kommend und als Bassist der Gruppe John Brown’s Body fungierend, war schon immer an einer Synthese seiner Religion und der jamaikanischen Musik interessiert. Wie übrigens auch Matisyahu oder weniger bekannte Israel Dub Foundation (IDF) beispielsweise. Aber die Herausforderung, der sich David Gould in diesem Projekt gegenübersah, konnte eigentlich nur von jemanden wie ihm bewältigt werden, der sich in beiden Welten herausragend auskennt.

The Temple Rockers

 

Die Melodieführung und Rhythmen der traditionellen Lieder mussten auf Reggae-Offbeat eingestellt werden, sie mussten mit, zum Teil bislang fehlenden Bässen ausgestattet und die Gesänge selbst angepasst werden. Aber dies ist mithilfe der erfahrenen Sänger aus Jamaika erstaunlich gut gelungen und den, aus dem jüdischen Klezmer Jazz kommenden Bläsermelodien voller Weltschmerz und Nostalgie, die typische jamaikanische Lässigkeit und den überwältigenden Groove gegenüberstellen. Die drei Sänger fühlten sich hörbar sehr wohl bei der ganzen Sache, die jeweils mit zwei Songs vertreten sind. Mit Respekt, aber auch eingeborener jamaikanischer Experimentierfreude machten sie sich an alte Texte und Melodien heran. Und Ansel Meditation scheint sich von den drei am besten in die Thematik eingefühlt zu haben, dessen Stimme und Gesangsstil am nächsten an das Archaische dieser Lieder heranreichen.

Dabei nehmen sich die Temple Rockers nicht nur den Reggae und Dub der alten Schule vor, sondern schweifen rüber zum Rocksteady wie im Instrumentalstück „Festival Song“. Im kurzen Einleitungsstück „The Blessing“ lassen sie die harmonischen, breit angelegten Blässer mit zeremoniellen Nyabinghi Trommeln untermauern. Denn die Lieder nehmen teilweise eine echte Wende ins Mystische, das lediglich anstatt durch Ganja mit Weihrauch gesegnet wird. Wie im Fall vom letzten Lied des Albums, dem mit leichtfüßiger Country-Gitarre, treibendem Beat und flimmernden Keyboards vorgetragenen „I Have A Candle“ von Davids Schwester, Lisa Gould selbst gesungen. Dies alles ist umgesetzt in einem warmen, analogen Sound aus Davids eigenem Aufnahmestudio (Solid Studios), was den zeitlosen Charakter dieser Musik zusätzlich unterstreicht.

Das Album „Festival of Lights“ erscheint am 19. Oktober 2018

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)