Summerjam, Köln, 6.-8.7.18, Vorschau #1 – Trettmann, Tarrus Riley, The Skints, Dactah Chando, Tóke, Afrob, Chronixx, Jahmiel, viel Deutsches

Vor ein paar Tagen hätte ich noch Wetten darauf abgeschlossen, dass Chronixx dieses Jahr auf dem Summerjam auftritt, denn nach den Jahrgängen 2013 und 2016 war damit zu rechnen, dass er die Songs seines Debüt-Albums “Chronology” auch in Köln vorstellt – aber eben nach einem Jahr des Aussetzens. Zwei Jahre “in a row” wird selten jemand geholt. Und, Volltreffer, das stimmt – das Kommen von Chronixx wurde gestern mit dem zweiten Schwupps an Artist-Ankündigungen bestätigt. Und ich denke, dass es bei diesem einen Termin in Mitteleuropa nicht bleiben wird, lohnt sich der zwar erst 25-jährige, aber recht bekannte Chronixx aufgrund seiner “Preisklasse” für die Veranstalter wohl nur noch im Rahmen einer Tournee.

In Deutschland spielte er 2017 auf dem Ruhr Reggae Summer, und man kann aus diesem Auftritt schließen, dass es wie gehabt mit “Here Comes Trouble” losgeht und dann alte und neue Tunes bunt in der Setlist durchgemischt sind. “Capture Land”, “Smile Jamaica” und “Who Knows” gehörten bisher oft zu den Performances der Größenordnung 60 – 90 Minuten, während er aus seinem “Roots & Chalice”-Mixtape von 2016 hingegen bisher in Europa kaum etwas spielte. Hits hat er ja nun recht viele.

Die alphabetische Liste der Acts: 3Plusss, Ace Tee & Kwam.E, Afrob, Alkaline, Bausa, Charly Black, Chefket, Chronixx, Kelvyn Colt, Dactah Chando, Dellé*, Dendemann, Füffi, Ganjaman*, Gentleman, I Salute, Inner Circle, Yaw Herra, J Hus, Jace, Jahcoustix*, Jahmiel, JONESY, Konshens, Lary, Ziggy Marley, Marteria, Christopher Martin, MHD, Miwata, Naâman, Nugat, Tarrus Riley, Rin, Romano, The Skints, SOJA, Richie Stephens & Ska Nation, Stonebwoy, Sebastian Sturm*, Tóke, Trettmann, Ty $. Die mit * gekennzeichneten Acts spielen nicht auf den beiden großen Bühnen. Einige stehen noch nicht fest und folgen später. Das Summerjam hat dieses Jahr als erstes die Mehrzahl der Namen bekannt gegeben und macht deshalb den Auftakt in unserer Open Air-Festival-Vorschau.

Die wirklichen Magneten scheinen aus Summerjam-Eventplanungs-Sicht längst dem HipHop-Lager zugerechnet zu werden. Summerjam teilt sich stets in Red und Green Stage, wobei die Red Stage die “prominentere” ist, sprich vom WDR-“Rockpalast” nahezu non-stop gefilmt wird. Die Mitschnitte sind danach über Jahre bis Jahrzehnte online zu sehen, was die Zeitlosigkeit unterstreicht. Dass sich auf der gefilmten Bühne, die sich somit als Hauptbühne versteht, fast alle Rapper regelmäßig in den letzten Jahren wiederfanden, während hingegen der Reggae, Dub, Ska, Worldbeat und Dancehall tendenziell auf der “versteckteren” Green Stage vor sich gehen – das legt nahe, den HipHop & Rap als “Zugpferde” zu betrachten, die für volles Haus bzw. volle Flächen sorgen. Der New Yorker Nas war es 2017 (ja, genau der von “If I Ruled The World”!) – und Ty Dolla $ign kommt 2018. Nicht aus den USA jedoch, sondern aus Deutschland kommen dabei die meisten unter den Rappern.

Nicht weit hat es Yaw Herra aus seinem Heimatort Koblenz nach Köln. Er macht Battle Rap. Yo, Bro! Auch aus der Kultur der Battleturniere heraus entwickelte 3Plusss sein Talent. Er hat es noch näher, denn er kommt aus Essen. Zum Zeitpunkt des Summerjam wird er 27 Jahre alt sein. Bereits um die 80 Songs gibt es von ihm, er hat ein eigenes Label namens Selbstgebrannt, und wahrscheinlich ging es an euch Leserinnen und Lesern genauso vorbei wie an mir, dass er mit seinem ersten Album auf Rang 24 der deutschen Album-Charts kletterte. Früher hätte man zu so einem gesagt, er sei ein “Star”. Heute, im Download-Zeitalter, ist das sehr relativ.

Als Star könnte man dagegen Ace Tee wahrnehmen. Die Hamburgerin erfährt interessanterweise in den USA einigen Hype. Auch in der Modebranche ist sie aktiv. Man sagt ihr nach, die raue Oldschool-Hiphop-Klangfarbe der späten 1980er und frühen und mittleren ’90er Jahre aufzugreifen, was sicher für “Bounce in den Jumpa” stimmt. Ich finde sie hingegen innovativ, erkenne in ihren Songs “Nice Aus” &”Bist Du Down?”, die Hiplife und Afrobeats ganz feindosiert integrieren, eine ganz eigene Kreation. Ace Tee reißt zwar auf dem Line Up bisher die Frauenquote, ist aber kein Einzel-Artist, sondern tourt mit Kwam.E, ebenfalls Hiphopper aus Hamburg. Ein Review zu ihrer EP folgt bald hier auf Irieites.de! Brüche, visuelle Reize, Hochgeschwindigkeits-Rap-Passagen, Coolness, Extravertiertheit, verwaschene Abmischungen, eben “Vintage Style” analog zur textilen Mode machen hier das Ganze aus – wie’s wohl live aussieht?

Es gibt noch viele weitere Rapper und viele weitere inländische Künstler (ja, nicht Künstlerinnen und Künstler, auch nicht Künstler_Innen, auch nicht Künstler/innen, Künstler*innen oder so, sondern nur Männermännermänner).

Wechseln wir mal in die Reggae-Fraktion, aufbauend vom historischen Ursprung Ska, dann weiter über Roots zu Lovers’ Rock und Dancehall. Richie Stephens überzeugte zusammen mit seiner Ska Nation bereits im Juli 2017 auf dem konkurrierenden Reggaejam – kurz vor Mitternacht präsentierten sie damals eine neue Single – eine ungewöhnliche Coverversion, die den i-Tüpfel auf ihr sehr tanzbares Konzert setzte: “‘O Sole Mio”, das zu covern nach einem langen Urheberrechtsprozess ziemlich teuer ist. Umso erfreulicher, dass sich eine vielköpfige und wohl stets mit knappem Budget arbeitende Ska-Truppe das “leisten” kann. Hier sind beste Unterhaltung, ansteckende Spielfreude und musikalische Vielfalt zu erwarten.

Kaum zu glauben, ist der jamaikanische Roots Reggae neben Chronixx vor allem durch Jesse Royal vertreten. Der Generationenwechsel scheint vollzogen, das Revival-Lager hat übernommen?! (Generationswechsel ist übrigens ein Begriff aus der Genetik, Generationenwechsel einer aus der Soziologie, das nur für die Sprachpolizei am Rande. Hab ich extra nachgeschaut…) Von Jesse stehen die Songs seines ersten Albums von 2017 an – oder eben: die Songs, die neu hinzukamen, denn zum Beispiel “Finally” spielte er schon im Juli 2015 in Köln auf dem Summerjam. Sich diesen Auftritt auf den Seiten des WDR anzuschauen lohnt! Jesse Royal live ist drei Klassen mit Stern besser als Jesse Royal auf CD.

Mit Fantasie könnte man Inner Circle zum Roots-Bereich zählen, aber reden wir nicht drum herum: Wer Roots-Musik als Hauptattraktion erwartet, ist auf dieser Ausgabe dieses Festivals vermutlich grundverkehrt. Inner Circle rühmen sich ihres 50-jährigen Band-Bestehens, und dass der Slogan “50th Anniversary” Augenwischerei ist, ist einen eigenen Artikel wert. Aber irgendwas muss man ja twittern. Das tut heute nicht nur der der Lindner gerne, sondern auf dem Sprachbröckchen-Trip sind nun auch Inner Circle unterwegs. Ihr Produkt ist jedenfalls super: Im Konzert sind sie mitreißend.

Klar kommen sie öfter mal in Deutschland vorbei, und bei “Bad Boys” tanzen in der Regel wirklich alle mit. Das letzte neue Material stammt aus 2009. Insofern ist hier keine musikalische Entwicklung drin. Aber durch häufige Festival-Auftritte mit bekanntem Hit-Repertoire kennt das Publikum die Songs – ein großer Vorteil für die Stimmung. Auch Ältere werden hier noch vom Campingplatz an die Bühne herangelockt – wobei, reden wir auch hier nicht drum herum:

Zielgruppe des Summerjam 2018 dürfte in erster Linie die Altersspanne 18-39 sein. Die Jungen kennen “Bad Boys” und “Sweat (A La La La La Long)” natürlich auch, aber “Da Bomb” oder das Material der Jacob Miller-Ära überwiegend nicht mehr. “Tenement Yard” wurde mit Chronixx zusammen noch einmal aufpoliert. Seit 2013 ist Trevor “Skatta” Bonnick (der mit den Kids im Bild) der aktuelle Sänger im Inner Circle. – Ein weiterer Ausreißer in Richtung “älteren” Publikums: Gentleman bei seinem zwölften Auftritt auf dem Kölner Summerjam nach 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2005, 2006, 2007, 2010, 2013, 2016. Die Duettpartner der letzten Jahre von einem Mitglied der Kelly Family über Ky-Mani Marley, Aloe Blacc, Sean Paul, Dellé, Christopher Martin, RAF Camora bis zu Stefanie Heinzmann oder den Beginnern zeigen eine chamäleonartige Rolle im Musikbusiness. Ob er’s in Köln auch unplugged versucht?

Für Tóke haben die Aufbauarbeit zwar andere gemacht – doch Punkt fürs Summerjam: Tóke mit rein akustischen Mitteln als One-Man-Show-Version auf einer Festival-Bühne “auszuprobieren”. Das geschah am 29.6.17 beim Pre-Opening, einer erstmals ausprobierten Variante, das Festival mal ein bisschen “anders” im kleinen Kreise zu eröffnen. Der Abend wurde nur auf Facebook promotet und auch das recht vorsichtig. Es war für die Jahreszeit untypisch kühl, schwach besucht. 2018 ist er dort jetzt ein “echter” Bühnen-Act und vertritt aus Deutschland die Roots-Musik. “Open The World”, “Respect”, “Troddin’ With A Vision”, “Pathway Outta Babylon”, einige solcher Publikums-Hits hat er sich jahrelang fleißig erspielt. Der Akustikgitarrist kann mit wenigen Mitteln viel Aufmerksamkeit, auch Achtsamkeit entfalten und eine Show machen, die vom ersten bis zum letzten Ton spannend bleibt, von der man auch immer etwas “mitnimmt” im musikalischen Gedächtnis. Mit seinen Bühnenansagen erzählt er insgesamt eine Geschichte. Wenn die Tonqualität optimal ist, wie im Video unten, lernt man hier Musik (wieder) als handgemachte Sache lieben und schätzen.

Neben Gentleman und Tóke ist auch Miwata vertreten sowie – in einer neuen Präsentationsform namens “Klub Kartell” (Details haben wir dazu noch nicht) – Jahcoustix, Sebastian Sturm, Ganjaman und Dellé. Somit sind die Bekanntesten aus der aktuellen aktiven Reggae-Szene aus Deutschland alle irgendwie im Line Up des Summerjam 2018 platziert. Dellé hatte schon einen großen, sehr elektronischen Summerjam-Auftritt im Sommer 2016. Er macht keinen Reggae. Was er genau macht, ist kompliziert zu erklären und steht hierMiwata tritt gefühlt überall bei allen deutschen Szene-Festivals jedes Jahr auf. Ob es ihm noch Spaß macht, hatte ich bei den drei Malen, als ich ihn Mitte 2017 gesehen habe, starke Zweifel. Als ich ihn im August 2015 traf, wirkte er erkennbar leidenschaftlicher – und war wahnsinnig nett. Damals tourte er noch nur mit Gitarrist und spielte akustisch. Mittlerweile, zurück aus Jamaika, spult er, in grauen Verlegenheits-Outfits, möglichst bewegungslos, die neuen elektronifizierten Sounds ab und sagt zwischendurch so oft es geht “Mad!”, “Mad!”. Die Songtexte wie “Verändert”, “Evergreen”, “Vielleicht” oder “Jamaica Jamaica” werden zwar mit Tempo gespielt, leben aber von der Romantik des Traurigen. “Vielleicht” könnte man es “melancholisch” nennen: “Jedes nicht ganz klare Nein bleibt wohl für immer ein Vielleicht.” “Es hat sich einfach alles verändert. Für immer. Verändert.” “Wir dachten alles wär komplett, es ging mir einfach nur ums Bett.” – Zum Trost hilft vielleicht Honig?

Während Ziggy Marley textlich für die Roots steht, ist er musikalisch stets anderswo unterwegs gewesen. Somit wären wir dann bereits mit den Roots durch und nun im Riddim-Bereich. Christopher Martin, Tarrus Riley, Jahmiel, Alkaline, Konshens und Charly Black sind alle über zahllose Beiträge auf Riddim-Samplern “groß” geworden. Christopher Martin lieferte 2017 ein sehr mäßiges bis durchwachsenes Album – im Konzert fand ich ihn großartig. Bei ihm geht es grundsätzlich um Liebe & Sex – in der Regel tritt er mit Band auf (statt mit Laptop) und hat Musiker und eine Background-Sängerin auf sehr hohem Niveau. Er gehört zum Summerjam schon genauso selbstverständlich dazu wie Tarrus Riley. Der kommt nach 2008, ’11, ’13 und ’15 immerhin zum fünften Mal. Dass er Saxophonist Dean Fraser mitbringt, der vom Alter her sein Vater sein könnte, ist anzunehmen. Weil Tarrus Amerikaner ist, darf er mit Fug und Recht US-amerikanisch klingen, wie hier zusammen mit dem R’n’B-Talent Estelle:

Überhaupt kann man auf dem Summerjam bei den gebuchten Artists meist von einer Show mit Band, teuren Bläsern, Background-Vokalisten usw. ausgehen, all inclusive. Nur Verlass ist darauf eben nicht (Wyclef Jean 2015 mit einem scratchenden DJ, der Ausschnitte seiner Hits mixte). Jahmiel kann zu den Aufsteigern von 2017 im Dancehall, speziell im sanften Dancehall gezählt werden. Ihn live zu sehen, sollte man sich nicht entgehen lassen. Klingt wie eine Floskel – doch entweder wird es richtig gut, weil er sehr starke Melodien und pathetische, traurige, ausstrahlende Songs mitbringt, die so eine Festival-Publikumsmasse ganz gut in andächtiges Mitwogen mit Feuerzeugen versetzen könnten. Oder es kann auch eine unterhaltsame Lachnummer werden, weil Jahmiel flächendeckend über seinen ganzen Gesang Auto-Tuning legt. Das heißt, er lässt unrein getroffene Töne elektronisch ausgleichen. Dadurch klingen sie komprimiert, werden aber mathematisch genau in die Oktavabfolge eingeordnet. Ergebnis: Es singt eine Mischung aus Mensch und Maschine. Dieses Werkzeug handhabt heute zwar fast jeder Mann und fast jede Frau im Pop- und Dance-Bereich, die ins Mainstream-Radio hineinwollen. Spannend ist es, wie sich das in der Konzertsituation entwickelt – denn gerade Jahmiel übertreibt’s mit dem Auto-Tuning im Studio. Zum Highlight könnte es aber noch werden, falls seine Duettpartnerin Shenseea auch eingeflogen würde – die längst einen eigenen Auftritt auf der Red Stage verdient hätte.

Hi liebes Summerjam, bitte mit der jungen Dame einen Vertrag machen. “Loodi” = Überhit! Geht ab. Ich würde es  1000-fach danken!

Alkaline kennt ihr als Irieites-Leserinnen und Leser entweder schon oder wollt ihn nicht kennen lernen. Er ist ein so fleißiger Auto-Tuning-Nutzer, dass ich es spannend fände zu hören, wie seine Sprechstimme im Interview klingt. Im Gesang könnte man ihn für momentan im Stimmbruch befindlich einschätzen. Sein Stimmbruch dauert besonders lang an. Er ist einfach so relevant für Jamaika heute, dass das Summerjam uns hier eben einen der Meistgespielten aus den Radio-Airplays der Insel präsentiert. Wenn man also oft dem “echten” Jamaika nachtrauert und Artists mit Substanz und Message vermisst, dann entspricht dieser Wunsch einem Abbild des Underground Jamaica. Ein Kazam Davis ist dort quasi Subkultur, während ein Alkaline überall herumgereicht wird.

Konshens ist ein aufstrebender Dancehall Artist, den eine junge Hörerschaft irgendwie kennt. Sein Durchbruch ist ihm nach Jahren gelungen, doch da dürfte auch das Internet seine Funktion erfüllt haben. Denn die Musik per se entspricht dem gängigen Niveau der ständig auf Jamaika produzierten Riddims bzw. kommt großenteils über diese Riddim-Sampler auf den Markt. Konshens hat die Gesamtvernetzung aus Instagram, Facebook, Spotify, Twitter, iTunes, Amazon, YouTube und die damit einhergehende Interaktivität, das Retweeten und Sharen, das virale Vervielfältigen so weit perfektioniert und gepimpt, dass er schon mal auf 11 oder 12 Millionen Klicks für ein ideenlos gemachtes Video mit 08/15-Musik hoffen kann. Für eine jamaikanische Produktion ist das unendlich, wahnsinnig viel.

Charly Black komplettiert das Dancehall-Aufgebot, und ja: Es ist auffallend viel Dancehall beim Summerjam 2018 untergebracht, war doch 2017 mit Beenie Man ein richtig großer, auch umstrittener Name aus den Neunzigern dabei und sonst keiner. Das stieß teils auf Kritik und trieb die Dancehall-Fans in – nein, nicht die Dancehall “Area” (neu anstelle des “Dancehall Tent”), sondern – in ein kleines Zelt, den Promo-Stand eines Zigarettenherstellers. Thomas, einer der DJs dort, schilderte mir, dass Dancehall eine überbreite Akzeptanz in den Charts von 2016/17 erfahren habe und auf dem Zenith stehe. Nun müsste die Dancehall Culture, die für den Dancehall typische Art richtig zu mixen beim Auflegen, das gemeinsame Feiern zu dieser Musik sich gerade beim Summerjam abbilden, um mit der festivaleigenen Geschichte nicht zu brechen.

Klar kann und/oder will das Summerjam auch an einer Charts-Entwicklung der letzten Jahre nicht vorbei. Deswegen ist der eingeladene Dancehall sehr der Dance/Urban-Soundfarbe unserer aktuellen Radioprogramme von ARD über Energy bis Radio Haddldaddl ähnlich. Dancehall könnte ja auch rau, scheppernd, minimalistisch sein.

Eigenwillige Wege geht Trettmann und führt Kitschkrieg. Ich kann mir gut vorstellen, dass Leute sich ab heute nur seinetwegen ein 3-Tage-Ticket kaufen. Ziggy Marley steht seit 30 Jahren für die Rockgitarre im Reggae. The Skints schaffen es, sämtliche aktuellen Offbeat-Musikstile in ein- und demselben Song zu ihrem straight-forward-Skints-Stil zu fusionieren und dabei auch noch etwas Rock-Powerpop à la Crystal Fighters zu machen.

Auch SOJA (Soldiers of Jah Army) sind musikalische Allesverwerter, zwischen Rock und Hiphop liegen bei ihnen keine Welten. In den USA kommen sie damit prima an. Aber in Deutschland habe ich sie noch niemals jemals in irgendeinem Radio gehört, nicht in der allerkleinsten Lokalstation eines Freien Radios. Ob das mal eine gute Wahl ist? Das Summerjam glaubt an sie und hat sie bereits 2012 und 2015 eingeladen. Damals war der Massengeschmack meines Erachtens auch für rockige Töne wie auch für Hiphop-Fusion-Klänge noch aufgeschlossener. Dass SOJA 2018 nun auch wieder nachgewachsene Besucherscharen, die das erste, zweite oder dritte Mal auf dem Festival sind, ansprechen – ich glaube es nicht.

Im zweiten Teil der Summerjam-Vorschau erfahrt ihr, wie man Wolken essen kann, warum man Nougat ohne “o” schreibt, wer JONESY ist, warum Dactah Chando einen heißen Pluspunkt auf dem Line Up bedeutet, wieso man das Phänomen MHD als Festivalgänger/in für die nächsten Jahre einplanen muss, was Naâman aus Frankreich und Lary aus Deutschland drauf haben, weshalb wir uns auf ein Wiedersehen mit Afrob wirklich freuen sollten und wie man die Musikrichtung von Stonebwoy musikethnologisch klassifiziert.

Philipp Kause

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.