Ohrbooten - Spieltrieb
Das Natural Soundsystem aus Berlin....

"Spieltrieb" heißt das Debütalbum dieser Berliner Truppe. Einen treffenderen Namen hätte man eigentlich nicht wählen können, denn mit so viel Spaß am Spiel und so vielseitig ist in den letzten Monaten nur selten ans Werk gegangen worden. Dabei fällt es schwer, die vier Männer aus Berlin musikalisch einzuordnen. Zieht man eine Schublade auch nur ansatzweise, so hüpfen sie gar nicht erst hinein, sondern balancieren Artisten vergleichbar auf dem Hochseil über die Genregrenzen hinweg. "GypHop" nennen sie das selbst - abgeleitet von Gypsy (Zigeuner). Und so tauchen ganz unterschiedliche Einflüsse und Instrumente auf, die Ben, Matze, Onkel M und Noodt der Kleinkunstszene sympathisch machen dürften (einem Bereich der Künste, der viel, viel größer und toller ist als es der Name suggeriert). Und den Menschen auf den Strassen auch, denn dort ist ebenfalls ihre Bühne. Ja, Hip Hop ist drin... und ja, auch Reggae... doch dazwischen gibt es eine Menge bunter Farben zu entdecken, die das Album zu einem kurzweiligen, erfrischenden, frechen und direkten Erlebnis werden lassen!

Eine Kategorisierung eurer Musik erscheint schwer bis unmöglich. Schubladen sind sperrig. Ihr legt anscheinend Wert auf Vielseitigkeit, ähnlich wie es Les Babacools und andere Bands im Land tun. Habt ihr "Angst" vor Schubladen?

Nein, und genau deswegen haben wir unsere eigene Schublade, die wir "GypHop" nennen. Außerdem muss jeder Plattenladen unser Album irgendwo einsortieren. Uns ist eigentlich egal, ob das dann bei HipHop, Reggae oder Pop steht.

Oder hat das mit den unterschiedlichen musikalischen Backgrounds von euch Vieren zu tun?

Der Musikstil der Ohrbooten resultiert aus den verschiedenen Wurzeln der einzelnen Bandmitglieder. Alles ist erlaubt und wird erstmal ausprobiert, genau deswegen gibt es keine musikalischen Grenzen.

"Ich bin ein Stadtkind" heißt es im gleichnamigen Song auf eurem Album "Spieltrieb". Würdet ihr sagen, dass eure Musik einen urbanen Hintergrund braucht, um entstehen zu können?

Wir sind alle in der Großstadt aufgewachsen, das spiegelt sich natürlich in unserer Musik wieder. Die Stadt bietet viel Inspiration und gerade Berlin mir seinem Kultur-Clash gibt uns immer wieder neue Denkanstöße. Würden wir auf dem Land leben, klänge unsere Musik sicherlich anders.

Beim Stichwort Berlin denke ich an Culcha Candela, P.R. Kantate, Moabeat und na klar Seeed. Woran liegt es, dass die Szene in Berlin offenbar so kreativ ist?

Die Stadt war schon immer ein Schmelztiegel der Musikszene. In Anbetracht der Größe ist es kein Wunder, dass hier so viele kreative Menschen leben, das sieht man ja auch in anderen Metropolen.

Wie P.R. Kantate und andere singt ihr auf Deutsch. Warum greift ihr nicht wie so viele andere Künstler auf Englisch zurück?

Wir wollen, dass die Leute unsere Texte verstehen. Außerdem ist Deutsch die Sprache, in der wir uns am besten ausdrücken können.

Es ist meist kaum zu überhören, dass ihr aus Berlin kommt. Steckt dahinter so etwas wie Lokalpatriotismus?

Berliner Schnauze bounct einfach. Viele Reime und Formulierungen würden auf Hochdeutsch nicht funktionieren. Der Slang transportiert ein Lebensgefühl, aber deswegen sind wir noch lange keine Lokalpatrioten.

Wie mir berichtet wurde, spielt ihr auch für Kleingeld auf der Strasse für die Welt. Mit einem Album in der Tasche stellt sich die Frage, ob ihr das immer noch tut und auch in Zukunft tun werdet!?

Klar werden wir weiterhin auf der Straße spielen. Für uns ist Straßenmusik der direkteste Draht zu den Menschen und bietet uns mehr Möglichkeit zur Interaktion mit dem Publikum als auf einer großen Bühne. Dass wir nun ein Album in der Tasche haben, ist kein Hinderungsgrund, sondern eher ein weiteres Argument für die Straßenmusik, denn wir erreichen dort Menschen, die sonst vielleicht nie auf uns aufmerksam würden.

"Spieltrieb" kommt in Kooperation mit der Warner Music Group in die Läden. Wie seid ihr denn an so einen dicken Fisch rangekommen? Vor allem weil ihr ja nicht gerade den Mainstream im klassischen Sinn bedient.

Warner Music Group ist nur unser Vertrieb. Dieser Kontakt kam über unsere Plattenfirma JKP zustande; die sind kein Major Label im eigentlichen Sinne, was uns aber auf allen Ebenen zugute kommt. Wir fühlen uns dort sehr gut aufgehoben.

Gerade ging es quer durchs Land (Köln, München etc.). Wie waren die Reaktionen auf euch außerhalb Berlins?

Wo wir live spielen, sind die Leute mit uns; egal in welcher Stadt. Allerdings haben wir festgestellt, dass die Menschen im Süden Deutschlands grundsätzlich krass abgehen, die Norddeutschen hingegen etwas skeptischer sind.

Na ja, das entspricht ja auch den gängigen Klischees..... Was steht bei euch in naher Zukunft an?

Erstmal wird das Album veröffentlicht, das ist natürlich für alle spannend. Im Oktober geht es dann auf Tour durch die Republik. Ansonsten sind wir schon wieder mächtig am schreiben, denn das nächste Album kommt bestimmt.

Merci

Sehr gern!

Interview: Karsten Frehe (08/2005)