Inna de Yard im Nationaltheater Brüssel

Das Musiker- und Rastafari-Kollektiv namens Inna de Yard wird mitunter als eine Art Buena Vista Social Club Jamaikas beschrieben, jedoch verbirgt sich hinter diesem Zusammenschluss von Veteranen und jungen, aufstrebenden Stimmen in Jamaika viel mehr.

Was ursprünglich auf der Terrasse von Gitarrenlegende Earl „Chinna“ Smith als offene Jamsession und spirituellem Reasoning begann (und noch immer praktiziert wird!), wurde über die Jahr in eine, von Nyahbingi-Trommeln und Akustik Instrumenten dominierte Bühnenshow übertragen. Durchaus selten, jedoch in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen haben hiesige Rootsreggae-Liebhaber die Chance das Inna de Yard Kollektiv auf europäischen Bühnen zu bestaunen. Nachdem ich die zwei einzigen Auftritte des diesjährigen Festivalsommers verpasst habe, war die Vorfreude umso größer, ein Inna de Yard Konzert Ende Oktober in Brüssel besuchen zu können. Im Zuge des einwöchigen Festival des Libertes 2017 im belgischen National Theater, welches aus Filmvorträgen, Diskussionsrunden und Musikbeiträgen verschiedener Genres bestand, lag der Fokus am Abschlusstag auf Jamaika. Neben den Musikern und Sängern von Inna de Yard standen noch Ken Boothe und der Dub-Poet Linton Kwesi Johnson auf der Bühne.

Samstagvormittag, die Autofahrt von Frankfurt nach Brüssel verlief durchaus kurzweilig und so stehen wir rechtzeitig im Eingangsfoyer des Theaters. Unser Weg führt über die kostenlose Garderobe, zu einer schnellen Bierverköstigung direkt in den Innenraum des Hauptsaales. Das Bühnenbild lässt mit der großen Basstrommel, mehreren „Bingi Drums“, Akustik Gitarre und Bass, Melodika, Keyboard, Posaune und Perkussions bereits erahnen, wo die musikalische Reise dieses Abends hinführen wird. Rootsreggae inna Nyahbingy Style!!! Wenig später kommen die Künstler auf die Bühne. Neben den Musikern Winston „Boo Pee“ Bowen (Gitarre), Franklyn „Bubbler“ Waul (Keyboard, Melodika), Eric „Bongo Jo“ McDonald (Perkussions, Trommel) etc. kommen mit den Sängern Derajah (Solokünstler),Var (Leadsänger bei Pentateuch) und Kush McAnuff (Drummer + Leadsänger bei Uprising Roots Band) drei Vertreter der jungen Generation jamaikanischer Künstler auf die Bühne. Daneben vervollständigen die Sänger Kiddus I, Cerdic „Congo“ Mython, Winston McAnuff und Ken Boothe, mit zusammen knapp 200 Jahren Bühnenerfahrung, das Liveset.

Als erstes Stück singen Kiddus I, Cedric Mython und Winston Mcanuff eine akapella Version von “Lion of Judah” bevor bei Kush McAnuffs „Black To I Roots“ der erste markerschütternde Bassschlag ertönt. Der erstklassig abgemischte Sound in Kombination mit der besonderen Atmosphäre dieses Theaters versprach bereits von Beginn an ein ganz besonderes Konzerterlebniss. Als nächster Künstler löst sich Kiddus I aus dem „Bandverband“ und liefert mit „Survive“ und „Salvation“ zwei starke Versionen seiner Songs ab. Mit Ken Boothe betritt danach eine weitere Musik-Legende Jamaikas die Bühne. Den Foundation-Klassiker „Black, Gold & Green“ im akustischen Niyahbingi-Gewand empfand ich als besonderes Highlight des Abends. Aber auch der Song „Let The Water Run Dry“ darf bei Ken Boothe Auftritt nicht unerwähnt bleiben. Als Derajah zusammen mit „Bubbler“ Waul an der Melodica den Song „Ooh Yeah Yah“ performt und gemeinsam mit dem Publikum singt, entsteht ein ganz besonderer Vibe. Und genauso geht es weiter. Künstler nach Künstler performen ihre Songs und sorgen für musikalische Höhepunkte am Fliessband. Cedric „Congo“ Mython forderte bei „Fisherman“ den einzigen „Pull up“ des Abends ein, welcher prompt von seinen Bredrins im Akustik-Style umgesetzt wurde. Im ersten Moment für manche im Publikum gewöhnungsbedürftig, passte diese Emotion meiner Meinung nach absolut in die energetische Bühnenpräsenz von dem Veteranen Cedric „Congo“ Mython. Eine Mischung aus Energie und Emotion war es wohl auch, die Winston McAnuff später bei seinem Song „Ras Child“ mitten ins Publikum trieb, um dort auf dem Rücken liegend zu singen. Winston McAnuff betrat erst zum Ende der Show wieder die Bühne. Var und Derajah performen gemeinsam „Be Carefull“ von Matthew McAnuff (†2012). Beide stehen an der Seite von Vater Winston, ein wirklich emotionaler Auftritt, welcher besonders durch die Interaktion mit dem Publikum ein weiteres, klares Highlight des Abends darstellte.

Insgesamt ein herausragendes Konzerterlebniss, bei der es jeder einzelne Tune verdient hätte, ausführlich beschrieben zu werden. Bleibt zu Hoffen, dass es im nächsten Jahr die Möglichkeit gibt, das Kollektiv um Inna de Yard auf europäischen Konzert- bzw. Festivalbühnen zu bestaunen. Wer solange nicht warten möchte oder generell den Inna de Yard Vibe für zuhause sucht, dem lege ich das im März bei Chapter Two Records erschienene Album „The Soul Of Jamaica“ an Herz. Hierbei handelt es sich um das erste Inna de Yard Album seit 2010. Aufgenommen wurde „The Soul of Jamaica“ in Kiddus Is Haus in den Bergen um Stoney Hill und nicht in einem konventionellen Studio. Dieser Hintergrund zusammen mit den herausragenden Musikern und den richtigen Produzenten machen dieses Projekt so besonders. Inna de Yard „The Soul of Jamaica“ zählt meiner Meinung nach, nicht nur zu den Besten erschienen Roots Alben dieses Jahres, sondern geht weit darüber hinaus. Seit dem 27. September ist auch eine Bonus Edition mit 4 zusätzlichen Songs auf Vinyl und CD erhältlich.

Text: Kai “Roots” Holzmann

About Rall-Fi

RALL-FI is an selector, lightman, promoter. He is part of IRIEITES-Germany and BASSMENT SESSION CREW in Frankfurt. Back in the days he started as a graffiti writer and hiphop DJ in 1997 in East Germany.