Various
"BABA BOOM"
(Trojan/Sanctuary/Rough Trade - 2004)
Festival Reggae?
Die Musik, die ich zum ersten Mal als Festival Reggae hörte, fand
ich damals recht plätschrig: einfache gestrickte, fröhliche
Melodien. Nichts für hartgesottene Dreadies! Doch diese Reggae-Spielart
hat ihren ganz besonderen Reiz, insbesondere, wenn die Hintergründe
bekannt sind. Seit 1965 gibt es einen Musikwettbewerb beim jährlichen
Festival für jamaikanische Kunst und Kultur. Zahlreiche Band spielen
auf, konkurrieren um die Gunst des Publikums. Der Song, der am besten
einschlägt, gewinnt. Also müssen die Melodien und Texte einfach
und eingängig sein, damit sie sich sofort ins Ohr bohren und die
Festivalbesucher gleich mitswingen und -singen können.
Viele Festival-Winner wie "Bam bam", "Ba ba boom"
oder "Cherry oh baby" stürmten die Charts und sind auf
unzähligen Oldies-Compilations zu finden. Auf der "Baba boom"-Doppel
CD, die alle Sieger von 1965 bis 1974 präsentiert, stellen die
Loser deshalb die eigentlichen Winner dar: Unter den wenig bekannten
Tracks tummeln sich bekannte Namen und völlig kryptische Interpreten,
die jedoch fast ausnahmslos erstaunlich schöne Rocksteady- und
Reggae-Tunes abliefern. Gut lässt sich verfolgen, wie die verschiedenen
Komponisten versuchen, der Maxime der Ohrwurmtauglichkeit zu genügen.
Bei vielen haut das hin, und es verwundert, dass nicht mehr Songs in
die Top Ten kletterten. Bei ganz wenigen geht das Experiment allerdings
in die Hose. Das tut "Baba boom" keinen Abbruch: Musikalisch
und konzeptionell stellt die Compilation einen absoluten Leckerbissen
dar. Und wer zu faul ist, die Liner Notes zu lesen, hört einfach
bei Dillinger's "Festival Rock" zu: Der erzählt, welche
Songs bis 1973 gewonnen haben.
Jürgen Reggaedoctor"
Schickinger