Rebelution “Free Rein” (87 Music/Easy Star Records)

Rebelution
“Free Rein”
(87 Music / Easy Star Records – 2018)

Sie kamen, um zu siegen. Vordere Positionen in der Verkaufs- und Streaming-Rangliste ihrer Heimat sind ihnen sicher. In den USA erklimmten Rebelution mit ihren Alben regelmäßig Platz Eins der Billboard-Liste – im Bereich Reggae! Das klappte auch dieses Mal. In der ersten Verkaufswoche.

Besonders ihr Live-Album “Live At Red Rocks” hatte es mir angetan. Im Konzertumfeld gelingt ihnen die Reggae-Lässigkeit wohl etwas Funken sprühender.

Doch oft fühle ich mich beim sechsten Studioalbum “Free Rein” (unaussprechlich) eher an Rock erinnert. Kein Problem, Classic Rock, Westcoast Rock, sowas höre ich auch sehr gerne.

Nun ist das ein generelles Thema der Bands aus California, Virginia, Florida, Hawaii oder New York City. Wen gibt es alles, Tribal Seeds, E.N Young (solo), SOJA, Matisyahu, Common Kings, Hirie, Leilani Wolfgramm, Professor Harrison Stafford, New Kingston oder auch von Rebelution den Sänger Eric Rachmany ohne die Band.

Wenn man die Stilistik generell mag, aber noch nicht oder schon lange nicht mehr wusste, welches Album aus diesem Stil besonders kaufenswert ist  – „Free Rein“ dürfte sich zum Beispiel mit dem Steely Dan-artigen, elegischen Gitarrensolo (3:33 – 4:18 in „Trap Door“) dafür qualifizieren

Die süße Einleitung in „Take On Anything“ gehört zu den Sound Stamps, den Fanfaren, starken Momenten und somit auch den Pluspunkten hier. Angejazzt sind manche der Songs. Das Saxophon übernimmt eine ganz prägnante Rolle, und Eric Hirschhorn verrichtet an diesem Instrument Glanzleistungen.

Ob genau dieses Rezept beim US-Publikum ankommt? Oder doch die Stimme von Rachmany?

Eine ganz feine Spur „näselig“, insgesamt hell für einen Reggaesänger. Obwohl ich ihm gerne zuhören will, stört mich die Abmischung. Wäre sie auf Albumlänge so homogenisiert und in eine komprimierte MP3-Spur geknebelt wie in den ersten paar Songs, so würde ich sagen, das Album sei misslungen und billig. Oder ohne Sachverstand gemastered.

Diese soundtechnisch nicht aufgelöste Druckspannung hätte gar nicht passieren müssen. Denn sowohl Don Corleon als auch Winta James waren dabei. Beide haben als Executive Producers viel an Protojes erste Alben Hand angelegt.

Dennoch, erst die zweite Hälfte der CD wird dem gerecht, was man an Mastering bei einer No.-1-Band erwarten könnte. Ob da jeder beim Testhören ankommt?

Das ganze Teil sprüht vor vielen einzelnen Einfällen. Dubbige Outros gibt es auf der neuen Studioplatte, jazzige, rockige, elaborierte, mit gefühlvollen Streichern… Anmutige Intros gibt es, einprägsame, knackige. Rebelution sind die Meister der Einleitungen und der entspannten Instrumentalpassagen.

Etwas ganz Rundes wird zwar nicht daraus, aber für eine gemütliche Runde Rotwein & Raclette ein “nicer” Soundtrack. In der deutschen Reggae-Landschaft fühlt sich das nur etwas fremd an.

Für Musik-Nerds sei entschädigend gesagt, dass jedes Lied eine besondere ungewohnte Arrangement-Idee bringt; also, Stimuli gibt’s immer wieder. Generell sind die ersten vier Texte banal, steigern sich dann aber deutlich .

Ich empfehle Mista Savona als “Consultant” für die zu früh einsetzenden Song-Enden oder Perfect Giddimani. Es fehlt der Schliff, es gibt aber die saucoolen, verstreuten Ideen. Viele Torchancen, alleine es fehlen die Volltreffer.

Beim kalifornischen Wetter des Sommers 2018 lässt sich dieser Sound durchaus in Deutschland auch wunderbar hören.

Philipp Kause

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.