Akua Naru “The Blackest Joy” (Code Black)

Akua Naru
“The Blackest Joy”
(Code Black – 2018)

Mit “Black Genius” startet ein sehr konzentriertes Album. Als ich Akua Naru im Herbst 2017 bei einem Treffen gebeten habe, fürs Foto doch wenigstens ein bisschen zu lächeln, meinte sie: “Serious times” – keine Zeit für ein Lächeln. Mit ihrer typischen Intonation wirkt sie auch on Tape immer sehr ernst. So schnell, wie ihre Gedankengänge sind, können die Beats oft gar nicht hinterher schlagen.

Lächeln oder nicht lächeln? Akua Naru hat ein Konzept: Ernst bleiben. Also lächelt der Interviewer eben alleine.

Symptomatisch zeigt das “Serena” (Track 3). Hier wird die raue, düster klingende Stimme zum Taktgeber und Rhythmus-Instrument. Sie rappt und rappt und rappt undrapunrapraprararapp! Nach 3 Minuten und einem kleinen, 5-sekündigen Jazz-Break setzt ein interessanter Dschungel-Sounds-Loop ein. Der Avantgarde-Disco-Funk von Arthur Russell aus der Zeit um 1980 fällt mir – wenn das überhaupt passt – als einziger Bezugspunkt in der Musikgeschichte ein.

Akua Naru, bürgerlich LaTanya Olatunji, hat einen schroffen Jazz-Hop entwickelt. Dass der natürlich schon – ausgeprägt – seine Wurzeln in früheren Sounds hat, dafür muss man hier ein bisschen nach Querverweisen suchen. Das muss schon sein – aus zwei Gründen: Hiphop definiert sich z.B. über die Kultur der Samples und den Rückbezug aufs Black Power Movement, die späten Sechziger, frühen Siebziger. Mindestens. Oder noch weiter zurück. Speziell die Stellung von Menschen, die als “female” und “black” im bestehenden System untergeordnete Rollen besetzen (müssen), sind Akua Narus Thema zur Zeit.

Statement-Musik & Oldschool-Vorbilder

Zum anderen macht Akua Naru politischen Hiphop, ausgewiesenermaßen Statement-Musik. Oder anders gesagt: Nur so viel Hiphop, wie nötig. Sprechgesang, weil ihr die Worte wichtig sind. Verbunden ist sie viel mehr noch den Ursprüngen des Hiphop, dem Soul, dem Jazz, dem Blues (“Black & Blue(s) People Unite”, 2016). Man wäre des Hörens nicht würdig, wenn man das Vorgestern im Heute nicht aufstöbern würde.

Der Song “Made It” macht es dann schon sehr, sehr deutlich: Der Oldschool-Style aus der Zeit um 1990 ist zurück. Und, noch viel weiter gehend: Nina Simone, der Name taucht immer wieder im Text auf. Ihr Vorbild. In die Grooves von Whodini, Bone Thugs-N-Harmony und A Tribe Called Quest kann man dagegen nicht einfach so bedingungslos abtauchen. Da ist noch etwas Hartes, Dunkles, was einen bremst. Soll man auch gar nicht. Wenn schon, dann in die Sounds von Queen Latifah, Roxanne Shanté und Bahamadia. Die Frauen sind ihre Welt.


Queen Latifah, damals vor 30 Jahren, als “The Princess of the Posse”. Heute würde man sie nicht wieder erkennen. Inzwischen war sie u.a. Schauspielerin und TV-Moderatorin. “Weekend Love” – solche Songs bleiben in Erinnerung.

Bahamadia – eine Vergessene des Rap. Akua Naru hat sie nicht vergessen. In den ’90er Jahren nahm sie z.B. mit Salt’n’Pepa “Champagne” auf.

Roxanne Shanté veröffentlichte international nicht viel – aber das Wenige hatte es in sich. Auch sie zählt zu den Wegbereitern des Female-Hiphop.


Akua Naru – ihr Ausdruck dieses Mal ist weder Wut noch Awareness Raising – es ist einfach dozieren, herunter rappen, was das Zeug hält; es ist anstrengend. Der Refrain von “Made It” ist zwar so honigsüß, dass er En-Vogue abgelauscht scheint. Die Strophen hingegen sind einfach trocken.

Der Akua Naru-Gestus sagt aus: Hört euch den Text inmitten des ganzen Jazz-Klanggewitters ringsherum doch einfach so oft an, bis ihr wenigstens die Hälfte versteht. Danke! Und vorher braucht ihr gar nicht weiter gehen zum nächsten Song. Um das Ganze doch smoother zu machen, ist Eric Benét in einer zweiten Version mit dabei. Der R’n’B-Sänger lief 1999 noch in manchen Hot Rotations im Radio und konnte seither kaum noch Boden gut machen. Dabei ein echt begabter Typ:

Diese Wortlastigkeit deckt sich mit ihren Bühnenansagen. Hier wird sie gerne ausführlich, erzählt Geschichten. Sie wird missionarisch, erklärt Zusammenhänge. Sie wird agitatorisch, möchte, dass wir unsere Haltung ändern. Dass Frauen untereinander solidarisch sind. Als männlicher Zuhörer weiß man nicht immer, was man dazu genau beitragen soll.

Entspannter wird es auf der Platte in “(Love) Right Now”. Dass Liebe uns rettet, sagen ja die Roots Reggae-Leute öfter mal. Bei Akua Naru jedoch ist eine solche Botschaft ungefähr so unerwartet, wie wenn der Mathelehrer in der Schule sagen würde “Und jetzt kauft euch ein Eis, üben braucht ihr nichts und verstehen werdet ihr alles im Schlaf.” Es kann also alles so einfach sein.

Das Rezept der Künstlerin gründet sich auf eine einfache Zielgruppentrennung: Wer schlicht Soul und R’n’B mag, findet andere Angebote. Weibliche Musik vor allem. Und solche von ein paar Softies wie D’Angelo. Wer dreckigen Rap voller Kraftausdrücke und Goldkettchen-Wichtigtuerei mag, kann in einer von männlichen Werten, Idealen, Regeln bestimmten Welt des 20. Jahrhunderts zurückbleiben.

Sie hingegen bricht in ihre Feminismus-Welt auf, macht etwas Neues abseits der durch Gender-Rollen einst zugewiesenen Musikstile – und bleibt dennoch in den Sprachcodes und Stilmitteln der “Black Music”.

Zwischen dem Jazz von Nina Simone und dem Female Rap der frühen 1990er

Akua Naru und der Autor an einem kalten Februarabend vor ein paar Jahren.

In meinem ersten von bisher vier Radio-Interviews mit ihr befragte ich sie zu anderen Artists, die sie interessant fände. Damals gab sie mir z.B. den Tipp, auf Layla Hathaway zu achten – die Tochter des Soul-Sängers Donny Hathaway. Auch so manchen anderen Namen, den sie mir empfahl, fand ich danach auf einer Compilation namens “Message Soul” des Trikont-Labels wieder.

Immer wieder fällt auch der Name Lauryn Hill. Achtung, von Lauryn Hill gibt es genau ein Album. Plus zwei mit den Fugees. Plus ein Remix-Album der Fugees und eine Unplugged-Ausgabe des Lauryn Hill-Soloalbums. Relativ wenig Output. Akua Naru selbst hat schon mehr veröffentlicht. Weitere Namen sind Gladys Knight, Anita Baker, Heather B (“My Kinda N*gga”, ’90er-Artist) und Nicki D (ein Album Anfang der ’90er). Oder mit Luther Vandross doch mal ein Herr der Schöpfung.

Akua Naru – das ist Musik mit Botschaft, so lautet das Anliegen. “Kaya” (hat nichts mit Bob Marley zu tun) ist auch so ein intensives Stück. Es zwingt zum Hinhören. Such nach der Botschaft! Das ist die erste Botschaft, die Bedienungsanleitung. Gegeben wird sie seitens der Drums. Undenkbar hart erklingt das Schlagzeug, wie in einer Werkstatt kracht es. “Keine Kompromisse” – das ist eine weitere unterschwellige Botschaft. Nachdem es ordentliches Crash! Boom! Bang! gegeben hat, bin ich aufnahmefähig für den nächsten Tune:

Kopfmusik VS. Funky Flow

“The Offering” wird mit den geraunten Worten “The Blackest Joy” eröffnet. Immer noch ist die Hautfarbe ein Kriterium für die Welt, wie sie funktioniert. Und worin besteht nun “Joy”? Freude? Die schwärzeste Freude? Kann man auch im Englisch eigentlich nicht sagen. Doch was jetzt passiert, ist: Ein Highlight der – nennen wir’s mal – Offbeat-Musik spielt sich ab. Hier appelliert sie weniger an den Kopf und lässt die Sache laufen. Nun werden auch Fans von Femi Kuti, von Acidjazz und von Afrobeat-Samplern auf ihre Kosten kommen. Zwischen Hi-Hat, Keyboards und Sopransaxophon vergeht die Zeit wahnsinnig schnell. Und das war ja mal ein Kennzeichen von Funk, dass die Energie sich selbst antreibt.


“The Miner’s Canary” erschien Anfang 2016. Viele lange Songs, viele Gastmusiker, viele Bläsersätze, sehr jazzig.

“The Journey Aflame”, das Debütalbum von 2011.

Akua Naru und ihre DIGFLO Band. Ein Session-Album mit starker Ausstrahlung! Hier sind überwiegend die Songs des ersten Albums drauf, aber “anders”.


Insgesamt ein Longplayer für alle, die sich fragen, was seit den Neunzigern im Hiphop/R’n’B passiert ist. Und was davon übrig ist. In Deutschland hat Akua Naru einen großen Teil ihrer Fanbase. Sie würde widersprechen, denn sie sieht sich ja als “Weltbürgerin”. Schon erstaunlich, dass sie in Deutschland so gut ankommt, wenn man bedenkt, dass diese Art Musik so ziemlich flächendeckend von den Öffentlich-Rechtlichen angefangen bis zu Jam FM aus den Radioprogrammen rausgeflogen ist. Zu Unrecht.

Der Feminismus und der Spaß

Der Nachteil dieser Musik und des ganzen Herangehens von Akua Naru ist, dass sie ziemlich viele Leute ausschließt. Ich meine, Musik zur Rettung des Schuh plattelnden Mannes im Voralpenland kratzt auch niemanden. Für die eigenen “Cultural Codes” kämpfen ist langweilig für alle, die es nicht betrifft. Das ist ja oft das Problem von Roots Reggae. Wer weder religiös ist noch kifft, wird wenig spüren, wenn es um Jah the Almighty One, the Healing Herb, Thanks & Praise und Ganja geht. Insofern sind das sehr schöne Jazz- und Funk-Arrangements auf “The Blackest Joy” – etwas Augenzwinkern und Lockerheit täte noch gut, damit die “Joy” durchgehend auch wie “Joy” wirkt. Konzerte von Akua Naru sind auf jeden Fall immer sehr intensiv, wie man sich auch unten anschauen kann.

Philipp Kause

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.