Bad Manners, Tourauftakt im Z-Bau, Nürnberg, 10.1.18

Zehn Konzerte spielt Buster Bloodvessel (der Herr mit den orangefarbenen Socken auf dem Bild), der dieses Jahr 60 wird, auf der aktuellen Tour mit seinen Bad Manners – ohne einen einzigen neuen Song. Das letzte Album erschien im Jahr 2003. Ich fand das Konzert öde, aber völlig egal: Dem Publikum in der gut gefüllten Galerie des Nürnberger Z-Baus gefiel’s scheinbar ausnahmslos. Obwohl es stark verspätet anfing, mit nur 75 Minuten auch von der Länge her nicht ganz angemessen war bzw. nicht den 42 Jahren Musikgeschichte Rechnung trug, die der Sänger auf dem Buckel hat – und obwohl / weil das Ganze vor allem Party, Party, Party, Geschrei, Stompin’ & Jumpin’ war.

Vielleicht liegt in dieser Einfachheit und dem Konzept “purer Spaß” das Geheimnis, das sich mir dann mal weiterhin verschließt. Gespielt wurden die Kracher wie “Lip Up Fatty” aus dem 1. Album, wo Buster seinen eigenen Bauch andauernd einbezog und beklopfte, das ebenfalls höchst intellektuelle “Ne Ne Na Na Na Na Nu Nu”, auch aus dem 1. Album, und das stimmungsvolle “Inner London Violence”, das in der Location leider nicht im kristallklarsten Sound aufging.

Eine dramaturgische längere Bläser-Instrumental-Sequenz in der Mitte des Konzerts wurde vom Publikum als Anlass zum Getränkenachholen und Sich-Unterhalten genutzt, und es dauerte dann etwas, bis die Aufmerksamkeit wieder aufs Bühnengeschehen zurück gelenkt werden konnte; im Publikum hatten sich nun anscheinend viele viel zu erzählen. Für mich waren diese zwei langen Instrumentalstücke das Highlight des Abends, da konnte man mal abschalten…

Ansonsten hieß es “Action” und “Mitmachen”! Das finde ich bei Ska-Veranstaltungen manchmal etwas mühsam – hier fehlte mir die Dramaturgie, und so auf Kommando und Knopfdruck kann ich nicht Party machen und herumhüpfen, dazu brauche ich schon einen echten musikalischen Anreiz, den Funken, der überspringt. Und: Da ich ja “dienstlich” vor Ort und eigentlich zu einem Interview mit der Band im Anschluss verabredet war, habe ich mich alkoholisch betrachtet zurückgehalten. Dann aber erreichen einen die Vibes nicht so wirklich. Bier ist im Grunde bei solchen Events der Star. Weitere Stars waren das Saxophon und die Trompete – sie geben diesem Sound erst ihren Schliff.

Party Time

Das Publikum befragt habe ich nicht, bin mir aber sicher: Nach einem Konzert wie diesem erhält man die einheitliche Antwort: “War eine Riesenstimmung!” – Nachfrage, “und warum?” – “Weil einfach echt eine Riesenstimmung war.”

Da in großen Teilen weitgehend das Debütalbum von 1980 heruntergespielt wurde, frage ich mich, weshalb dann insgesamt noch acht weitere aufgenommen wurden… Gut, eines davon war “Fat Sound”, das überwiegend aus Coverversionen quer durch die Welt von Rock’n’Roll, Blues, Classic Rock, R & B und Roots Reggae enthält, darunter mehr oder minder gelungene. Die starken wie “I Can’t Stand The Rain” und “Midnight Rider” wurden … nicht … gespielt. Die penetrante Version von Marcia Griffiths “Feel Like Jumping” musste sein – damit die Deutschen, die (aus Sicht der angereisten Engländer) kaum Englisch können, gleich verstehen: Ah, “Jumping”, ich muss was tun! Ich habe den Eindruck, so funktioniert Ska – oder zumindest auf dieser Schiene mit der Marke Bad Manners.

What is ska?

Pauline Black von The Selecter, die in derselben Location zwei Monate vorher auftrat, distanziert sich von Ska als Saufen, Springen, Spaß. Das sei nicht ihre Welt, ihr gehe es um die Aussage – und außerdem hätten diverse Bands der TwoTone-Welle sich nur an den zeitweiligen Beliebtheitswellen dieser Musik bereichert, keinen Input geliefert und sich Backstage ein schönes Leben gemacht und nie ein Autogramm gegeben, jede Tuchfühlung mit Fans vermieden – gleichzeitig aber suggeriert, sie seien die einfachen Jungs von nebenan, die Unterschicht, street credible. Besonders zu Jerry Dammers von den Specials fielen der Grande Dame des TwoTone keine netten Komplimente ein.

Mir fielen zunächst mal 30 Interviewfragen an die Bad Manners ein, die ich aber nicht loswurde, weil das Interview entfiel. Im Nachhinein wurde mir erklärt, das liege am Tourauftakt und der langen Anreise. Der Gitarrist machte mir den tollen Vorschlag, dass ich ihnen jetzt durch Deutschland hinterherreise. Ich hab ja sonst nix zu tun, oder? Auch ein Telefoninterview wurde mir angeboten, aber keine Telefonnummer herausgerückt. Gut, dass wir das Interview einen Monat vorher verabredet hatten. Ich war jedenfalls da – und wartete noch eine Stunde lang umsonst.

 

The interview that never was

Der hier sehr charmant lächelnde Herr ist Mark, der momentane Gelegenheits-Drummer, während er mir ankündigt, dass er alles im Griff habe und sich um das Telefoninterview kümmere. Die Zigarette hatte er vorher in einer langen Diskussion beim Gitarristen erbettelt, der sie wiederum in der Location beim Personal erschnorrt hatte. Das lief alles während unseres Interview-Time Slots. Den “Chef”, Buster, bekam ich gar nicht zu Gesicht. Noch während ich da den Schlagzeuger fotografierte, setzte sich der Transporter in Bewegung und die Band rollte von dannen. Gut, dass ich mal dabei war.

Achso, und der Höhepunkt des Sets war “Can’t Take My Eyes Off Of You”. Sollte jemand von euch, der das jetzt liest, eine Band gründen oder einen Film drehen wollen: Covert das Lied auf j.e.d.e.n. Fall oder baut es in die Filmhandlung ein. Kommt immer gut. Wikipedia listet erst 64 Coverversionen. Da ist noch Platz! Kann jeder mitgrölen. Läuft… Wegen der Tour solltet ihr euch über Tickets vor Ort genau informieren, denn in manchen Locations sind Konzerte schon ausverkauft. Gute Chancen hat man laut Tourveranstalter am 18.1. noch in Bremen.

Philipp Kause

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.