Reggae Jam 2022 – Highlights & Fotos

Reggae Jam 2022

Nach der Pandemiepause ging es auch in Bersenbrück nun endlich wieder mit voller Energie los. Wurde auch Zeit. Alleine das war schon das erste Highlight des diesjährigen Festivals. Drei Tage plus eine Pre-Party am Donnerstag erwarteten die zahlreich angereisten Gäste. Insgesamt ein rundum schönes Festival mit diversen Höhepunkten – je nach Geschmack – und etlichen Neuerungen. So war es alleine schon schön zu erleben, dass man sich bezüglich der Raum- und Bühnenaufteilung Gedanken gemacht hat und diese auch sinnvoll erschienen. Gerade das Verlegen des Dancehall-Zeltes an eine neue, viel angenehmere Location nahe des Dub Camps war äußerst gelungen und ersparte zudem Wege.

Im Folgenden sollen einige Highlights mit einem Spotlight versehen werden. Selbstverständlich sind dies ganz persönliche Wahrnehmungen, die auf eigenen Vorlieben basieren. Außerdem kann man bei einem derart üppigen Programm nicht zeitgleich an allen Orten präsent sein. Solltet ihr also eigene Höhepunkte des Festivals beschreiben oder den Text kommentieren wollen, nutzt bitte die entsprechende Funktion unter diesem Artikel.

Donnerstag, 28.7.22

Das Festival empfing die früh angereisten Besucher*Innen mit einer angenehm entspannten Session von Tóke beim Da Sandwichmaker. Besser kann man gar nicht ankommen. Schönes Wetter, freundliche Menschen, gute Stimmung und ein schönes Ambiente. Etwas später ging es im Dancehall-Zelt mit einer Willkommens-Session von Sheriff’s Sound Patrol weiter, bei der ein Hit-Tune nach dem anderen abgefeuert wurde und keine weiteren Fragen offen blieben. Das anwesende Publikum hat das Set mächtig gefeiert und sich in Stimmung gebracht. Um kurz vor 24 Uhr sollte das noch einmal getoppt werden. Silly Walks war aus Hamburg angereist, um die Veröffentlichung des neuen Albums “Forward” zu feiern. Genau um Mitternacht wurde von 10 herunter gezählt und die ersten, noch unbekannten Klänge des neuen Longplayers gingen durch die Boxen. Nach vielen Perlen, die die versierten und treffsicheren Produzenten in Sachen Reggae bereits in die Welt hinaus geschickt haben, wenden sie sich seit einigen Jahren immer wieder und mehr den Afrobeats zu. Und das mehr als überzeugend! Die Party war der Hammer: fette Beats, eine verdammt gute und professionelle Performance und neue, frische Klänge von einem der feinsten Soundsystems im Land. Hört da mal unbedingt hin!

Freitag, 29.7.22

Der Freitag war in Sachen geballter Energie der Höhepunkt des diesjährigen Reggae Jams. Zugleich war es für die Veranstalter sicher der schwierigste Tag, da einige Artists aufgrund diverser Probleme nicht angereist waren und für Ersatz gesorgt werden musste. Ein erstes Highlight war auf jeden Fall der Auftritt von Jamaram meets Jahcoustix. Die Band weiß einfach, wie man ein Publikum mit einem vielseitigen Mix an Klängen bestens unterhält. Mit ihrem Ritt durch verschiedene Spielarten des Offbeats haben sie auf jeden Fall für mächtig gute Laune gesorgt.

Äußerst charmant haben sich die Zwillinge Jacopo und Lorenzo Garzia mitsamt ihrer Band Mellow Mood präsentiert. Die Italiener sind in der Szene schon länger unterwegs und haben mit Paolo Baldini einen äußerst versierten Produzenten an der Seite. Mit Tracks, wie “Mr. Global” und “Sound Of A War”, haben sie für eine gute Stimmung und treffende Inhalte gesorgt.

Nach den überzeugenden Auftritten von Queen Omega und Turbulence, der vor allem stimmlich überzeugen konnte, trat mit Clinton Fearon ein Veteran in den Ring. Der frühere Sänger der Gladiators hat etliche Hits vorzuweisen und nach wie vor eine unglaubliche Energie. In Bersenbrück wurde diese noch durch eine sehr fein aufspielende Band, The Riddim Source aus Frankreich, unterstützt. Deepe, gelegentlich angedubbte Beats passten prima zu alten Klassikern und neuen Tunes, wie “Trod On”, vom aktuellen Album “Breaking News”.

Das Highlight des Festivals sollte etwas später mit Groundation folgen. Die Band um Harrison Stafford hat sich über viele Jahren einen äußerst wohlklingenden Namen gemacht und ist für spannende und musikalisch mehr als interessante Auftritte bekannt. Aktuell haben sie mit “One Rock” ein neues Album am Start, das sehr zu empfehlen ist. Die Kalifornier vereinen Reggae und Dub mit Jazz. Dabei spielen sie mit Rhythmen und kreieren komplexe Kompositionen, die zudem auch Raum für diverse Solo-Einlagen der Bandmitglieder lassen. So auch bei ihrem bemerkenswerten Set in Bersenbrück. Mit den ersten Takten war die Band präsent – “auf den Punkt” sozusagen. Gemeinsam zündeten sie ein Feuerwerk an Klängen, das es so in der Reggaewelt nicht allzu oft gibt. Hut ab! Schön wäre gewesen, wenn die Band mehr Zeit bekommen hätte, gerade weil die ausgeklügelten Arrangements und Improvisationen Raum brauchen.

Mit Third World trat eine der dienstältesten Bands auf, wobei nicht mehr viel von den ursprünglichen Mitgliedern übrig ist. Third World stand schon immer für feinen Reggae, hat aber immer auch in Richtung Mainstream geguckt. Insofern verwundert es nicht, dass Tunes, wie “Now That We Found Love” weit über die Szene hinaus bekannt sind. Mitsingpotential also, was beim anwesenden Publikum sehr gut ankam.

Luciano legte mit “Give Praise” los. Gleich mit einem seiner größten Hits anzufangen zeugt von einem großen Repertoire an musikalischen Perlen. Gemeinsam mit seiner fein aufspielenden Band hielt er diese positive Energie bis zum Ende durch. Respekt! Der Messenger weiß einfach, wie man das Publikum bedient.

Mit Bunji Garlin aus Trinidad & Tobago explodierte die Energie, denn Soca war angesagt. Neben Bunji Garlin waren noch eine äußerst charmante Sängerin und ein DJ auf der Bühne. Mehr braucht es nicht, um eine weitere Spielart karibischer Musik abzufeuern. Mittlerweile war der Abend bzw. die Nacht weit fortgeschritten, da sich einige Auftritte zeitlich nach hinten verschoben hatten. Den Auftritt von Alborosie habe ich daher nur aus der Ferne mitbekommen. Wer hierzu etwas beisteuern möchte, nutze bitte die Kommentarfunktion unter diesem Artikel.

Samstag, 29.7.22

Traditionell hat auch in diesem Jahr wieder Ganjaman aus Berlin mit seiner Frühstücksshow den Reigen eröffnet. Ein sehr sympathisches Ritual, das immer wieder gerne angenommen wird. Ganjaman hat es einfach raus, bedeutende Inhalte angenehm und besinnlich zu präsentieren.

I-Fire aus Hamburg haben etwas später wie gewohnt die Bühne gerockt. Neben einer immer überzeugend aufspielenden Band, sind es vor allem die Sänger Robert „Raw“ Schlepper, Fritz „Free“ Kschowak und Nils „Dub-Ill-You“ Wieczorek, die für Abwechslung sorgen. Mit etlichen Mitsing-Tunes, wie etwa “Ich Brauch Nicht Viel” vom Album “Spiel Mit Dem Feuer”, haben sie wieder einmal bestens unterhalten.

Memoria aus Köln hat auch in diesem Jahr wieder mächtig viel Spaß gemacht. Eine noch recht junge Band, die aber mittlerweile schon auf diverse, gute Veröffentlichungen zurückblicken kann und auch live gute Auftritte hinlegt. Beim Reggae Jam haben sie unter anderem ihre neue Veröffentlichung “What Goes Around” vorgestellt und für gute Vibes gesorgt. Ganz ähnlich verhielt es sich mit den Auftritten von Nkulee Dube und Jah Sun. Mit viel Energie und Charme haben sich die beiden Artists präsentiert.

Zwei der besten Auftritte des Tages wurden von Teacha Dee und Rekall hingelegt. Beide wurden von der Bakingband House Of Riddim bestens begleitet. Teacha Dee versprühte bei seinem Auftritt viel Sympathie und legte insgesamt eine gute Performance hin. Rekall war kurzfristig eingesprungen, da es wieder Absagen gab. Der Österreicher präsentierte sich sehr nahbar und spielte unter anderem Tunes von seiner EP “Beats Of Life”. Sehr schön war, dass er im Verlauf seines Auftritts anwesende Artists, wie Dr. Ring Ding, Jah Sun und andere, für Gastauftritte auf die Bühne einlud. Das belebt!

Etana kam, sang und hat die Herzen erobert. Was für eine tolle, am Soul geschulte Stimme! Sehr oft flog sie bei mir viel zu sehr unterm Radar, muss ich gestehen. Mit ihrem Auftritt am Samstag hat sich das geändert. Man merkt einfach, wenn sich Künstler*Innen gesanglich ausbilden und wissen, was die eigenen Stimmbänder zaubern können. Und wenn das Ganze dann auch noch mit einer professionellen Lässigkeit präsentiert wird, kann man nur applaudieren.

Lutan Fyah trat als letzter Künstler an diesem Abend auf. Zusammen mit der Next Generation als Backingband. Insgesamt war der Auftritt passabel und mit ein paar guten Momenten garniert. Doch irgendwie stimmte die Energie zwischen Künstler und Band gar nicht. Unzufriedenheit war auf allen Ebenen zu merken, vor allem, wenn man direkt im Fotograben der Performance folgte. Schade, hätte professioneller und besser laufen können.

Sonntag, 30.7.22

Der letzte Tag des Festivals. Es ging wieder einmal alles viel zu schnell vorbei. Von den Auftritten im Klostergarten habe ich einige, aber nicht alle mitbekommen, da ich meiner musikalischen Präferenz oft in Richtung Dub Camp gefolgt bin.

Mein persönliches Highlight war der Auftritt von Mortimer. Der noch recht junge Artist aus Jamaika hat auf seine zurückhaltende, etwas schüchterne Art mit einer umso kraftvolleren und zugleich sensiblen Stimme weit in die Seele hinein gesungen. Dazu hat auch seine Band mächtig beigetragen. Während seines Konzerts habe ich gedacht, dass es schön wäre, wenn er sich mal für einen Track mit Etana zusammen tun würde. Das würde aufgrund des gemeinsamen, musikalischen Backgrounds verdammt gut passen. Bin gespannt, was da noch kommen wird.

Richie Spice sowie Mono & Nikitaman habe ich ausgelassen und mich statt dessen zu Weeding Dub im Dub Camp begeben. Dazu später mehr. Morgan Heritage hat den Abend mit einem kraftvollen Auftritt beendet. Ein schöner Abschluss für ein gelungenes Festival. Die Band ist über viele Jahre eine feste Institution in Sachen Reggae auf dem internationalen Markt. Morgan Heritage zelebriert “Roots, Rock, Reggae” und weiß dabei ganz genau, wie man ein möglichst breites Spektrum an Zuhörer*Innen bedient. Mächtig unterhaltsam auf jeden Fall – innovativ allerdings nicht.

Dub Camp

Es ist immer wieder beeindruckend, was die Crew des Dub Camps rund um das Roots Plague Soundsystem aus Münster beim Reggae Jam auf die Beine stellt. Da verneige nicht nur ich mich in tiefem Respekt. Auch in diesem Jahr waren alle Beteiligte wieder am Start und haben das Ganze sogar noch getoppt. Mit dem Roots Plague Soundsystem waren noch das Zion Garden Soundsystem mit einem wunderschönen Stack, Youth & Truth sowie das Rise Up Hifi am Start, nebst einer Bühne für jams und diversen Workshops. Zudem wurden gefühlt noch mehr Gäste eingeladen, als es vorher der Fall war. Mit dabei waren dieses Jahr u.a. Mighty Howard, Ras Divarius (wahnsinnig toll an der Geige), Rootsman Sax, Guru Pope, Daba Makourejah, Ras Timbo und viele andere Singers and Players. Ein dickes Kompliment geht auch raus an die Crew, die abseits des Rampenlichts für gute Vibes gesorgt hat. Danke.

Ein absolutes Highlight, und neben Groundation mein persönliches Top-Erlebnis, war der Auftritt von Weeding Dub aus Frankreich am Sonntag. Was für ein unglaublich intensives Set! Der Franzose ist schon seit vielen Jahren in der Szene bekannt – vor allem für seine Liebe zum UK-Steppers-Dub. In Bersenbrück hat er gezeigt, wie cool es ist, wenn mit möglichst vielen Spuren live gedubbt wird. Dabei hat er ganz unterschiedliche Genres und Klänge mit in den Mix eingewoben und mit Effekten bearbeitet. Der anwesenden Massive wurde hier die hohe Schule des Dubs präsentiert.

Text: Karsten Frehe, Fotos: Karsten Frehe und Hans Beyer (Groundation, Luciano)

Weitere Bilder: Reggae Jam 2022 Fotogalerie

 

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.