The
Heptones
"Peace
& Harmony. The Trojan Anthology"
(Trojan/Rough
Trade - 2004)
Die britischen Indie-Helden
The TV Personalities nannten eines ihrer Alben They Could Have Been
Bigger Than The Beatles. Auf den jamaikanischen Kontext übertragen
hätte dieser Spruch lauten müssen: "They Could Have Been
Bigger Than The Wailers". Und wenn dieser Spruch je auf eine Band
zutraf, dann auf die Heptones. Das 1965 von Leroy Sibbles, Barry Llewellyn
und Earl Morgan gegründete Vokaltrio veröffentlichte in den
ersten 15 Jahren seiner Existenz eine nicht abreißende Reihe Tracks
von gleichbleibend hoher Qualität für verschiedene Produzenten.
Die meiste Zeit ihrer Karriere verbrachten die Heptones bei Coxsonne
Dodd, wo sie die Wailers als Hitlieferanten ablösten. Auf Peace
& Harmony sind ausschließlich Songs zu hören, die in
Zusammenarbeit mit anderen Produzenten entstanden sind (weshalb die
CD auch ein guter Companion zu den Heartbeat/Studio One-Compilations
wie Sea Of Love ist). Der Reigen wird von den ersten vier Aufnahmen
unter der Ägide von Ken Lack für das Carltone-Label 1966 und
1967 eröffnet (Tipp: "Ain't That Bad" mit seinem kurzen
aber genialen Melodica-Solo). Bereits auf diesen Aufnahmen entfalten
die geschlossenen Harmonien des Trios vom ersten Moment ihre hypnotische
Wirkung. Kurze Zeit nach dem Wechsel zu Coxsonne nahm Leroy Sibbles
eine Schlüsselposition ein, sowohl innerhalb des Trios wie der
Studio One-Maschinerie, in der er als Sessionbassist und Arrangeur tätig
war. Nach den Ken Lack-Tracks wird die Compilation mit einer Reihe Joe
Gibbs-Produktionen aus dem Jahr 1971 fortgesetzt, an die sich Aufnahmen
unter den Ägiden von Sonia Pottinger, Winston Blake, Alvin Ranglin
und Geoffrey Chung aus den Jahren 1971-73 anschließen. Erst mit
den Tracks, die sie 1973 und 1975 für Harry J(ohnson) aufnahmen,
verließen die Heptones die von den Beatles (eines ihrer größten
Vorbilder) vorgegebene Boy-Meets-Girl/Man-Am-I-Lonely-Liebes- und Schmachtlyrik
zugunsten solcher Consciousness-Tracks wie den Hits "Cool Rasta"
(einer Art Update der Message, die einst den Wailers mit "Simmer
Down" ihren ersten Hit einbrachte) und dem ultimativen Heptones-Klassiker
(und einer der Reggae-Hymnen schlechthin) "Book Of Rules".
Die zweite CD von Peace & Harmony versammelt Produktionen mit u.a.
Gussie Clarke und Lee Perry aus den Jahren 1973 bis 1979, darunter das
durch die Perry-Soundmaschine gedrehte und ergo vollkommen verrückte
"Babylon Falling", das auf dem alten Bubblegum-Pop-Hit "Na
Na Hey Hey Kiss Him Goodbye" basiert. Es ließe sich noch
viel über die Heptones und ihre besondere Stellung innerhalb der
jamaikanischen Musik sagen (schließlich haben Sibbles, Llewellyn
und Morgan nicht nur ihre eigenen Kompositionen mit ihren grandiosen
Harmonien verziert, sondern auch andere Klassiker wie z.B. Junior Murvins
"Police And Thieves" oder Max Romeos "War Inna Babylon").
Darüber hinaus müssten sicherlich noch viele Worte über
das Mysterium ihrer immer noch andauernden Obskurität angesichts
der unglaublichen Qualität ihrer Musik verloren werden (ganz zu
schweigen von der besonderen Stellung Leroy Sibbles, dessen Komposition
"Full Up" zu Beginn der 80er Jahre von Musical Youth als "Pass
The Dutchie" weltberühmt wurde; eine Tatsache, die Beenie
Man 1994 in "The Original Full Up" klarstellte) - aber das
würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Was aber ganz klar
gesagt werden kann, ist, dass diese Doppel-CD die bisher beste und am
breitesten angelegte Compilation des non-Studio One-Materials der Heptones
ist - obwohl "Peace & Harmony" angesichts der Materialfülle
nur ein Anfang sein kann.
Ralf Bei der Kellen