Cali P “iThoughts” (Flash Hit Rec./Hemp Higher Prod.)

aktuell: Cali P spielt am 30. April (Mo.) im Feierwerk in München beim Fyah Festival – Skank in den Mai 2018!

Cover-Bild Cali P Album

Cali P

“iThoughts”

(2016 – Hemp Higher Productions / Flash Hit Records)

“Brrrrrrr!” Das ist sein Markenzeichen! Wo Mykal Rose “Stangdungdungdungdoy” sagt, wo Yaniss Odua einmal herzhaft gurgelt und Nattali Rize “eeyaehiyeeah” seufzt, kommt beim Fire Lyricist 1 x “Brrrrrrrr!”

Cali P entwirft auf “iThoughts” die zu iPhone, iPad und iTunes korrespondierende Konzeptfrage: Sind wir gefühlsmäßig auch so smooth und smart wie unsere Alltagstechniken?  Ist das, was wir uns gegenseitig (oder oft genug einseitig) schreiben, voller “Lyrical Faya”? Oder hinken wir unserer eigenen Technik hinterher?

Bräuchten wir zum Beispiel mehr echte Liebe (das eingängige “Do you love me”), der wir uns sicher sein können? “Do You Love Me” entwirft wunderschöne Keyboard-Linien, die mit alten Bob Marley-Platten und Earl Lindo mithalten können.

Macht uns nicht eigentlich der analoge “Coconut Jelly Man”, an dem wir noch  kein Touchpad streicheln können, am glücklichsten? Ja, sagt Gastsängerin Shanique Marie – ein heißes Talent mit ansteckendem Lachen. Ob Guava Jelly oder Coconut Jelly, die  Reggaemusik ist voll von der Süßspeise, die man tendenziell auf Jamaika nicht online ordert, sondern spontan kauft. Das bringt Frau Marie den enormen Vorteil,  mit dem Jelly Man, der ihr das verkauft, direkt flirten zu können. Wer würde da widerstehen – oder anders gesagt, wer oder was ist da süßer? Cali, Shanique oder das Gelee?

Das Jelly ist irgendwas zwischen Grütze (aber selten rote) und Pudding, jedoch fester, wofür meist das Algenprodukt Agar-Agar sorgt.

Auf “No War No War” wundert er sich zusammen mit Yung JR über Kriegsgefahren von “Lybia” bis “Lebanon” (verständlich), von “Ghana” bis “Uganda” (??? meint er Nigeria? den Südsudan?),
von Nordkorea bis Südkorea, von Argentinien bis nach Brasilien, China bis Japan usw und sogar zwischen den New Yorker Stadtteilen Brooklyn und Queens. Seine Lösung gegen die “Hypocrites” mit ihren “Guided missiles”:
das süße Marihuana. Na gut, an der Stelle versteht man, was mit der Selbstbezeichnung “Lyrikfeuer” gemeint sein dürfte: so wie im Hiphop einfach drauflos freestylen!

Dazwischen wurde noch eine “Revolution” ausgerufen, “a real” Revolution! Die bestünde darin, dass Politiker/innen sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Beispiele fielen mir da ein, die wären einen eigenen Artikel wert.

Großes Highlight auf dem Album, das sich flüssig und flink durchhören lässt, kurz & uptempo, ist “Ease Off”. Da vibriert seine Stimme herzzerreißend. Ein schrammeliger Raggamuffin-Tune, der klagend klingt und dessen Bass-Solo bei Minute 2’42” sofort sampeln würde, wenn ich Produzent wäre.

Cali P on stage

Auffällig ist die Hinwendung zum klassischen Rocksteady, sowohl auf dem Song mit Shanique Marie wie auch auf “Why So Much Fighting”. Da Cali P es tempotechnisch eilig hat, klingen beide Tunes sehr spannend, weil sie die Gemütlichkeit von Rocksteady mit Calis übersprudelnder Geschwindigkeit aufladen und schlurfend mit voranpeitschend gekreuzt wird.

Insgesamt ein modernes und zugleich altmodisches Album, sein viertes. Schon vor dem Debüt war er, wie im Genre üblich, von 2004 bis ’08 auf zahlreichen Riddims, Doppelsingles und Duetten zu hören.

Dass er aus der Schweiz kommt (die Mama von ihm), fiel mir dann bei dieser Kollaboration auf, die leider hier auf dem Album fehlt, aber zeitgleich entstand. Sie ist auf Collie Herbs Album “Bambus” (auch Ende 2016 VÖ) zu finden. Da treffen Patois und Swyzerdütsch aufeinander. Weil es auch lohnt, den gleichaltrigen Collie Herb wie auch generell die Schweizer Szene zu entdecken, folgt das demnächst hier – Collie Herb, Stereo Luchs, Dodo usw.

Philipp Kause

 

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.