Deutsche Grammophon ReComposed by Matthias Arfmann
(Deutsche Grammophon/Universal - 2005)

"...Man braucht sicher auch eine gewisse Dreistigkeit, um sich an diesen übergroßen Vorlagen zu schaffen zu machen.." wird Matthias Arfmann im Begleittext zitiert. Das glauben wir ihm mal aufs Wort, denn sich an Aufnahmen von den Berliner Philharmonikern unter Karajan mit einem Pop-Dub-Approach heranzuwagen liegt werder nahe noch klingt es einfach. Denn es kann ja beileibe nicht dabei hängen bleiben, ein paar Schnipsel Klassik mal hier mal da in einen Dubteppich zu weben. Ein wenig mehr Ehrfurcht, Mut und ein großes Gespür für Musik sind gefragt, um das Projekt nicht gleich von Anfang an gegen die Wand zu fahren oder in der Beliebigkeit ersaufen zu lassen. Matthias Arfmann erschien da der Richtige zu sein, denn er hat all diese Qualitäten, was die Aufnahmen des Turtle Bay Country Clubs, seine frühen Werke mit den Kastrierten Philosophen (unvergessen die Remixe zu "Soldier Nonstop" von 1995 oder die Kooperation mit den Non-Stop People aka The Vision auf "Where Did Our Love Go" von 1996 - beide bei Strange Ways erschienen) oder die unzähligen Aufnahmen der Beginner und anderer Hip Hop Formationen, bei denen er als Produzent in Erscheinung trat, belegen. Ohne Skrupel aber mit Respekt vor den alten Meistern hat er sich daran gesetzt, Werke von Mendelssohn, Schubert, Tschaikowsky, Wagner, Holst u.a. namhaften Komponisten zu bearbeiten. Und bearbeitet beinhaltet hier einen völlig freien Umgang mit den Vorlagen - ein Re-Komponieren also, wie es im Titel treffend heißt. Zugrunde liegen dabei Aufnahmen der Berliner Philharmoniker unter Karajan, von denen die meisten zwischen 1964 und 1972 (mit einer Ausnahme von 1982) eingespielt wurden. Und die Rechnung geht für das Album in seiner Gesamtheit auf. Die Vorlagen wurden gehört, unterteilt, umgemodelt und mit Dubelementen ergänzt. Zum Teil wurden sogar Passagen weggelassen. Warum auch zu sehr am Original kleben, wenn es anders, frecher und für den neuen Kontext sinnvoller geht? Wie er selbst sagt, ist "das Element, das alles zusammenführt und neu macht, die Bassline". Ergänzen kann man sicherlich noch die anderen Zutaten, wie zum Beispiel die Perkussion (für die auch an einer Stelle Felix Wolter verantwortlich ist), doch bleibt das Substrat der Bass. Während ich beim ersten Hören einer vom Album isolierten Aufnahme zu Thomas Albinoni's "Adagio in G Minor for Strings & Organ" fand, dass es zwischen den alten und neuen Elementen weniger ein Mit- als ein Nebeneinader gibt, muss ich das jetzt revidieren: das ganze Album entwickelt ganz andere Qualitäten und mit der Zeit wachsen die Elemente zusammen bzw. beziehen sich aufeinander. "Deutsche Grammophon ReComposed" ist also eher als Gesamtkunstwerk anzusehen! ... Kaum habe ich das getippt, will ich dennoch abschließend die Aufmerksamkeit auf das aus meiner Sicht herausragendste Stück Musik des Albums lenken. Denn bei der Bearbeitung von der Symphonie Nr. 9 e-moll op. 95 "Aus der neuen Welt" (Adagio - Allegro Molto) von Dvorák gibt Onejiru ihre tolle Stimme dazu und gibt ein Lied über die Sklaverei zum besten. Das ist eine unerwartete, zusätzliche und wunderbare Note, die dem Gesamtwerk hinzugegeben wurde. Ob das Projekt, wie geplant, aber auch mit 4 Streichern und Band live funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Bis dahin kann man sich erst einmal an diesem Album abarbeiten und satt hören.

Karsten Frehe



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