Adrian
Sherwood
"Never Trust A Hippie"
(Realworld/Virgin - 2003)
Schon komisch: Erst
kürzlich legte Adrian Sherwood mit "Chainstore Massacre"
eine Compilation vor, die schon im Titel eine Kritik an den umfangreichen
Filialketten der Großunternehmen beinhaltete. Jetzt erscheint
sein neues Album, zum ersten Mal unter seinem eigenen Namen, über
Realworld, dem Label von Peter Gabriel, und damit über Virgin.
Und die besitzen als Megaunternehmen nun mal auch eigene Filialketten.
Ein wenig Kritik vorweg muss sich also auch ein Adrian Sherwood gefallen
lassen, auch wenn die positive Seite am Majorausflug womöglich
ist, dass er es mit dem hoffentlich verdienten Geld schafft, den derzeit
in Angriff genommenen Relaunch von On-U-Sound auf solide Beine zu stellen.
Zu wünschen wäre es ihm bzw. uns allen! Doch soll jetzt nicht
der Gedanke aufkommen, das Album wäre womöglich allein aus
Mitleid den Kauf wert. Es hat nämlich einige sehr nette Titel zu
bieten. Ursprünglich sollte er sich an Remixe mit Teilen aus dem
Backkatalog des Worldbeatlabels (mag das Wort "Worldbeat"
ja gar nicht) machen. Das gelang aus rechtlichen Gründen nur schwierig
und ist nur noch an zwei Titeln abzulesen, in denen altes Worldbeatmaterial
vorkommt. Zum einen vom grandiosen S. E. Rogie, der kurz vor seinem
eigenen finalen Vorhang das freundlichste und entspannteste Album eingespielt
hat, das mir bislang vor die Ohren kam. "Dead Men Don't Smoke Marijuana"
heist es und sei ALLEN dringend empfohlen. Bei Sherwood begegnet man
S. E. Rogie bei dem hier anknüpfenden Titel "Dead Man Smoking"
- selbstverständlich in deutlich anderen musikalischen Kleidern
als beim Original. Rogie's sanfte Stimme wurde durch diverse Effekte
verzerrt und klingt nun eher wie eine Säge. Adrian Sherwood kann
es halt nicht lassen, so ziemlich alles durch den Dub-Wolf zu drehen.
Gelungen ist ihm dabei ein schräger Dub-Titel, der erfreulich experimentell
daherkommt und im Vergleich zu so einigen Produktionen vom Dub Syndicate
dadurch auffällt, dass er gewagter und aufmüpfiger ist. Als
zweite Realworld-Backkatalog-Künstler sind Temple Of Sound &
Rizwan-Muazzam Qawwali beim "Paradise Of Nada Remix" zu hören.
Hier bekommt der Dub den für Sherwood oft üblichen asiatischen
Touch. Schön! Das kann auch über den ganzen Rest des Albums
gesagt werden - auch wenn sich hier und da mal ein paar Längen
einschleichen. Richtig schön sind dabei vor allem der Opener "No
Dog Jazz" und das nachfolgende, hypnotisierende "Hari Up Hari",
hier wieder mit fernöstlichem Einfluss. Adrian Sherwood, der mit
diesem Album einen neuen Anfang machen will, dürfte ganz entspannt
in die Zukunft blicken. Nach langer Albenpause hat sich offensichtlich
genug kreative Energie angestaut, um ausgeschöpft und ausgelebt
zu werden.
Karsten
Frehe