UB40 „For The Many“ (Shoestring)

UB40
„For The Many“
(Shoestring – 2019)

Ha! What happend to UB40? – diese Frage stellt sich der Bassist der Band Earl Falconer in der Rolle eines DJ-Toasters tatsächlich in dem gleichnamigen Dancehall-Kracher. Tja, dasselbe hatte sich manch einer schon irgendwann Mitte der Achtziger gefragt, als aus einer hervorragenden Birminghamer Arbeiterklasse-Band, die Reggae so frisch, virtuos und engagiert gespielt hat, letztlich eine global agierende Hit- und Chartmaschiene geworden ist, die Reggae nur als Vorwand nimmt, um im großen Pop-Geschäft mitzumischen. Oder es sah zumindest danach aus.

Anderseits haben sie so den Reggae einer größeren Hörerschaft vorgestellt, die bis heute noch nicht mal weiß, was Reggae in Wahrheit überhaupt ist. Angesichts des langjährigen juristischen Gezerres um die Namensrechte sind die Mitglieder von UB40 mittlerweile heillos zerstritten. Ein Disput, der sogar die Brüder Campbell entzweit und zu bitteren Rivalen gemacht hat. Den Posten vom Sänger und Frontman Ali Campbell hat inzwischen sein Bruder Duncan Campbell eingenommen. Und das merkt man auf dem neuen Album, das gleichzeitig das 40. Jubiläum der Band markiert. Als Stimme fehlt Ali mit seinem unglaublich melodischen Organ, das eher wie ein exotisches Instrument klang, um der ohrwurmartigen Lovers-Ballade „You Haven‘t Called“ das endgültige UB40-Zertifikat zu verpassen. Das wussten offenbar auch alle Beteiligten. Das Manko haben sie mit vielen Gastsängern wie Kabaka Pyramid, Slinger, Pablo Rider und einigen anderen wieder wett zu machen versucht. Mit mäßigem Erfolg.

UB40 (Festival du Bout du Monde 2017, by Thesupermat/Wikimedia)

In dem süffigen Eröffnungslied „The Keeper“ klingt Robin Campbell, auch ein Bruder von Ali Campbell, so als hätte Leonard Cohen irgendwann versucht, Reggae zu spielen. „Gravy Train“, auch neben der scharfzüngigen Kritik zur heutigen desaströsen politischen Lage in Zeiten von Brexit und Donald Trump, klingt letztendlich viel zu ungefährlich, als dass es jemand, der es sollte, hören würde. Am überzeugendsten ist diese, nun dezimierte UB40-Formation, wenn sie erst gar nicht versucht, den ehemaligen Sänger zu ersetzten und die frühere Gruppe nachzumachen, sondern einfach mal drauf loslegen. Wie in der anfangs erwähnten „What Happend To UB40“ oder „Bulldozer“ mit nach vorne preschenden Beats und Earl Falconers makaber klingendem Toasting.

Dabei ist das neue Album viel rootsiger ausgefallen, als wir es von ihnen in den letzten Jahrzehnten gewohnt sind. Da wo sie aber um Längen den Kontrahenten um Ali Campbell voraus sind, sind die Dub-Verlängerungen in einigen der insgesamt zehn Tracks. Hier sind UB40 immer noch am innovativsten und frechsten, wie die berüchtigten 12inch “Extended Mixes” aus den Achtzigern, die stets ein Geheimtipp für Dub-Affecionados waren (anscheinend folgt demnächst eine Dub Version des Albums). Es ist und bleibt eine ambivalente Sache mit UB40. Das Höchste der Gefühle und gähnender Verdruss wechseln sich auf „For the Many“ im beinahe Minutentempo ab. Und damit stehen sie der früheren UB40 in nichts nach.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)