'Dub
Side of the moon''s aim is to split that beam into reggae´s red,
gold and green without sacrificing the nuances that made the original
so powerful." (Easy Star Label-comment)
EASY
STAR ALL-STARS
"Dub Side Of The Moon"
(Easy Star/EFA - 2003)
(Hot Record/Rough Trade - 2004)
Im Hause Easy Star
in New York ist in dreijähriger Arbeitszeit ein Album entstanden,
das seinesgleichen sucht. In liebevoller Arbeit wurde das PINK FLOYD-Meisterwerk
und Konzeptalbum "The Dark Side Of The Moon" neu eingespielt
und in die Sprache der Riddims jamaikanischer Reggae-Musik übersetzt.
Das Ergebnis ist so großartig wie verblüffend.
Die Idee zu diesem
Album empfing Labelchef LEM OPPENHEIMER während eines Spaziergangs
durch downtown New York 1999 selbst. In den Liner-Notes zum Album beschreibt
er ausführlich die Bedeutung und Faszination von "The Dark
Side Of The Moon", die das Werk in seiner Jugendzeit auf ihn ausübte,
wie auch die gedankliche und ausführende Entstehung des Werks,
das drei Jahre Produktionszeit umfasste und zu jeder Zeit der Einspielung
mit dem oben genannten Label-Statement zur Einführung korrespondierte.
Der US-Veröffentlichungstermin
von "Dub Side Of The Moon" wurde zum 30-jährigen Jubiläum
des Originals im Februar 1973 festgelegt; drei Monate später erschien
das Werk erstmals in Deutschland. Inzwischen wurde es auf Hot Record
neu aufgelegt - ein willkommener Anlass, es an dieser Stelle als Dub-Aroma
des Sommers zu präsentieren.
Es braucht viel
Phantasie, sich vorzustellen, wie ein solch vielschichtiges Konzeptalbum,
ein Klassiker der Moderne, dazu noch eine von seiner philosophischen
Gestaltung her linksliberale heilige Kuh der westlichen Welt, handwerklich
eine Übersetzung in jamaikanische Musikalität und Lebensart
erfahren kann. Entsprechend übertrifft das Album alle Erwartungen.
Eingeläutet
wird "Dub Side Of The Moon" gleich passend mit rituellem Nyabinghi-Drumming,
das in das langsam wachsende Opening 'speak to me' zu 'breathe in the
air' integriert ist. Vorgetragen von SLUGGY RANKS auf Reggaebasis in
Reinkultur nimmt 'breathe in the air' den Zuhörer gleich mit in
eine heitere Reggae-Grundstimmung. Der Text - der vom menschlichen Absturz
durch Machtallüren und Selbstgerechtigkeit handelt - wurde leicht
gekürzt und dadurch manifestiver. 'On the run' wurde passend einer
Drum´n Bass-Kur zugeführt und bleibt eng am Original. Statt
unzählig klingelnder Uhren wird 'time' mit einem Hahnenschrei eröffnet,
passend zum karibischen, nicht rund um die Uhr verpflichteten Zeitgefühl.
Anfangs prächtig von vokalistischen Dancehall-Manierismen aufgelockert,
findet der Track letztlich doch durch den moralisch-strengen Zwischenpart
gen Ende zum Original zurück. KIRSTY ROCK gestaltet stimmlich ausgezeichnet
'the great gig in the sky', eine besonders brillante Leistung, wie dieser
Tune fast selbstverständlich in den Reggae übertragen wurde.
Heiterkeit kommt
auf, wenn 'money' nicht durch klingende Kassen und Münzen eingeläutet
wird, sondern durch Blubbergeräusche großräumig wirkender
Inhaliergeräte, wie sie beispielsweise zur Einatmung des Drogenwirkstoffs
THC benutzt werden. Ein Kick zum veränderten Wert- und Zeitbewusstsein
unter sanften Drogen, ein weiterer zur stetigen Nichtvorhandenheit von
Geld in Riddim-Communities und der dritten Welt. Bei diesem karibisch
unbekanntem 'take five'-Rhythmus halten sich die Riddims freilich im
Hintergrund, für die Wirkungskraft wird ein kraftvoll sich streckender
Dancehall-Part eingefügt. Prima!
Die letzten Zweifel
am Gelingen des Werks verschwinden mit dem Vortrag von 'us and them'
durch FRANKIE PAUL. Auf genussvollen Riddims tunt Paul den Song - im
Original in Gestus und Stil eines verwirrten Kriegsveterans vorgetragenen
- zu einem vortrefflichen Antikriegs-Reggaetune um.
'Any colour you like' wird zur fulminanten Dubplate, 'brain damage'
und 'eclipse' - die Ausklangtracks als Synthese der Verwirrung und Entfremdung
des Menschen von sich selbst durch Krieg und brutalen Kapitalismus,
mit ihrem psychedelischen Timbre sind schließlich Fingerübungen
kunstreicher Übersetzung: Auf diese Weise würde kein Reggae-Musiker
Songs schreiben.
Vier Bonustracks
sind Zeugnis, wie sich das Werk anhörte, wenn man es konsequent
zu einem Dub-Album gestaltet hätte. 'Great dub in the sky' ist
ein köstlicher Geniestreich, 'time version' nicht minder. Die beiden
letzten sind Versionen von 'any colour you like' mit stimmlicher Unterstützung
von RANKING JOE.
"Dub Side Of
The Moon" ist eine fulminante musikalische Demonstration der Vielseitigkeit
von Reggae-Musikern. Auch in den schwieriger in den Reggaekosmos zu
transformierenden Passagen ist dem Album keine Angestrengtheit oder
Bemühtheit anzumerken, sondern brilliert mit souveränen Ideen
und Lösungen. Absolute Empfehlung!
Das Original "The Dark Side Of The Moon"
Für PINK FLOYD
war das 1973 erschienene Album "The Dark Side Of The Moon"
ein musikalischer Bruch mit ihrer psychedelisch-experimentellen Seite,
die zwei Jahre zuvor noch im Endlos-Trip 'echoes' gipfelte. Ein experimentelles
Album wurde es dennoch: ein zauberhaftes Werk voller damals verblüffender
Sounds, Ideen, Songstrukturen und Kritik an modernen Lebenshaltungen
und Lifestyles (Selbstentfremdung des Menschen, die kriegerische Ambition
des Kapitalismus, die im Extremfall zu Problemverdrängung und Schizophrenie
führt). Zwei Singles, 'money' und 'time', trugen Melancholie und
Nachdenklichkeit in die damals von beschwingter Fröhlichkeit wie
kraftvollen Rocknummern bestimmten internationalen Charts.
Trotz seiner anspruchsvollen
Themen, seiner musikalischen Gestaltung und seiner Düsterkeit wurde
das Album zum größten Longseller aller Zeiten - durch seine
Wiederveröffentlichung auf CD überschritt es 1988 die 700-ste
Woche seiner Führung in den US-Billboard-Charts - angesichts heutiger
Verkaufs-Halbwertzeiten ein geradezu unvorstellbares Phänomen.
Dazu trug mit Sicherheit die facettenreiche Stilvielfalt wie auch ein
hauchzart das Album durchwirkender Souleinfluss - den es so bei PINK
FLOYD davor wie danach nicht mehr gab - bei.
Berhard Groha
www.dub-o-rama.de
Ganze 30 Jahre ist es her, dass Pink Floyd mit
"Dark Side Of The Moon" einen ihrer Meilensteine veröffentlicht
haben. Bei den eingefleischten Fans war das Album seinerzeit nicht ganz
unumstritten, galt es doch insgesamt als deutlich gefälliger als
die Vorgänger. Zum Jubiläum gibt es nun ein Tribut ganz unerwarteter
Art. Die Easy Star All-Stars transferieren das Werk in die Sphären
des Dub & Reggae. Das klingt zunächst etwas komisch und lässt
Peinlichkeiten erwarten, entfaltetet aber schon schnell seine ganz eigenen
Reize. Zusammen mit so renommierten Künstlern wie Dr. Israel, The
Meditations, Frankie Paul und Ranking Joe schreiten die Easy Star All-Stars
die Originalabfolge der Titel entlang, behalten die Grundzüge bei,
streuen hier und da ganz eigene Anteile hinein und verpassen dem Überalbum
so ein ganjageschwängertes Gewand. Allen voran überzeugen
dabei Dr. Israel mit "Brain Damage" und Ranking Joe als Deejay
bei "Time". Als Bonus gibt's vier Zugaben, die das Album gelungen
abrunden.
Karsten
Frehe (Szene Hamburg Juli 2003)