Nosliw in vollen Zügen...



Nach einigen Singles, u.a. seiner Beteiligung an der Dancehallfieber 2-Compilation mit "Noch nie gesehen" (zusammen mit Youdon), kommt nun die EP von dem Singjay Eric Wilson alias Nosliw aus Bonn auf den Markt. "In vollen Zügen", so deren Titel, erscheint in Zusammenarbeit von Rootdown Records und Downbeat/eastwest. Nosliw wird sich damit in der deutschsprachigen Dancehallszene neben Seeed, Gentleman, Nattyflo, Nikitaman, Ganjaman u.a. weiter etablieren können. Für Irie Ites beantwortete er am 30.9.2002 einige Fragen.

Deine Debüt-EP "In vollen Zügen" wird in wenigen Wochen erscheinen. Als Opener ist "Nur dabei" auf dem Doctor's Darling-Riddim von Seeed zu hören. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Anfang April 2002 bekam ich einen Anruf von Pionear, mit dessen Label Germaican Records ich 2001 schonmal für Tom´s "World Report"-Riddim zusammmenarbeitete (feat. Nattyflo "Mach´sie klar"). Er hat mich gefragt, ob ich Lust hätte einen neuen Roots-Riddim von Seeed zu voicen. Bis dato habe ich eigentlich mehr gechattet als gesungen, aber der Riddim war ein einziger Flash. Dann hab´ ich das Teil bei mir im Studio gevoiced, zurückgeschickt und der Rest ist Geschichte...

Du beklagst, dass die Menschen in der Gesellschaft leider allzu häufig nur dabeistehen also im Wesentlichen unbeteiligte und plumpe Mitläufer sind. Hast du dich bisher, neben z.B. diesem sehr engagierten Text, politisch oder sozial in der Gesellschaft betätigt?
Politisch engagiert habe ich mich immer, wenn´s mein näheres Umfeld betraf. Das waren dann Anti-Fascho-Demos in der Region oder ein netter Stoiber-Empfang auf dem bonner Marktplatz, etc..
Sozial engagiert war ich ca. 4 - 5 Jahre im Bereich "Jugendkultur" mit dem Focus auf HipHop. Ich habe zusammen mit einigen fähigen Leuten aus der Region Bonn den "Radius Bonn Rhein-Sieg" gegründet mit dem wir zig Veranstaltungen in unserer area durchgezogen haben.
Ein "Mitläufer" und unbeteiligt bin ich aber in manchen Bereichen ja leider selber, habe halt auch vor der eigenen Haustür zu fegen. Nur viel zu viele Abläufe in unserer Welt gehen halt nicht mehr klar und ich hoffe ich trage mit meiner Auflistung einiger zur Auseinandersetzung mit diesen Problemen bei.

"Nur dabei" ist ja ein großer Rundumschlag. Ist dir inzwischen noch etwas eingefallen, das nicht in den Lyrics auftaucht und was dich an deinen Mitbürgern nervt?
Nö, da müsste ich nachdenken. Der Text stellt die Welt aber doch schon scheisse genug dar, oder? :-)

Leider gibt es viel zu selten deutsche Dancehallinterpreten, die sich kritisch und fundiert mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten weltweit und hierzulande auseinandersetzen. Teilst du diese Ansicht?
Schon, aber ich höre lieber 3 gute politische Songs als 20 gut gemeinte.

Woran glaubst du liegt es. dass sich so wenige Künstler in dieser Richtung engagieren?
Dancehall hat in Deutschland nicht den politischen Stellenwert wie in Jamaica. Hier ist es eher die Musik der Clubs und nicht der Strasse / des Alltags. Kritische Texte habe ich in letzter Zeit schon recht viele gehört auf den Dances, es hapert aber oft am Style, an der Stimme und/oder der Überlieferung der Inhalte.

Du kommst ja selbst aus dem Hip Hop-Bereich und hast mit D.U.G. (Die Unendlichen Gedichte) im Raum Bonn etliche Auftritte und Aufnahmen gehabt. Wie kommt es, deiner Meinung nach, dass es sowohl beim Publikum als auch bei den KünstlerInnen viele gibt, die zuvor (oder nebenbei immer noch) Hip Hop-AnhängerInnen waren bzw. sind?
(Zur Korrektur: D.U.G. hat in ganz Deutschland die spots gerockt! Aight? Big up an Teedee, Doc Holiday a.k.a. Max Reebo und Schmitzz!) HipHop war mein erster Flash, welcher mich meine gesamte Jugend über angetrieben hat, künstlerisch aktiv zu sein, nachzuforschen, mich auszutauschen und zu lernen. Rap und Reggae sind ja eh vom selben Stamm. Es geht nur um die Vibes. Wäre wohl komischer wenn ein Dark-Wave Künstler / -Anhänger zum Reggae konvertiert. Es ist mittlerweile normal auffem Dance Rap-tracks und auf ´ner HipHop-party Reggae zu spielen.

Wo liegen die Gemeinsamkeiten - also die Schnittmenge - von Hip Hop und Reggae/Dancehall? Wo die Unterschiede?
Gemeinsamkeiten: Black music / der Ursprung / die Competition zwischen Künstlern, Sounds / beides eignet sich zum Tanzen und/oder als politisches Sprachrohr / Universalität / beides zieht eine ganze Kultur mit sich / Weed / Klamotten / beides nicht mit der Staatsgewalt kompatibel...

Unterschiede: Reggae existiert länger / Reggae ist spiritueller / Reggae ist kompatibler mit Live-Bands / meine Nachbarn können mit Rap nix anfangen / hab noch nie ´ne Schlägerei auf ´nem Dance miterlebt oder von gehört / auf Dances gibt´s weniger Jiggy-Typen...

Wieso hast du dich für einen weiteren Weg mit dem Dancehall entschieden?
Ich spüre einfach positivere, stressfreiere Vibes als beim HipHop. Rap mit Gesang finde ich, bis auf wenig Ausnahmen, scheiße. Außerdem sind die Damen auf den Dances im richtigen Alter.
Ich bastel jedoch nach wie vor fleissig Beats für meine Jungs aus dem Radius und da gibt´s demnächst noch einiges von zu hören.

Obligatorisch sei noch die Frage nach musikalischen Vorbildern gestellt. Gibt es für dich internationale und nationale Vorbilder?
Nee, direkte Vorbilder nicht. Aber ´ne Menge Künstler, die mich beeinflussen / beeinflusst haben.
Inhaltlich wären da z.B.: Peter Tosh, Bob Marley, Nattyflo, Tracy Chapman, Rio Reiser, Heinz Erhardt,...
Styletechnisch gäbe es z.B.: Capleton, Luciano, Glen Washington, Gentleman, Busta Rhymes,...
Was Frauenthemen angeht: Prince
Fehlt noch wer?

Mit welchem Künstler/welcher Künstlerin würdest du gerne mal in combination singen?
Gentleman, Joy Denalane, Deichkind

Du bist nun bei Downbeat/eastwest unter Vertrag. Ein Vertrag mit einem Major birgt doch auch Gefahren bezogen auf die künstlerische Freiheit oder siehst du das anders?
Nö, das alles hat einen gesunden Nährboden. Ich arbeite in erster Linie mit Rootdown-Records zusammen am gesamten künstlerischen Output, von der Komposition der Songs bis zum Layout der Sticker. Mit Norbert Rudnitzky habe ich einen a&r bei eastwest der sehr viel Erfahrung aus dem Reggae-Business auf Majorlevel umsetzt. Ich mache eigentlich so weiter wie bisher, nur kommt manchmal etwas Termindruck dazu aber dafür kommt ja ´was vernünftiges bei ´rum. Aber sollte die Musik, die ich geil finde, zum finanziellen Flop werden habe ich ja noch andere Standbeine.

Du warst jetzt gerade in Berlin, wo das Video zu "Nur dabei" gedreht wurde. Ist es für dich etwas anderes vor der Kamera zu agieren als auf einer Bühne?
Klar. Ich habe weniger Probleme vor 8.000 Leuten zu performen als vor 12. Außerdem habe ich bis dahin nur 1 Video mit D.U.G. selbst gedreht für 800 DM und jetzt mit Vollprofis für das 25fache (was immer noch nicht viel ist für einen Durchschnitts-clip). Irgendwie waren die Vibes so cool, dass ich nicht viel darüber nachgedacht, sondern einfach gemacht habe. Ich hoffe, die Sender spielen das Teil. Big up an Jirko Krah (Director) und Department M (Production) und alle Youths die mitgemacht haben!


Was wird in naher Zukunft von dir zu hören sein? Welche Projekte stehen an?
Ich habe da noch einen Club-hit mit DJ Derezon in der Warteschleife, welcher eigentlich über Def Jam rausgekommen sein sollte (abwarten und Tee trinken).
Es gibt im Oktober 2002 eine neue Germaican Riddim-Selection auf dem "Cure"-Riddim von Tom, mit T.O.K., Cecilé, Tanya Stephens, mir und anderen. Des weiteren wird Rootdown-Records dieses Jahr den "Coming"-Riddim von teka als Selection veröffentlichen, u.a. mit Nattyflo, Nikitaman, Mono, Schocking Murray, und meiner Wenigkeit. Ansonsten schreibe ich am Album für 2003 und sammele freshe Riddims und Combinations...

Interview: Karsten Frehe

Mit einem Klick an dieser Stelle gelangt ihr zur Irie Ites-Review der EP!

Weitere Informationen unter: www.rootdown-records.com