...ein
Album, zwei Meinungen....
Lee "Scratch"
Perry / Various
"Cutting Razor"
Rare Cuts From The Black Ark
(Heartbeat/EFA 2003)
Perry-Compilations
gibt's wie Sand am Meer. Zu groß ist die Versuchung, Standardmaterial
und irgendwelche kryptischen Perry-Produktionen zusammen zu klatschen,
weil sich verkauft, wo Perry drauf steht, auch wenn kein Perry drin
steckt. Doch "Cutting Razor" gehört erfreulicherweise
nicht in diese Kategorie. Hier lauern tatsächlich ein paar Kleinode
darauf, erstmals das Trommelfell der Scratch-Jünger zu kitzeln.
Unter den vier alternate Takes und Mixes sowie den acht angeblich bisher
unveröffentlichten Tracks verstecken sich etwa "Staring"
und "Judgement" von Time Unlimited, bei denen der junge Junior
Delgado ertönt. Allerdings lassen die Hinweise zur Exklusivität
an Richtigkeit zu wünschen übrig - wie schon bei der "Baffling
Smoke Signal"-Compilation. So preist Heartbeat etwa Evan Jones'
"4 and 20 dreadlocks" auf "Cutting Razor" als Erstveröffentlichung
an, obwohl der Song schon auf "Heart of the Ark Vol. 2"-Zusammenstellung
enthalten war. Ts, ts. Das tut jedoch der Tatsache keinen Abbruch, dass
das Album viele schöne, weniger bekannte Perry-Produktionen versammelt
und musikalisch überzeugt. Aber ein bisschen meckern muss halt
sein......
Jürgen
"Reggaedoctor" Schickinger
Ja, ich kann keinen
Hehl daraus machen: ich bin der Frühphase von Lee Perry's Werk
aus den Black Ark Studios verfallen! Während die halbe Welt immer
das Studio One an erste Stelle setzt, liegt es bei mir knapp hinter
den Produktionen des Madmann. Innovativ und rastlos war er zu dieser
Zeit tätig und so verwundert es nicht, dass nach wie vor unveröffentlichtes
Material aus den Archiven gezaubert werden kann. Auf der neuen Zusammenstellung
von Heartbeat sind es insgesamt 8 unreleased Tracks und 4 bislang nicht
zu hörende Alternativ Mixe von Black Ark-Produktionen. Bei insgesamt
17 eine ergiebige Ausbeute an "neuen" Titeln - es lohnt sich
also! Und das vor allem deshalb, weil das, was dort aus den Regalen
geholt wurde, auch noch wunderbar und weit weg von zweiter Wahl ist.
Allen voran sind hier das schöne "4 and 20 Dreadlocks"
von Evon Jones mit einer bestechend netten, an Kinder- oder Weihnachtslieder
erinnernden Melodie sowie "Judgment" von Delgado & Co
als Time Unlimited zu nennen. Zudem gibt's unveröffentlichte Tunes
von Junior Murvin ("Mister Craven" & "Let's Fall
In Love"), The Upsetters ("Walk The Streets"), Lee Perry
("What A Sin") und mit "Staring" einen weiteren
Titel von Time Unlimited zu hören. Nebst den Alternative Takes
von z.B. Junior Byles and The Versatiles "Cutting Razor" und
tollen Versionen, die bereits erschienen sind, gerät die Zusammenstellung
des Albums "Cutting Razor" zu einem Juwel. Vergleichbar ist
es mit der "Baffling Smoke Signal"-Compilation
aus dem letzten Jahr, die ebenfalls auf hohem Niveau daherkam. Unlängst
wurde Perry in diesem Jahr mit einem Grammy bedacht. Das war insofern
merkwürdig, als er ihn für sein Lebenswerk und nicht für
ein aktuelles Album verdient hätte, doch letztendlich kommt der
Preis einem Mann zugute, der viel für den Reggae getan hat und
einer der absoluten Pioniere des Genres ist. "Cutting Razor"
legt als komplettes Album erneut Zeugnis von seiner ungeheuren Kreativität
ab und ist ohne Einschränkung zu empfehlen!
Karsten
Frehe