IRIE RÉVOLTÉS
Mit erhobener Faust und guter Musik für eine bessere Welt...

Recht selten, aber zum Glück immer wieder, wenden sich deutsche Musiker gesellschaftskritischen Texten mit Substanz zu. Die IRIE RÉVOLTÉS haben seit Anfang an nicht die Klappe gehalten. Und da darüber sprechen bzw. singen ihnen nicht genug ist, engagieren sie sich auch gesellschaftlich, spielen auf Demos und anderen Soliveranstaltungen. Und wenn dann das Ganze musikalisch auch noch klasse rüberkommt, ist alles perfect! "Mouvement Mondial" heißt das neue Album. Randvoll gefüllt mit treibenden Beats, schönen Melodien und viel Inhalt!

Das allererste Interview mit euch habe ich anläßlich des Albums „Les Deux Cotés“ geführt. Das war 2005 – also schon einige Jahre her. Wie hat sich die Band seitdem aus eurer Sicht entwickelt? Gibt es wesentliche Aspekte, die sich im Laufe der Zeit verändert haben?

Tobi: Ja sicher, da gibt es Einige. Als wir 2003 unser erstes Album aufgenommen haben, hatten wir noch keine genauen Vorstellungen wo es hingeht wird. Wir waren einfach motiviert den Scheiss der Welt zu zeigen, den wir feiern. Das Ganze lief auch in einem einfacheren Rahmen ab. Idee gehabt - Idee umgesetzt. Heute ist es allein dadurch ein wenig komplizierter, da fast jeder in einer anderen Stadt wohnt. Wenn man jetzt ein Album aufnimmt, ist viel mehr Organisation nötig. Aber auch unabhängig vom Umfeld haben wir uns weiterentwickelt. Wenn man “Les deux côtés” und “Mouvement Mondial” vergleicht, dann hört man sofort wie stark sich der Sound verbessert hat, und das ohne von der Grundidee “Irie Révoltés” abzuweichen.

Ihr geltet nach wie vor als eine der wenigen deutschen Band, die mit revolutionären Botschaften und Gesten an den Start gehen. Wo liegen eurer Meinung nach die größten Mißstände global und national?

Mal élevé: Es ist schwer, die Mißstände so zusammen zu fassen. Aber unser Schwerpunkt liegt natürlich bei Themen wie Rassismus, Ausbeutung, Unterdrückung (jeder Art), Diskriminierung und Kriegen.

Carlito: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch in Europa immer größer und ist heute schon beängstigend. Diejenigen, die in unserer Gesellschaft am schlechtesten gestellt sind werden als Schmarotzer und Sündenböcke gesehen, während auf der anderen Seite Milliarden zur Rettung von Banken ausgegeben wurden, die einfach weiter machen wie davor, da sie niemandem Rechenschaft schulden müssen. Global gesehen verschlimmert sich durch die sogenannte “Globalisierung“ die Ausbeutung vieler Länder. Die angebliche Freiheit der Märkte ist mit hohen Zöllen geregelt. Die meisten Länder unserer Welt haben auf diese Bestimmungen keinen Einfluß!

Braucht die Welt mehr Musiker wie euch, die aussagekräftig die Stimme erheben?

Mal élevé: Das ist schwer zu sagen. Dann würden wir ja sagen: „wir sind die Tollsten“ und das sind wir sicherlich nicht. Niemand ist perfekt, aber ich denke, wenn mehr Musiker und Musikerinnen und auch andere Künstler diese Themen ansprechen würden und vor allem mehr Individuen und Gruppen was bewegen würden, könnte sich schon etwas ändern.

Carlito: Schön und Effektiv wäre es sicherlich! Wir treffen glücklicherweise oft Musikerinnen und Musiker, die dies tun. Ich denke jedoch, dass Musik auch immer schon wichtig war, einfach nur genossen werden zu können, ohne irgendwelche tieferen Inhalte.

Wieso scheuen aus eurer Sicht so viele Kollegen klare gesellschaftskritische Worte?

Mal élevé: Ich denke ein Teil interessiert sich einfach nicht dafür und hat gar kein Interesse, mit der Musik solche Inhalte rüber zubringen und Andere trauen sich vielleicht auch nicht, weil sie denken, dass ihnen somit Hörer und Hörerinnen und „Fans“ durch die Lappen gehen.

Carlito: Ich denke es ist immer einfacher, die Realität auszublenden. Viele Menschen beschäftigen sich leider nicht mit den Auswirkungen unseres Lebens in Europa für den große Teile der Welt. Oft ist es wahrscheinlich einfach die Angst vor Konfrontation.

Ihr setzt euch u.a. auch aktiv für Hilfsorganisationen, wie "Rollis für Afrika", "Viva con Aqua" oder "Kein Platz für Rassismus" ein. Parallelen gibt es in der Mestizo-Szene, wo Bands wie etwa Che Sudaka ein ähnliches Engagement aufbringen. Habt ihr mit Bands aus diesem Bereich Kontakt?

Mal élevé: Leider bisher nicht direkt. Ich habe mit Che Sudaka mal ein Feature gemacht, aber regelmäßiger Kontakt ist leider nicht entstanden.

Eure stilistische Vielfalt wird immer wieder hervorgehoben. Sind euch Schubladen nach wie vor zu eng oder könnt ihr euch unter den Bandmitgliedern nicht auf eine Richtung einigen?

Carlito: Wir fühlen uns in Schubladen nicht wohl. Das ist mir persönlich zu verbohrt und altmodisch.

Tobi: Die beste Schublade ist die, die man sich selbst macht!

Ihr werdet zumeist der Reggaewelt zugeordnet, da hier einer eurer musikalischen Schwerpunkte liegt. Wenn ihr euch in dieser Szene hierzulande gedanklich umguckt: was ist besonders erfreulich, was nervt gewaltig?

Mal élevé: Wir haben viele Reggae-Einflüsse. Deshalb werden wir oft dem „Genre“ zugeordnet, allerdings wurden wir von der Reggae-Szene nie so richtig aufgenommen. Dazu waren wir doch zu „anders“. Was ich aber an der Reggae-Szene hier in Deutschland auf jeden Fall gut finde, ist dass sie - zumindest die Artists - mehrheitlich gegen Homophobie steht und solche Inhalte nicht einfach blind aus Jamaica kopiert.

Ihr tourt nahezu unermüdlich, seid auf Festivals, in größeren und kleineren Hallen und u.a. auf Demos anzutreffen. Was waren die zwei bislang schönsten oder ergreifendsten Livemomente?

Mal élevé: Oh! Das ist schwer zu sagen. Definitiv war Rostock im Juni 2007 einer der krassesten Momente. Wir spielten dort gegen den G8 Gipfel. Weitere Highlights waren für mich der Auftritt auf der Fusion und der im Rahmen der Residenzpflicht-Kampagne in Berlin 2001.

In der Begleitinfo lese ich, dass ihr ganze 4 Jahre an dem neuen Album gearbeitet habt. Warum so lange? Seid ihr nicht schnell zufrieden?

Tobi: Wir hatten hohe Ansprüche an unser drittes Album. Bereits Anfang 2009 waren wir bei einigen Songs sehr weit fortgeschritten. Das Problem war damals unter anderem, dass die Songs für sich vielleicht sehr gut waren, aber das gesamte Album noch keine runde Sache war ... Es klang nach Kraut und Rüben. Dann haben wir uns nochmal zusammengesetzt, unsere Produktion von zwei auf ein Studio gelegt und alles wurde gut!

Carlito: Es ist uns immer wichtig uns weiter zu entwickeln. Wir haben für diesen Prozess Zeit gebraucht und das Ergebnis zeigt, dass es sich gelohnt hat.

Gerade die Namen Mal Élevé und Carlito liest man immer mal wieder auf Flyern von Veranstaltungen bei denen ihr ohne Band unterwegs seid. Gibt es ein ausgeprägtes künstlerisches Engagement im Solobereich?

Mal élevé: Wir versuchen so gut wie es geht, Aktionen, Demos und Kampagnen, die wir untestützenswert finden, musikalisch zu supporten. Oft ist ein Konzert mit kompletter Band zu aufwendig. Dann machen wir zu zweit eine „Soundshow“ zusammen mit Flex als DJ.

Was ist nach dem neuen Album und der folgenden Tour als nächstes in der Warteschleife?

Carlito: Der Festivalsommer 2011 und vielleicht noch ne Überraschung...


Interview: Karsten Frehe (9/2010)