Terry Lynn
"Kingstonlogic 2.0"
(Phree/Groove Attack - 2008)

Schubladen zu, Ohren auf! Dieser Sound pfeift scharf, verletzend in die Ohren. Er spiegelt musikalisch das tödliche Klima in Jamaikas Hauptstadt Kingston wieder, deren Mordstatistik jedes Jahr neue Rekordmarken erreicht. Weder Musik noch Texte lassen Ghettoromantik aufkommen. Gewalt besitzt keine positiven Seiten – dafür haben Terry Lynn und ihr Produzent eine neue Ausdrucksform gefunden: Der Sprechgesang der Lady, die im rauen Waterhouse-Bezirk aufwuchs, krallt sich irgendwo zwischen Toasting, Rapping und Dub Poetry fest. Die Sprache ist jamaikanisch, ihre Aussage global-urban. Gleichfalls heimatlos klingen die scharfen, industriellen Electro-Beats von Phred. Er schert sich keinen Dreck um Kategorien, stellt jungelige Hektiker neben schleppendes Nyabingi-Getrommel und lässt auch dazwischen rhythmisch nichts aus. Eine unbequeme, extrem eindringliche, teils fast erschütternde Chimäre. Dieses bittere Pochen der Jetztzeit soll aufwühlen, bestürzen, nicht schmeicheln. Das zeigt auch das Video zu „System“, der in einem jamaikanischen Schweineschlachthof spielt. Terry Lynns Debüt riecht ganz unverblümt nach frischem Blut und Pulverdampf.

Jürgen "Reggaedoctor" Schickinger



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