Satta Dub Soundsystem, Jena


Dieses Soundsystem-Interview ist ein Teil einer Reihe. Weitere Interviews findest du fortan in unserer Kategorie Soundsystem Culture.


Satta Dub Soundsytem, Jena

2022 wird hoffentlich besser als das vorherige Jahr. Denn es stehen so viele wunderbare Soundsysteme in den Startlöchern, die gespielt werden wollen und müssen. Für den zweiten Teil unserer Soundsystem Interview Serie konnten wir das seit 2019 aktive Satta Dub Soundsystem aus Thüringen gewinnen.

Seit wann existiert euer Soundsystem und wo wart ihr bislang aktiv? Habt ihr reguläre Dances, womöglich in einer Homebase?

Das SattaDub Soundsystem existiert seit 2019. Zuvor waren wir mehrere Jahre als Selecter unterwegs. In dieser Zeit habe wir viele liebe Menschen kennen gelernt, die unsere Leidenschaft für Soundsystemkultur teilen. Das hat uns motiviert einen eigenen Sound zu bauen.

Aktiv waren wir bereits in mehreren Städten – hauptsächlich natürlich in Jena, wo wir stark verwurzelt sind. Angefangen haben wir mit einer kleinen Reihe namens Rise Dubwise im Café Wagner – zu jener Zeit aber noch ohne Sound. Darüber hinaus bot das AJZ Erfurt bereits mehrfach einen Raum, den wir musikalisch nutzen konnten – seit 2019 auch mit Soundsystem. Leider haben wir bisweilen keine Homebase, in der wir regelmäßige Veranstaltungen durchführen können. Dies liegt zum einen am bürgerlichen Verständnis von Ordnung und Ruhe, das im Gegensatz zum generell rebellischen Anspruch von Sound-Events steht. Zum anderen besitzt Jena kaum nutzbare Infrastruktur außerhalb bewohnter Flächen.

Wo bzw. wie seid ihr das erste Mal mit dem Thema Soundsystem in Berührung gekommen? 

Ohh das ist eine einfache Frage – am Ende wurden wir alle drei zunächst über die Basskateers-Veranstaltungen an der Insel in Jena, im Kassablanca, oder bei Demonstrationen, wie Beispielsweise die Gegendemo zum Tag der nationalen Jugend in Kahla, sozialisiert. Später kamen natürlich noch die Rootsbase auf der Fusion oder der Hibration Sound beim alternativen Hafengeburtstag in Hamburg dazu. Beide Events haben viel zu unserem Verständnis von Soundsystem-Kultur beigetragen. Letztlich waren es jedoch die Basskateers, die uns mit dieser Welt in Kontakt brachten.

Haben euch spezielle Events oder andere Soundsystems dazu inspiriert, ein eigenes System in Angriff zu nehmen?

Wie bereits oben erwähnt, hatten die Basskateers einen großen Einfluss. Für die Motivation einen eigenen Sound zu bauen, waren jedoch verschiedene Soundsysteme verantwortlich, die wir in all den Jahren kennenlernen durften. Addi Dub aus Hamburg, Birdie in Magdeburg, Toni und Miles aus Leipzig und nicht zuletzt die Roots Descendents Crew aus Kassel tragen alle ihren Anteil daran, dass wir angefangenen haben zu basteln.

Was begeistert euch an der Soundsystem-Kultur?

Um eine Lieblingsdoku zu zitieren: „Reggae is… RastafarI and herbs… I mean… herbs and… RastafarI!“. Nee quatsch – natürlich steckt da noch mehr dahinter.

Am Anfang steht für uns die Faszination, die durch ein solch massives Instrument, wie ein Soundsystem, zustande kommt. Das sanfte Lächeln, welches Menschen beim ersten Erklingen der Bassline übers Gesicht huscht und bis zum Ende der Session nicht verschwinden will (uns eingeschlossen), ist einfach phänomenal.

Ein weiterer Grund besteht darin, dass die meisten Sound-Menschen einfach nur unheimliche Nerds sind. Es ist einfach nur großartig, sich über Cut-Frequenzen, Phasing, Horn-Charakteristiken oder einfach nur die heftigste Roots-Bassline auszutauschen. Das ist so weit weg von den „Problemen des Alltags“ – einfach nur schön.

Schließlich ist dann noch der D.I.Y.-Charakter des gesamten Movements zu nennen. Am Ende ist es ein großer Stinkefinger an die ganzen Clubs und Diskos, die sich ein line-array in den Schuppen hängen oder mit ihrer function-one prahlen. Da kommen ein paar Menschen daher und sagen: „Schaut her, wir haben uns ne Platte gemacht und nen richtig dicken Sound zusammengeschustert. Lasst uns mal Reggae machen!“ Um ehrlich zu sein fahren die meisten Clubs ja nicht so richtig drauf ab – aber am Ende bauen wir uns unsere eigene mobile Disco – stellen sie im Park auf und freuen uns gemeinsam mit der Massive über die Sounds gegen das babylonische System.

Habt ihr bei euren Selections Vorlieben? Welche Musik ist bei euren Dances zu hören?

Da kommen wir zu einem Punkt, wo wir definitiv zwischen den einzelnen Selectahs unterscheiden müssen. Nicht, weil wir die Musik der Anderen nicht schätzen, sondern weil Vorlieben sehr divers ausgeprägt sind. Felix W. ist zum Beispiel ein Jünger des guten alten 4 to the floor Steppas – insbesondere was modernere Ausprägungen aus Frankreich betrifft (also French Dub), aber auch Offbeatlastige Dubstep-Brecher sind in seinen Sets zu finden. Felix K. hingegen hat sich stark auf early Reggae und Roots-Reggae eingeschossen, hat aber auch die ein oder andere modernere Produktion und auch die ein oder andere Punkplatte in seiner collection. Nick wiederum deckt nahezu die gesamte Bandbreite der Offbeatmusik ab. Was man bei unseren Dances eher selten hört ist Dancehall – insbesondere in der bootycall, pussygrab oder homophoben Variante. Letztere wäre für uns auch definitiv ein Grund eine Session zu verlassen – wir verstehen Reggae als eine Art des politischen Ausdrucks und wollen solche menschenverachtenden Einstellungen keine Plattform bieten.

Gibt es besondere Künstler*Innen, Produzent*Innen oder Labels, die ihr besonders mögt und dementsprechend auch häufiger spielt?

Auch hier gibt es unterschiedliche Antworten – aber im Grunde gehören zu den Sessions die Künstler*Innen, welche uns zum collecten und selecten gebracht haben – Lee Perry, Burning Spear, The Gladiators, Pandadub, JahYu (ganz liebe Grüße!!!), Radical Guru, Moa Anbessa und Danny Red. Labels, die uns stark geprägt haben, sind auf jeden Fall Studio 1, Steppas Records und auch BassComeSaveMe aus Erfurt! Einen großen Einfluss auf unser Gefühl hatte auch Stevie D von den Basskateers, der einfach nur ein wundervoller Musik-Nerd, Musiker und Effektgerät-Sammler ist. Es ist eine wundervolle Sache, Musik die man mag selber zu machen und dafür ein kleines Gerät zum Rumspielen in der Hand zu haben.

Das Betreiben eines Soundsystems hat neben der Musik viel mit Technik zu tun. Stellt bitte eure aktuelle Hardware für die technisch interessierten Leser*Innen vor.

Wir hoffen, dass hier eine kleine Liste reicht:

Frequenzweiche: Nova DC 8000

Pre-Amp: Dubsonic DUBMASTER

6 Super-Scooper bestückt mit Oberton XB1600 – angetrieben durch 2 Pronomic XA-1400

6 Cubo-Kicks mit PD1550-2 – mit einer Thomann TSA 4-1300

2 Mid-Tops MT-230 mit PD.123ER & FAITAL HF144 im 1,4“ Horn mit einer TSA 4-700

2 Mid-Tops MT-130 mit PD.123ER & Oberton DC2545 im 1“ Horn mit einer TSA 4-700

Alleine schon logistisch ist ein Soundsystem herausfordernd. Wer macht bei euch was? Wer legt auf, wer macht die Flyer, wer baut auf etc.?

Eine tolle Frage – natürlich wären wir nichts ohne all die helfenden Hände. Aktuell sind wir im Kern zwar drei Personen, aber die Familie ist wesentlich größer. Da wären Hoerl, Stevie D, Fabi & Susie zu nennen, die vor, während und nach den Sessions immer wieder am Start sind um Boxen zu schleppen, Kraft zu geben und ein Bierchen zu trinken. Auch Ronja und Bibs gehören zur festen Crew. Zudem sind die Gäste immer wieder großartig. Wir hatten bisher noch keine Session, bei der sich nicht 4/5 Leute gefunden haben, die mit anpacken.

Für den klaren druckvollen Sound sorgt bei uns Daniel a.k.a. El Precissione, der wirklich eine meisterliche Arbeit leistet und natürlich auch einen charmanten vibe verbreitet.

Ansonsten teilen wir uns in die Arbeit gut rein, auch wenn Felix K. hauptsächlich für die Flyer, die Online-Präsenz, aber auch für die rootical-cast-serie verantwortlich ist.

Welche Visionen habt ihr für euer Soundsystem? Was steht demnächst an?

Natürlich 12 Scoops, Exoskelette und ne eigene location. Nee jetzt ehrlich – wir feilten bereits vor Corona an einem kleinen Festival mit einem befreundeten Sound. Eine kleine Tour mit alten Bekannten ist ebenso in der Schublade, wie zahlreiche Sessions mit all den tollen Menschen, die wir über die vergangenen Jahre kennengelernt haben. Diese Familie wollen wir gerne immer wiedersehen und gemeinsam an der Reggae-Revolution arbeiten.

Welche besonders wichtigen Tipps habt ihr parat an diejenigen, die derzeit darüber nachdenken, selbst aktiv zu werden?

Investiert in Holz – die Preissteigerung ist wahnsinnig. Natürlich hat das so seine Ursachen, aber das müssen wir ja hier nicht ausführen. Aber ernsthaft: Wenn ihr Freude am fortgeschrittenen Basteln habt, dann fangt an die Boxen selbst zu bauen. Ansonsten kauft euch eine kleine Anlage zusammen und macht einfach Sound. Je mehr Boxen ihr habt und je öfter ihr euch auf neue Situationen einstellen müsst, desto weiter kommt ihr. Holt euch Tipps und Anregungen von anderen Soundmenschen. Hier ist so viel know-how vorhanden, dass Mensch nicht zwingend das Rad neu erfinden muss. Und speziell zum Bauen: nutzt das 4 Augen-Prinzip. Lieber nochmal drüberschauen lassen, als sich später über Fehler zu ärgern.

Und last but not least: Ein Soundsystem ist eine wundervolle Lebensaufgabe – seid euch sicher, dass immer wieder neue Herausforderungen auf euch warten.

Interview: Karsten Frehe, Ralf Neumann (01/2022)

Rootical Cast 8, Selection by Satta Dub Soundsystem

About Rall-Fi

RALL-FI is an selector, lightman, promoter. He is part of IRIEITES-Germany and BASSMENT SESSION CREW in Frankfurt. Back in the days he started as a graffiti writer and hiphop DJ in 1997 in East Germany.