Alpendub
Die Alpen treffen in Berlin
auf den Dub eines Kanadiers....
Dub
war ja schon seit eh und je ein Experimentierfeld aller erster
Güte. Insofern verwundert es ganz und gar nicht, dass
auch immer wieder andere Musikstile verwendet und verwoben
werden. Allerdings mutet es schon sehr ungewöhnlich an,
auf Dub meets Jodeln, Zither und andere Zutaten der Alpenmusik
zu treffen. Oberammergau trifft Kingston im der Metropole
Berlin! Alpendub wurde 2002 vom kanadischem Produzenten The
Man Cable alias Robert Cummings gegründet. Zunächst
bastelte er als Ein-Mann-Projekt an den ersten Tracks. Wie
so oft begann alles digital. Die Mischung war jedoch 2002
schon klar: Jodel- und Polkamusik treffen auf Dubriddims.
Mittlerweile hat sich Alpendub als Band formiert und besteht
aus Klaus Janek (Kontrabass, Taschentrompete), Malcolm Arison
(Mundharmonika, Stromgitarre), Kutzkelina (Gesang, Jodeln),
Moe Jaksch (Zither), The Man Cable (Schlagwerk, Elektronik,
Almglocken, Melodika und Hintergrund). Auf der neuen CD "Jo-Delay"
sind neun neue Kompositionen der Band zu hören. Puristen
dürften die Nase rümpfen, offene Geister werden
die eine oder andere Entdeckung machen und/oder einfach eine
Menge Spaß haben. Denn ein kleines Augenzwinkern schwingt
bei eigentlich allen Titeln durch die Hallschleifen mit. Bloße
Blödelei ist der musikalische Entwurf der Band dennoch
nicht. Man höre sich da z. B. den hervorragenden Track
"Die Schaffnerin" an. Irie Ites.de stellte Robert
Cummings, dem Kopf der Truppe, ein paar Fragen.
Alpenmusik
trifft auf Dub. Klingt verquer, funktioniert aber. Die erste
Frage ergibt sich eigentlich von selbst. Wie, bitteschön,
kommt man auf die Idee, Musikstile, die so weit voneinander
entfernt sind, miteinander zu verweben?
Eigentlich
gibt es eine Verbindung - die ersten Jodler waren wahrscheinlich
von den Echos der Berge beeinflußt. Das Hallen der Berge
ist dann das Ur-Echogerät! Die deutsche Volksmusik basiert
auch auf einfachen Melodien und Akkordfolgen, genauso wie
die Reggae- und Rockers-Riddims.
Und auch Jamaikaner wie Barrington Levy haben selbst gejodelt
auf Stücken wie "Something In My Heart". Inna
dancehall style selbstverständlich!
Trotz
der Einzigartigkeit der musikalischen Kombinationen, die von
Alpendub produziert werden, ergeben sich sicherlich Bezüge
zu Vorläufern in der Vergangenheit. Mir schoss zum Beispiel
die Verbindung von Dub und Blues von Little Axe durch den
Kopf. Dennoch: Welche musikalischen Inspirationen würdest
du für das Projekt Alpendub nennen?
Ich
bin seit Jahren ein großer Fan von King Tubby und Scratch
Perry. Mir geht diese Musik ständig durch den Kopf. Auch
die verschiedenen On-U-Sound Produktionen wie African Head
Charge und Singers And Players von Adrian Sherwood fand ich
immer gut.
Aber ehrlich gesagt versuche ich immer Musik zu machen, die
keiner vor mir schon gemacht hat. Manchmal denke ich, ich
sollte versuchen, Musik zu machen, die leichter in irgendwelche
Schubfächer passt, aber ich scheitere dabei jedesmal!
Die
anderen Musiker bringen auch ihre Inspirationen mit. Moe spielt
uns immer irgendwelche Stücke aus dem Zither-Repertoire
vor wie z. B. "Der Weg zum Herzen" oder "Erzherzog-Johann-Jodler".
Klaus ist ein genialer Jazz-Bassist und Malcolm weiß
ganz gezielt die Blue-Notes einzubringen. Und natürlich
bringt Doreen (alias Kutzkelina) einen Hauch von NDW rein
...
Das
habe ich mir auch gedacht. Der Gesang und die Texte von Kutzkelina
erinnern mich an Lieder, die entweder Mitte der 80er Jahre
zu Zeiten der Neuen Deutschen Welle oder recht aktuell in
Berlin aufgenommen werden (2Raumwohnung & Co.) und ihre
Wurzeln in dieser Zeit haben. Wie kommt ihr auf die Texte
der Songs?
Kutzkelina
kennt sich sehr gut aus mit NDW und der aktuellen Szene in
Berlin. Sie kann sehr gut deutsche Texte schreiben, die was
Verspieltes haben und niemals muffig oder kitschig wirken.
Ich glaube, sie hat ein großes Talent dafür. Es
kommen weitere neue Stücke mit sehr guten deutschen Texten
- daran arbeiten wir gerade.
Außerdem hat es mich als Kanadier schon immer gestört,
"deutsche" Künstler zu hören, die vergeblich
versuchen, wie Amerikaner oder Engländer zu klingen.
Ich höre mir viel lieber an, wie Japaner auf Japanisch
und Russen auf Russisch singen, als dass sie schlechte englische
Texte singen!
Wie
entstehen überhaupt die Tracks? Arbeitet Alpendub als
Band gemeinsam an den Werken oder gibst du die Richtung weitgehend
vor?
Normalerweise
arbeite ich Harmoniefolgen mit Melodie-Ideen im voraus aus.
Die Riddims, also Bass und Schlagzeug-Parts, sind fast immer
festgelegt, aber die anderen Teile sind noch flexibel. Dann
lade ich die anderen ein, und sie jammen mit und machen weitere
Vorschläge. Oft müssen die Stücke mehrere Wandlungen
durchmachen, ehe wir was haben, das wir mögen. Es ist
manchmal verdammt schwer, aus einer Dur-lastigen deutschen
Weise ein interessantes Stück zu entwickeln. Aber das
ist der Reiz dabei, wir machen es uns nicht einfach! ;-)
Gerade
in letzter Zeit stoße ich immer mehr auf Dubheadz aus
Kanada. Ich denke da zum Beispiel an Ryan Moore (der jetzt
in Holland lebt), Dubmatix (meine Neuentdeckung in Sachen
Dub und Vielfalt) und nun du in Berlin? Hat das irgendwas
mit Kanada (Luft, Gesellschaft etc.) zu tun?
Ich
kann nicht für die anderen Canucks reden, aber es hat
bei mir angefangen in Vancouver... In Vancouver, wo ich herkomme,
gibt es viele Berge, aber auch viel ... ehem ... Gras! Ich
habe eine Zeitlang in einem Malerei-Betrieb gearbeitet, wo
nur Dubheadz gearbeitet haben. Wir haben Tag-für-Tag
geraucht, Wände gestrichen und dabei ständig Prince
Far I und Singers and Players gehört. Das war mein Einstieg.
Aber dann bin ich nach Berlin gekommen ...
....
und Berlin scheint in letzter Zeit zur deutschen Dubhochburg
zu entwickeln! Warum gerade die Hauptstadt? Gibt es dort ein
besonderes Dubambiente?
Stimmt.
Berlin hat auch eine große Affinität zu Dub, man
denke an Leute wie Pole und Daniel Meteo. Ich bin hier ständig
mit Dub konfrontiert und habe vor vielen Jahren sogar auf
den Asian-Dub-Sachen von Genetic Drugs mitgewirkt. In Kanada
haben wir viel Platz zum Wohnen, und das ist ähnlich
so in Berlin. Die normalen Leute hier haben Wohnungen, die
unbezahlbar wären in London oder New York. Ob die Berliner
Luft eine Rolle spielt? Keine Ahnung! Auf jeden Fall ist die
Musik-Szene hier relativ offen für neue Ideen und Experimente.
Wobei wir mit unserem Alpendub-Projekt die Leute polarisieren.
Es scheint so, als würden die Leuten unser Zeug entweder
lieben oder hassen!
Während
die Welt im Dancehallfieber versinkt, macht ihr Dub. Steuert
ihr damit bewusst gegen den Trend?
Ich
glaube, es liegt daran, dass ich unfähig bin, irgendwelche
Trends nachzumachen. Ich schaffe es einfach nie! Allerdings
haben wir ein Paar neue Stücke, die ziemlich schnell
und daher kompatibel mit Dancehall sind. Aber auch da nicht
ganz! Ein paar Leute haben uns gefragt wegen Remixe, vielleicht
wird da was rauskommen, dass man als Dancehall-Track auflegen
könnte.
Wie
reagiert das Publikum auf euch bei Liveauftritten. Nehmen
sie euch ernst oder macht sich ein allseitiges Schmunzeln
breit?
Da
sind wir noch sehr gespannt, da wir unsere ersten Live-Auftritte
noch vor uns haben! Wir spielen am 8. Juli im Roten Salon
in der Volksbühne und am 17. Juli in Little Red Riding
Hood bei der Bread & Butter Modemesse. Aber ich bin zuversichtlich,
dass unsere Musik bei einem Live-Auftritt richtig geil rüberkommt.
Wir sind alle ziemlich erfahrene Bühnen-Musiker, und
wir werden viel Spaß dabei haben.
In
eurem Info stand, dass 9 von 20 neuen Titeln den Weg auf "Jo-Delay"
gefunden haben. 11 sind also noch übrig. Steht das nächste
Album also schon in den Startlöchern?
Ja,
wir sind fleißig dabei, neue Stücke zu machen.
Wir entdecken immer neue Ansätze und haben längst
nicht die Möglichkeiten erschöpft! Wir werden entweder
eine ganz neue CD machen oder die neuen Stücke mit den
alten auf einer 60-Minutigen kombinieren.
Interview:
Karsten Frehe (06/07)
Fotos:
Özgür Albayrak
Unbedingt
empfehlenswert: www.alpendub.net