Dubtari
Subkultur

Nach 10 Jahren auf der Bühne legte das Reggaekollektiv aus Hamburg mit "Subkultur" den dritten Longplayer vor. Ein Jubiläumsalbum also, randvoll mit Tunes, die von Dubtari in den vergangenen Monaten mitunter auch schon live gespielt wurden. So z.B. “Harder”, eine mitreißende Skanummer, bei der es schwer fällt ruhig stehen zu bleiben. Oder “Dancing Shoes” - ebenfalls ein feiner Skatitel. Auf Ska lässt sich die Band jedoch nicht reduzieren, denn ihr “Intercontinentaloffbeat” vereint viele Spielarten des Genres bis hin zu Hip Hop- und Soca-Anleihen. Auch gesanglich geht es bunt zu, denn es mischen sich nahezu unentwegt Englisch, Deutsch und Spanisch. Neben Marcophone, der durch seine enorme Kraft auch live die Band vorantreibt, glänzt vor allem Quiandra am Mikrophon. Ihre spanischen Gesangseinlagen gehen unter die Haut! “Subkultur” wurde von der Band selbst produziert. Dabei haben alle mit viel Muße und Gespür für Qualität an den Songs gearbeitet. Herausgekommen ist das bislang beste Album der Band, das die zehnjährige Bandgeschichte in sich trägt und einen erwartungsvollen Blick in die Zukunft richtet. 10 Jahre Bandjubiläum und ein neues Album sind Grund genug, ein Interview mit Marcophone und Quiandra zu führen.....

Ihr blickt auf eine mittlerweile über 10jährige Bandgeschichte zurück. Was hat sich seit eurem in Eigenvertrieb veröffentlichtem Album „Intercontinentaloffbeat“ und dem folgenden Album „Be Yourself“ bis heute als wichtigste Entwicklung bei euch ereignet?

Marcophone: Für mich fand die wichtigste Entwicklung eher auf einer zwischenmenschlichen Ebene statt. Einerseits bietet so eine Kombo wie Dubtari, mit den vielen unterschiedlichen Musikern, enorm viel Kreativität und Produktivität. Aber Musik bleibt nun mal irgendwo vom Geschmack her auch subjektiv. Das bedeutet, es mussten viele Kompromisse gemacht werden; Egofilme waren die Seltenheit. Ich glaube, dass sich Dubtari in diesem Kontext im Laufe der Jahre weiterentwickelt hat. Es geht jetzt eben nicht darum, irgendwelche faulen Kompromisse zu machen, sondern Songs zu machen, auf die alle bock haben. Dann ist es auch egal, was jeder so für Vorlieben hat. Hauptsache es rockt. Das ist uns bei unserem neuen Album „Subkultur“ besser gelungen als in der Vergangenheit.

Quiandra: Dem kann ich nur zustimmen... Es ist einfach klasse, dass es uns immer noch gibt, wir uns musikalisch und menschlich gemeinsam weiterentwickelt haben und wir alle bock haben weiterzumachen. Unser neues Album „Subkultur“ ist natürlich ein guter Beweis, aber auch dass wir uns nach 10 Jahren endlich mit unserem eigenen Label „dubtari records“ unabhängig gemacht haben, freut mich insbesondere, da es lange schon immer wieder Gesprächsthema bei Dubtari war und wir, jetzt auch in dieser Hinsicht, zusammengeschmolzen sind.

In Hamburg seid ihr eine bekannte Größe. Nun seid ihr immer wieder auch außerhalb der Hansestadt unterwegs, z.B. in Berlin. Wie sind die Reaktionen des Publikums außerhalb der Stadt ohne Heimspielbonus auf eure Musik und Performance?

Marcophone: Für uns ist es natürlich als Hamburger eine Ehre, wenn ein Laden wie die Fabrik auch nach 10 Jahren Bandgeschichte immer wieder voll wird. Das Hamburger Publikum feiert unsere Konzerte gleich vom ersten Akkord an. Auf Tour ist das natürlich ein wenig anders. Da brauchen die Leute erstmal etwas Zeit; wollen uns abchecken. Dann springt der Funke eben erst beim 4. oder 5. Stück über. Aber egal, wenn der Laden hinterher brennt ;)

Quiandra: ...ja ja, es ist immer sehr aufregend, außerhalb Hamburgs zu spielen. Man weiß nie, was einen erwartet. Oft stehen die Leute, wenn sie uns nicht kennen, erst einmal da und gucken nur... Da ist es teilweise schon schwierig in Konzert- geschweige denn in Partylaune zu kommen. Wenn es uns dann doch gelingt, unser Ding zu machen, frei zu sein und wir untereinander Spaß haben, dauert es meist nicht lange, bis es auch vor der Bühne brodelt. Das ist nice!

Aktuell seid ihr wieder einmal auf einer Veranstaltung gegen Rechts live zu sehen. Immer wieder agiert ihr im politisch linken Spektrum. Würdet ihr euch als politisch engagierte Band bezeichnen?

Marcophone: Wir machen nicht nur Musik zusammen, sondern treffen uns auch privat und feiern Partys. Natürlich reden wir auch darüber, was uns nervt und ankotzt. Auf dem neuen Album „Subkultur“ hatten wir schon auch den Anspruch, das eine oder andere Thema in einem Text zu verarbeiten. Vielleicht wirken wir daher auch ein wenig kritischer als in der Vergangenheit; das liegt sicher auch daran, dass es jetzt noch mehr Dinge gibt, die uns ankotzen. Anderseits haben wir aber nicht den Anspruch, eine Politikband zu sein; dafür haben wir auch viel zu viele Party- und Blödsinn-Tunes im Programm.

Quiandra: Nein, wir sind keine Politikband und wollen es auch gar nicht sein. Aber ja, wir sind auch kritisch... und von unseren Texten her, könnte man teilweise sogar politisch sagen. Die Sache ist, dass wir uns natürlich unsere Gedanken machen und wir in einer Welt leben, wo einfach viel Scheiße läuft, was wir natürlich nicht ändern können, aber wir können unseren Senf dazu geben, was mir persönlich manchmal dann doch ein Bedürfnis ist....

Hamburg gilt als eine der wichtigen Hochburgen in Sachen Reggae bzw. Offbeat in Deutschland. Wenn ihr auf die hin Hamburg ansässige Szene blickt: was gefällt und was stört euch?

Marcophone: Ich glaube, dass Bands wie beispielsweise die Iries oder the Lions, aber auch die große Soundsystemkultur dafür gesorgt haben, dass so eine vielseitige Reggaeszene in Hamburg überhaupt entstanden ist. Natürlich haben wir davon profitiert. Als wir 1998 die ersten kleinen Konzerte organisierten, gab es einfach schon eine recht große Subkultur, die sich für unsere Musik interessierte.

Für mich persönlich ist es gut zu wissen, dass es nahezu jeden Tag die Möglichkeit gibt, in der Stadt Reggae zu hören. Zeitweise, im Zuge des Reggaehypes, hatte ich das Gefühl, dass die Partys immer spezifischer, aber leider auch monotoner wurden. Es wurde ein Style aufgelegt und dabei blieb es am Abend dann auch… Das fand ich persönlich nie so spannend. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass doch auch viele Soundsystems in diesem Kontext experimentierfreudiger sind; wobei ich sagen muss, dass ich nicht mehr so regelmäßig unterwegs bin, wie noch vor zehn Jahren.

Dubtari ist als Band auf der Bühne deutlich erlebbar. Wie läuft es bei Aufnahmen bzw. dem Erarbeiten von neuen Stücken: gemeinschaftlich oder gibt es so etwas wie Bandleader?

Quiandra: ... deutlich erlebbar klingt gut, danke! Das Erarbeiten von neuen Stücken erfolgt tatsächlich meistens gemeinschaftlich. Einer kommt mit einer Idee an, was ein Riddim, eine Melodie oder nur ein Basslauf sein kann und dann jammen wir ein bisschen. Es entstehen weitere Ideen, Bläsersatz, Guitarrenlicks u.s.w. und langsam entwickelt sich ein Song. Dadurch, dass jeder etwas mit einbringt, wird es nie langweilig...

Immer wieder habt ihr spanische Lyrics in euren Texten durch den Beitrag von Quiandra. Und auch sonst habt ihr sprachlich gemischte Texte. Ist das ein Bestandteil von eurem Konzept des „Internationaloffbeat“? Und welchen persönlich-kulturellen Hintergrund hat Quiandra?

Quiandra: Spanisch ist meine Muttersprache bzw. die erste Sprache, die ich gelernt habe. Ich bin in Chile geboren und habe dort gelebt bis wir aufgrund eines Militärputschs außer Landes mussten. Meine Wurzeln liegen demnach in Südamerika und ich liebe es, auf spanisch zu singen. Bis ich zu Dubtari kam, habe ich immer nur auf spanisch, englisch oder portugiesisch gesungen. Deutsch fand ich als Singsprache nicht schön. Das hat sich sehr geändert, zum einen durch meinen wunderbaren Bandkollegen Mr. Marcophone, der schöne deutsche Texte schreibt und sowieso am liebsten auf deutsch singt, aber auch durch die allgemeine musikalische Entwicklung der deutschen Sprache in den letzten Jahren, die längst weit über Schlager und neue deutsche Welle hinausreicht.

Marcophone: Im Ergebnis ist vielleicht erstmal der Sprachcocktail, der einen bei Dubtari erwartet, ungewohnt. Aber für mich ist das irgendwie auch so ein Hamburger Ding. Sicherlich trifft das leider nicht für ganz Hamburg zu; aber es gibt hier schon Stadtviertel, in denen die unterschiedliche kulturelle Vielfalt die Menschen bereichert und öffnet. Aufgeschlossen zu sein war und ist für Dubtari immer wichtig gewesen. Somit würde ich sagen, dass wir nicht versucht haben, das Konzept des Intercontinentaloffbeats planvoll umzusetzen, sondern vielmehr hinterher versucht haben, dem Ganzen einen Namen zu geben.

Generell lasst ihr euch schwer in musikalische Schubladen stecken. Weder Reggae noch Ska ermöglichen eine Etikettierung. Entzieht ihr euch bewusst einer Kategorisierung?

Quiandra: Dass wir uns schwer in eine musikalische Schublade stecken lassen, haben wir oft gehört. Kam mir persönlich nie so vor, allerdings wüsste ich jetzt auch keine Passende... Bewusst haben wir das noch nie getan und werden es auch weiterhin nicht tun, wir spielen, worauf wir bock haben, unsere Basis ist und bleibt auf alle Fälle Reggae...

Marcophone: Es kam schon vor, dass auch seitens der Musikindustrie, „gut gemeinte Veränderungsvorschläge“ an uns herangetragen wurden. Ehrlich gesagt, bin ich stolz drauf, dass wir uns aber nie auf so was eingelassen haben. Sicherlich ist es so, gerade auf den älteren Alben, dass die Vielfalt des musikalischen Gesamteindruckes den einen oder anderen überforderte. Aber genau diese Vielfalt und Offenheit hat Dubtari nun mal immer gewollt. Glücklicherweise wurde jetzt beim Album „Subkultur“ genau diese musikalische Vielfalt in sämtlichen Plattenkritiken als besonders positiv und in der Umsetzung gelungen hervorgehoben.

Der Tracks „Drogen“ vom aktuellen Album „Subkultur“ war auf der Beilage-CD in der Riddim-Ausgabe 03/09 zu finden. In dem Kommentar hieß es, dass ihr euch als „wohl erste Reggae-Band gegen Drogen“ aussprecht. Das kommt doch wohl nicht hin, oder? Wie waren die Reaktionen auf diese Zeilen in der Riddim?

Quiandra: Ach ja, das war lustig! Die meisten von uns haben herzhaft gelacht. Ist doch immer wieder erstaunlich, wie Dinge interpretiert werden.

Marcophone: Ja, auch von Freunden der Band erklang großes Gelächter. Wobei sich offenbar beziehend auf die Riddim, der ein oder andere Plattenkritiker dahingehend äußerte, dass es nun endlich eine Reggaeband gäbe, die sich von der verkifften Reggaeszene distanziere. Der Song „Drogen“ ist ein gesellschaftskritischer Song. Wenn überhaupt, mutmaßt der Song einmal anders darüber, warum Leute Drogen nehmen. Eine Moralisierung liegt uns fern. Legalize it!

Wie sieht für euch die Zukunft aus? Was ist in der Pipeline? Konzerte, neue Tracks etc.?

Quiandra: Zurzeit stehen Konzerte im Vordergrund, doch spätestens im Winter wird die Arbeit an neuen Tracks weitergehen. Ideen haben wir reichlich... Man darf gespannt sein.

Marcophone: Es gibt schon lange den Wunsch, tatsächlich mal ein Livealbum zu machen. Leider gibt es bisher wenig Konkretes. Aber wenn es soweit sein sollte, liest man es am besten auf IrieItes.de. Überhaupt an dieser Stelle Respekt für eure Arbeit; das auch von den anderen Dubtarianern…


Interview: Karsten Frehe (09/2009)