Booboo’Zzz All Stars “Reggae Bash Volume 2” (Baco Records)

Booboo’Zzz All Stars
“Reggae Bash Vol. II”
(Baco Records – 2018)

Mir hat das Cover von “No Diggity” hier – direkt vorm Joghurt-Kühlregal über Kopfhörer gehört – einen süßen Flirt eingebracht. Wahrscheinlich sah ich so glücklich, entspannt oder euphorisch aus. Vier klassische Hörsituationen kann ich mir für dieses Album spontan vorstellen – und weiche doch selbst davon ab. Ich persönlich kann diese Musik zwar gut am Computer und beim Einkaufen im Supermarkt hören.

Darüber hinaus meine ich auch, ist sie das CD- oder Digital-Album für Sonntag, 21:45 Uhr, wenn man sich fragt, ob das Wochenende nun schon herum sein soll. Als Warm Up vorm Ausgehen – ebenfalls passend! Zum Autofahren im morgendlichen Schul- und Berufsverkehr wird sie sicher mehr entspannen als die besten Hits und Quiekmoderatoren aller Radio-Morning Shows. Für die Rush Hour am Nachmittag gilt das glaube ich auch – gut zum ‘Runterkommen. Auch für Nachtsituationen, das Heimkommen nach einem Kinofilm, von der Spätschicht, das nächtliche Noch-Was-Machen-Müssen am PC oder eine nächtliche Zug- oder Autofahrt.

Zeitreise durch die Jahrzehnte

Ohne zu fordern, nimmt einen dieses reine Coverversionen-Album quer durch die ’70er, ’80er, ’90er, 2000er- und 2010er-Dekaden mit. Genau, ein Coverversionen-Album. Aber kein Tribute-Album! Hier geht’s nicht um Songs eines/einer bestimmten Künstlers/Künstlerin. Die Zusammenstellung ist auf den ersten Blick völlig gaga: Yes, France Gall, Sade, Mariah Carey und der Hiphop von Blackstreet – ist das Kraut & Rüben? Geht erstaunlich gut auf. Je nach Original, ob es nun Englisch oder Französisch war, werden die Songs auch in der Originalsprache nachgesungen. Etliche französische Vorlagen von Étienne Daho oder auch Nino Ferrer sind vertreten.

Eine “bunte Truppe”, die sich quer durch Pop-Rock, Chanson & Soul covert und dabei viele Gaststimmen engagiert

Nach ein bisschen Einhören merkt man, dass das weitgehend kein Reggae ist. Ein Pop-Album ist es auch nicht, dazu ist es viel zu professionell in einer “alternativen” Rhythmik gespielt. Ja, aber was ist das denn?

https://www.youtube.com/watch?v=vVJchWaPmIc

Ist das Soul?

Ist das ein Soul-Album? Ich würde sagen, das trifft es am besten. Kleiner Exkurs:

Dabei kommt eine bestimmte Art von europäischem Songwriter-Soul zum Tragen, die z.B. von Lianne La Havas – Anfang des Jahrzehnts eine interessante walisische Newcomerin – hoffähig gemacht wurde. Sie wird auf dem letzten Track des Albums gecovert. Ein weiterer Sänger dieser Stilistik ist Ben L’Oncle Soul, der aus den White Stripes bereits ein Soul-Cover machte und hier als Gast mitwirkt. Ein Riesenaufgebot an Gästen gibt’s überhaupt, deswegen die Begriffe “All Stars” und “Bash” im Titel.

So, zu klären wäre jetzt, was es mit dem “Reggae” auf sich hat. Yoa, gut, manche Songs haben schon die uns lieb gewordenen verschobenen Reggae-Beats und auch die entsprechende Instrumentierung. Da kann man sich schon wie auf einem Konzert von Sebastian Sturm fühlen.

Die Band Booboo Zzz All Stars am Mischpult

Aber es ist eindeutig Soul im Vordergrund, sagen wir europäischer Soul-Reggae. Schubladen hin oder her – das macht aber nichts: Das Album lässt sich nach Überspringen der ersten beiden Tunes (die nicht recht zünden wollen) im Folgenden bis zum Ende sehr bequem und genussvoll durchhören. Kein Album, von dem man sich Einzeltracks herunterladen muss – sondern eines, das aus einem Guss ist.

Der “Owner of a lonely heart” macht auch mit

Besonders schön gelingen dabei die unerwartete Coverversion des aus der Mode gekommenen “Owner Of A Lonely Heart” von Yes. Dieser Song war auch 30 Jahre nach seinem Erscheinen “Hot Rotation” in vielen Radiostationen, ist aber in den letzten Jahren etwas verschwunden und klingt hier mit der Stimme von Rebecca M’Boungou frisch wie lange nicht – und einen Tick afrikanisch klingt die Version.

Rebecca kommt von der französisch-spanischen Grenze, ist dort die eine Hälfte eines Afro-Folk-Duos und außerdem Schauspielerin. So kommen Newcomer zum Zug. Keinen Gast gibt’s auf “No Diggity”. Der Song erlebt gerade wieder Konjunktur. Ich erlebe immer wieder, dass er irgendwo gecovert, zitiert oder gesampelt wird. So hat ihn Namika in Deutschland bei ihren Auftritten eine Zeitlang in einer akustischen Fassung eingebaut, um auf ihren eigenen Song “90s Kids” vom Album “Nador” überzuleiten. Ursprünglich – das weiß die/der geneigte Irie Ites-Leser/in natürlich sowieso -, aber ich schreibe es trotzdem, steckt hier “Grandma’s Hands” (1971) von Bill Withers drin.

An Instrumenten wie Saxophon, E-Gitarren und Keyboards wird nicht gespart und aus Sade etwas Aufgebrezeltes herausgeholt. Viel Manpower und viel Soul – das sind die Booboo Zzz All Stars mit dem kompliziert geschriebenen Namen. Insgesamt ein handwerklich perfektes und gefühlsmäßig rundum angenehmes Album!

Philipp Kause

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.