Various
"The Creole Box Set" (3 CDs)
(Trojan/Rough Trade - 2004)
Der Titel dieser
Box bezieht sich nicht etwa auf Musik mit kreolischem Einfluss, sondern
auf ein Label, das zu Beginn der 70er Jahre von Bruce White und Tony
Cousins gegründet wurde. Sie begannen als Booking Agentur, die
auch Blue Beat-Acts (wie man Ska und Rocksteady damals in England nannte)
vermittelte. Als einer ihrer Klienten, Desmond Dekker, 1969 mit ‚Isrealites'
einen Riesenhit landete, sahen Bruce und Tony (wie sich das Produzentenpaar
fürderhin nennen sollte) ihre Chance und eröffneten ein eigenes
Label. Mit Ausnahme der Titel von Bruce Ruffin waren ihre ersten Singles
Flops. Ab 1974 versuchten sie sich daher auch an ‚authentischem' Roots-Reggae
- und landeten mit Rupie Edwards ‚Irie Feeling' auch gleich einen Top
Ten Hit. 1975 erwarben sie die Rechte an Desmond Dekkers Backkatalog,
veröffentlichten ‚The Isrealites' erneut - und landeten wieder
einen Top Ten Hit. Der Nachfolger, die von Bruce & Tony produzierte
‚Sing A Little Song', wurde ebenfalls ein Hit. Außerdem nahmen
sie den ehemaligen Türsteher Judge Dread an Bord, dessen eindeutige
Reggae-Version von ‚Je T'aime' ebenfalls hier auf der Box enthalten
ist (und dazu noch einige weitere seiner textlich so zotig wie musikalisch
flachen Songs). Danach drängte Creole vor allem auf den up and
coming Disco-Sektor. 1976 schlossen Bruce und Tony einen Lizenzdeal
dem jamaikanischen Produzenten Byron Lee, dessen Dynamic Label sie in
ihren Katalog aufnahmen. Barry Briggs bescherte dem Label sechs Hits
(von denen drei hier enthalten sind, u.a. Sideshow). Später brachten
sie die Produktionen von Jah Thomas, Willie Lindo und anderen heraus
und halfen so, Dancehall in England zu etablieren. Parallel dazu veröffentlichten
sie seichten Lovers Rock wie ‚I Wanna Wake Up With You' von Boris Gardener
(hier ebenfalls enthalten). So weit zur Geschichte des Labels.
Die Compilation ist in drei Teile unterteilt, von denen die ersten beiden
‚Side Show - The Pop Hits' und ‚Behold! Ska & Reggae Classics 1964
to 1980' ähnlich ablaufen: Von pumpendem Ska zu verwässertem
Lovers Rock und glattgebügeltem Roots Reggae. Die interessanteren
Tracks dieser Box wie ‚Cloak And Dagger' von den Upsetters, ‚Frankenstein
Ska' von den Dragoniares, oder Horace Andys' ‚Delilah' dürfte der
durchschnittliche Reggae-Fan schon auf x anderen Compilations haben.
Die dritte CD ‚Sweetie Come Brush Me - Dancehall Anthems 1982 - 1994
' ist aufgrund ihres Fokus auf Dancehall eine durchaus brauchbare Compilation.
Insgesamt repräsentiert diese Box die kommerzielleren Aspekte von
Ska bis Dancehall. Einige Tracks sind für Komplettisten oder Aufleger
mit großem Repertoire interessant, für das Gros des Publikums
ist dieser Themensampler eher zweite Wahl.
Ralf Bei der Kellen