Various
"Dub Solidarity"

(Dubhead/Indigo - 2003)

DUB SOLIDARITY als Dub-Aroma der Herbstsaison verkündigt zwar keinen Aufbruch zu neuen Ufern, bietet aber einen hervorragenden Ein- und Überblick über die gegenwärtige Befindlichkeit einer Dub-Szene, die sich ständig wie ein pumpendes Herz ausweitet und zusammenzieht. Sämtliche Tracks dieses Samplers sind bisher nicht veröffentlicht und exklusiv für dieses Album aufgenommen worden. Der Titel ist nicht Motto, sondern Programm!

Das englische Label Dubhead ist im Prinzip das mittigste Dub-Label Englands, erfolgreich zwischen Innovationsgeist a la On-U Sound und Reggae-Labels mit Dub-Abteilung. Einige der wichtigsten Acts des britischen Dub sind bei Ihnen unter Vertrag. Weitere Acts stehen mit dem Label in enger Verbindung. Mit zwei dreiteiligen Sampler-Reihen, zuletzt 'A new breed of dub', parts 1-3, haben sie schon Jahrgang für Jahrgang die Entwicklung des "british contemporary dub" äußerst treffend musikalisch aufgezeichnet. Auf 'DUB SOLIDARITY' gehen sie nun einen Schritt weiter und öffnen sich Acts außerhalb der Insel "to offer a definitive snapshot of the contemporary global dub scene" (Presseinfo).

Acts aus England und von außerhalb (Frankreich ist fast schwerpunktmäßig 4x vertreten, USA und Japan mit je zwei Acts, sowie Künstler aus fünf anderen Ländern) halten sich in etwa die Waage. Die Anordnung der 29 (!) Stücke beider CD´s scheint per Zufall getroffen worden zu sein, es gibt keine Bündelungen nach Strömungen innerhalb der Dub-Szene, Herkunft oder Labelnähe/ferne.

Eine erste, generelle Beobachtung: Mehr als die Hälfte der Tracks sind instrumentale Tracks. Die Grundstimmung, wenn man bei 29 unterschiedlichen Tracks von einer solchen reden kann, ist eher dunkel, im Sinne von geheimnisvoll, nicht im Sinne von düster. Die Gitarre, immerhin fester Bestandteil einer Reggae-Combo, ist hier fast völlig außen vor, dafür sehr viel Blechbläser wie auf kaum einem Dub-Sampler der jüngeren Vergangenheit in dieser Menge gehört.
Entsprechend der öffentlich-wirksamen Verhaltenheit der Dub-Szene werden nun auch Jazz-Einflüsse immer kräftiger. Reggae bleibt nach wie vor das belebende, kraftvolle Pfund im Dub, einiges grenzt an Chill Out-Grooves, kaum etwas an gegenwärtig angesagte Dance-Grooves.

Für das Mark des Labels und ihrer Freunde stehen hier die BUSH CHEMISTS, MUNGOS HI-FI, NUCLEUS ROOTS, ALIEN DREAD, URBAN DUB, IRATION STEPPAS, DUBCLASH, VIBRONICS und die meiner Meinung nach außerhalb Englands unterschätzten ETHEREALITES. Den Vogel abgeschossen haben in dieser Gruppe JAH WARRIOR, unterstützt von PRINCE ALLA, mit ihrem intensiv beschwörenden 'More Dub'.
Weitere Einzelleistungen: Mit "Red City" haben die japanischen TRIAL PRODUCTION nicht nur die meisten Töne einspielenden Musiker am Start (fast schon eine Bigband), sondern auch einen Dub-Mixer, der es anscheinend auf einen Vergleich mit ADRIAN SHERWOOD ankommen lassen will. Klasse!
ROOTSMAN dubbed here! Wer gedacht hatte, er hätte es verlernt oder aufgegeben, sieht sich hier eines besseren belehrt: mit seinem Partner am Mikrofon JOHNNY CLARKE kommt "Your Dub" mit mächtigen Drums und geisterhaft wirkenden Vocals daher.
DIGIDUB, die großartige, und doch eher unbekannt gebliebene Dub-Schmiede, von der man lang nichts mehr hörte, veranstalteten einen Live-Clash mit den schwedischen MIGHTYQUARK in Stockholm. Fetter Eindruck!
Sehr abtanzbar ist der "Zion Dub" der UNITONE SOUNDIMENTIONAL. ZION TRAIN lassen ihr "Hail The Selector" remixen, und das On-U Sound-Label ist mit 2 BADCARD vertreten, die mit einem Instrumental-Track "Tabu Riddim" von ihrer hoffentlich bald kommenden LP am Start sind. Diesen Track kennt man wiederum bereits von der GHETTO PRIEST LP mit Gesang als "System Of The Lost Cause Man".

Es sind aber nicht die Einzelleistungen, die "DUB SOLIDARITY" so klasse machen, sondern die echte Togetherness der Dub-Acts, die trotz unterschiedlicher Ausrichtung und Herkunft an einem gemeinsamen Vielfachen des Dub stricken. Während andere Sampler der Gegenwart sich mit stilistischen Wechselwirkungen beschäftigen und ihren Korpus mit Dub-Mixen stilfremder Acts auffüllen, auch manchem, das gerade noch so als 'Dub' durchgeht, schafft es das Label Dubhead, gleich zwei CDs mit authentischem Material der Szene zu füllen. Das spricht für die Verbindungen und das Engagement des Labels, es spricht auch für eine zumindest kreativ weiterhin intakte Dub-Szene, woran einige Musikkenner schon längst Zweifel anmeldeten. Dass zeitgenössischer Dub lebt, beweist in diesem Jahr keine andere Veröffentlichung so gut wie "DUB SOLIDARITY".
Damit der geneigte Hörer bei einzelnen Tracks/Acts gleich nachforschen kann, wurde bei jedem Track die Internet-Adresse des Acts angegeben. Guter Service!
Und das Wichtigste an dem Sampler ist die Solidarität, die von den beisteuernden Acts dem Label entgegen gebracht wird. Denn es stand aufgrund rechtlicher Streitigkeiten mit einem ehemaligen Labelact nicht gut um Dubhead. Mit den gestifteten Dubs leisten sie einen Beitrag zur Krisenbewältigung und setzen zugleich ein Zeichen der Solidarität in eine oft gerade hier krankende Welt!

Noch einmal Pressetext: "The release of 'DUB SOLIDARITY', the label´s most extensive and ambitious project to date is further proof that that spirit is as alive and as vibrant as ever that Dubhead´s commitment to the mission of spreading the word is second to none."
Die Doppel-CD wird zum Mid-Price angeboten und erscheint auch als zwei Einzel-Vinyl-LP's!


Bernhard Groha

www.dubhead.co.uk

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