The Senior Allstars

The Senior Allstars haben in Deutschland zusammen mit ihrem damaligen Leadsänger und Posaunisten Dr. Ring Ding Ska- und Reggaegeschichte geschrieben. Nach dem Split ist die Band bei dem verblieben, was sie sehr überzeugend kann, denn kaum eine andere Band in Europa ist wie sie in der Lage, den Sound von entspanntem Ska, Reggae und Rocksteady gepaart mit Jazz so authentisch zu spielen. Das letzte Album „Red Leaf“ war schon ein Juwel. Nun tritt „Come Around“ (Skycap Records) die Nachfolge an und entblättert wieder ein Kaleidoskop von Offbeatklängen, die mit virtuosen Soloeinlagen der einzelnen Musiker gespickt sind. „Immer mehr Ska als Jazz, immer mehr Reggae als Pop und immer mehr Dub als Ambient Music“, heißt es in der Info. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ganz ohne Worte entsteht so ein Zauber, der nachhaltig wirkt.

 

Nach „Red Leaf“ habt ihr nun erneut mit „Come Around“ ein insgesamt sehr entspannendes Album vorgelegt. Würdet ihr euch selbst als entspannte, in sich ruhende Zeitgenossen charakterisieren – denn das legt die Musik nahe?!

Thomas: Ich wäre wohl gerne immer entspannt! Spaß beiseite – ich finde auch, dass unsere Musik relaxt und aus einem Guss ist. Und das klingt so, weil wir vier oder fünf das wirklich miteinander so entstehen lassen. Ich höre auch sehr gerne entspannte Musik, es darf aber auch mal krachen – ich finde das widerspricht sich nicht.

Mit Dr. Ring Ding habt ihr über Jahre hinweg die Ska- und Reggaegeschichte in Deutschland mitgeschrieben und ward auf unzähligen Bühnen präsent. Wenn ihr diese Anfangszeit mit dem Heute vergleicht: wo seht ihr wesentliche Unterschiede, so es aus eurer Sicht welche gibt!?

Thomas: Es gibt natürlich jede Menge Unterschiede. Wir waren ja damals für Independent-Verhältnisse tatsächlicht recht erfolgreicht und ständig unterwegs. Jetzt ist das alles schon unregelmäßiger und auch kleiner. Für mich persönlich ist wichtig, dass ich mit den Senior Allstars zu hundert Prozent die Musik mache, die ich machen möchte. Einige von den alten Ring-Ding-Sachen finde ich jetzt immer noch sehr gut – zum Beispiel die Kooperation mit Doreen Shaffer, das Dub-Album von Victor Rice oder einzelne andere Tunes – aber viele Sachen waren eben auch ein Kompromiss. Ein Ex-Bandmitglied prägte zum Beispiel mal den schönen westfälisch angehauchten Begriff „Omma-Oppa-Ska“ – das sind Songs die ich heute nicht mehr brauche (was ganz und gar nicht gegen 60s-Ska geht, sondern gegen unsere damalige Umsetzung). Ach ja, den wichtigsten Unterschied zwischen damals und heute habe ich vergessen – wir machen ja jetzt eigentlich ganz andere Musik!

Würdet ihr den Eindruck bestätigen, dass ihr vorher – also zusammen mit Dr. Ring Ding - deutlich schneller und kräftiger ans Werk gegangen seid und jetzt eher kontemplativ daherkommt bestätigen? Wenn ja, woran liegt dieser Wandel?

Thomas: Ring-Ding war ja in erster Linie eine Party-Band, das steht natürlich jetzt nicht mehr ganz oben auf der Liste. Andererseits waren wir ja auch damals eher am Ska der 60er Jahre, Rocksteady oder Early Dancehall interessiert als an Two Tone oder so. Eine Haudrauf-Ska-Band waren wir ja da auch nicht gerade. Und wenn du dir einzelne Songs anhörst – zum Beispiel „Golden Gate“ auf dem Diggin Up Dirt-Album oder „Spy Fly“ auf Big Up – das geht auch in eine ähnliche Richtung wie unser heutiger Sound.

Habt ihr zu Dr. Ring Ding noch Kontakt?

Thomas: Ich eher selten und dann zufällig. Markus steht aber noch regelmäßig mit ihm auf der Bühne, wenn Richie von der Sharp Axe Band gebackt wird.

Wieso habt ihr nach dem Split keinen neuen Sänger gesucht, sondern den Weg ohne Gesang fortgesetzt?

Thomas: Falsche Frage – die Senior Allstars als reine Instrumentalband gab es ja schon eine ganze Weile vor der Ring-Ding-Bandauflösung. Und das lief für uns alle selbstverständlich weiter. Neulich fiel mir auf, dass es das ursprüngliche Nebenprojekt Senior Allstars inzwischen schon länger gibt als es Dr. Ring-Ding & The Senior Allstars gab! Der Hauptgrund, warum wir Musik ohne Gesang machen – weil wir diese Musik ohne Gesang geil finden!

The Senior Allstars haben ein Händchen für feinsinnigen instrumentalen Ska und Reggae. Die Besetzung ist klein – viel kleiner als bei vielen anderen Bands in diesem Bereich, denkt man da z.B. an größere Bläsergruppen. Gehört bei euch Reduziertheit zum Konzept?

Thomas: Ich persönlich bin auf jeden Fall großer Fan von Minimalismus. Und ich finde, dass unser Sound sehr gut zu fünft oder sogar zu viert funktioniert. Bei manchen Songs würde mir live ein zweiter Bläser gut gefallen (auf dem neuen Album ist unser alter Trompeter Bernd bei zwei Stücken dabei), aber mehr als zwei Bläser braucht doch zum Beispiel kein Mensch! Wenn du aber unser neues Album genau anhörst, dann gibt es eine Menge Instrumente zu entdecken. Nur dass die meisten Musiker halt Markus Dassmann heißen...

Ist es schwierig, in Zeiten von Power-Ska und Dancehall-Hype ein Publikum für eure, leiseren Töne zu finden?

Ist wirklich immer noch Dancehall-Hype???? Früher haben wir größere Konzerte gespielt als heute, von daher kann man die Frage natürlich erstmal mit ja beantworten. Ich glaube aber dran, dass man mit unserer Musik eine ganze Menge Leute begeistern kann. Vielleicht sind sie nur schwieriger zu finden...

Wie würdet ihr das Publikum charakterisieren, dass zu euren Konzerten kommt?

Die klassische Antwort: ach, ganz gemischt. Und es stimmt wirklich – unsere Konzerte entwickeln sich durch den Auftrittsort und das Publikum sehr unterschiedlich. Das geht vom Rock-Schuppen und alternativen Zentrum über den Jazz-Club und einen Kaffeehaus-Gig bis zum größeren Festival. Und unsere Musik ist offen genug, dass sie dort überallhin passt und von der jeweiligen Atmosphäre beeinflusst werden kann...

Wurdet Ihr selber durch andere Bands in eurem musikalischen Werdegang inspiriert oder sogar geprägt? Gibt es so etwas wie DAS große Vorbild für euch?

Thomas: Wir als Musiker kommen selbst aus zu unterschiedlichen Ecken, um da eine gemeinsame Prägung haben zu können. Unser Bassist Gudze zum Beispiel spielt ja bei den H-Blockx. Der hat vermutlich ein paar Rocksteady-Stücke weniger in seinem Leben gehört als ich, was ich aber überhaupt nicht als Nachteil empfinde. Wir versuchen ja auch gar nicht, so zu klingen wie XY – ich hoffe mit Erfolg! Wenn ich jetzt so im Nachhinein nach Auslösern für unser Instrumentalprojekt suche, fallen mir zumindest zwei ein: zum einen haben wir schon immer gerne die klassischen Riddims à la Rockfort Rock, Swing Easy usw. gespielt. Und die basieren ja häufig auf einem instrumentalem Original. Zum anderen hat mich damals die „Below The Bassline“ von Ernest Ranglin sehr gekickt, das tut sie sogar heute auch noch. Vielleicht waren das zwei Anstöße für uns.

Nachdem „Red Leaf“ bei Grover erschien, kommt „Come Around“ nun über Skycap Records in die Läden. Wie kam es zum Labelwechsel?

Thomas: Das ergab sich zunächst eher zufällig, ich habe Dirk von Skycap über unsere Agentur „Klassenfahrt Booking“ kennengelernt und bin nun sehr gespannt auf die Zusammenarbeit.

Ihr standet in der Vergangenheit immer mal wieder großen jamaikanischen Sängern, wie etwa Lord Tanamo, zur Seite. Sind derartige Kooperationen weiterhin geplant?

Thomas: Und zwar schon ganz bald! Wenn alles klappt, gibt es bald eine Vinyl-Single in Zusammenarbeit mit der wundervollen Doreen Shaffer, Sängerin der Skatalites – und zwar auf Grover Records...

Welche Person, mit der ihr zusammengearbeitet habt, hat euch am meisten persönlich beeindruckt?

Thomas: Doreen ist ein wahnsinnig netter Mensch, und das Album mit ihr ist für mich der Höhepunkt der Zeit mit Dr.Ring-Ding & The Senior Allstars. Live waren es dann aber die Touren mit Judge Dread. Vor der ersten Zusammenarbeit war ich zugegebenermaßen sehr skeptisch, aber so viel Spaß ist wirklich kaum zu toppen. Der Mann war einfach großartig!

 

Interview: Karsten Frehe (01/2008)


Thomas von TSA