The Debonaires “Listen Forward” (Grover Records)

The Debonaires
“Listen Forward”
(Grover Records – 2018)

Das kalifornische Oktett war uns bis vor kurzem in Deutschland kein Begriff. Doch als sie im April einige Konzerte, u.a. auf dem Freedom Sounds in Köln gaben und zudem Susan Cadogan als Backing Band bespielten (“Nice And Easy”, “Hurts So Good”), fanden sie viel Zuspruch.

Dieses Quasi-Album ist eine Zusammenstellung von Songs aus “Movin'” (2013), “Longshout” (2005) und “The Debonaires” (2002). Die Debonaires gibt es aber noch viel länger. Ihr Debüt veröffentlichten sie vor 20 (!) Jahren, anno 1998. Vier Alben in zwanzig Jahren – das mag merkwürdig erscheinen.

The Debonaires, “Movin'”, 2013

The Debonaires, “Longshout”, 2005 (Rückseite)

Sogar 1997 waren sie schon einmal auf einem Sampler verzeichnet: “The West Coast “The West Coast Chronicles Volume One” vom Label Steady Beat Recordings. Als Gründungsjahr nennen sie 1995.

The Debonaires, “Debonaires”, 2002

Jedoch weiß fast keiner am Anfang, ob er von Musik mal wird leben können. Kalifornischer Soul oder Reggae setzt sich sowieso selten weltweit gut durch. Mit Live-Auftritten lässt sich gerade in dieser Stilrichtung, dem Ska nahe stehend, mehr erwirtschaften.

Und als Backing Band/Begleitgruppe decken sie vieles ab: Tenorsaxophon, Posaune, Trompete, Klavier, E-Piano, Melodica und Hammond-Orgel; Gitarre, Bass und Schlagzeug sowieso. Die Melodica (Tasteninstrument zum Hineinblasen) wurde in den Reggae & Ska durch Augustus Pablo eingeführt – dadurch sieht man schon, woran die Debonaires ungefähr anknüpfen.

Auf “Listen Forward” nun ist “Criminals” ein grandioser Einstieg, Soul in brillantester Tonqualität. Die Keyboards fallen sofort auf. Alles klingt altmodisch. Hier leben die ganz alten Soul Classics auf 45 r.p.m.-Format im Geiste wieder auf, wenn man die noch kennt. Jedes Detail bis hin zum Background-Gesang sitzt perfekt. 2002 war dieser Song bereits der Einstieg ins Album “Debonaires”.

“See You Again” (von 2005) ist lockerer Soulpop auf einem Reggae-Beat; angelehnt an Jimmy Cliff & Co. Die Schwere des jamaikanischen Reggae-Rhythmus wird hier entschlackt. Das ist das Bewundernswerte an den kalifornischen Gruppen (und auch an denen aus dem Pazifik): Sie benutzen aus dem Reggae das, was ihn “Nice & Easy” macht. In diesem Song aus einem gezielten Grund: So können sie nach 2 Minuten 26 einen rockigen Höhepunkt setzen, mal richtig wütend und entschlossen klingen. Die Melodie ist sehnsuchtsvoll und unausweichlich ein Sofort-Ohrwurm.

“Oil In My Lamp” ist nicht nur Ska, sondern lehnt sich sogar an den Klassiker “A Little More Ska” von Dandy an. Das Surf-Jazz-Pop-Instrumental “No Dice” hat schon dreizehn Jahre auf dem Buckel; damals war z.B. mit Dick Dale am einen Ende und Monty Alexander am anderen Ende der Spanne musikalischer Bezugspunkte solche Art Musik noch bzw. wieder “in”, erlebte gerade ein kleines Revival.

“No Dice” ist virtuos – bestes instrumentales Handwerk! “Hold You” wirft das Licht auf die angenehme, helle Stimme von Sänger Kip Wirtzfeld. Er ist selten der Songautor, die Debonaires spielen manches Cover – und die übergroße Zahl der Songs wird vom Keyboarder bzw. Hammond-Organisten, Ryan Tomazin, komponiert und getextet. “From My Eyes” ist immer noch schön, bekommt aber die schrill-einhämmernde Tonlage, die Ska-Soul oft mit sich bringt. Da schrabbt der Rhythmus an der Grenze zu anstrengend/monoton.

Ihre Stärken haben sie durchaus auch darin, instrumentalen Surfsound zu machen, wie auf “García Y Vega” vom Gitarristen Mike Presser vom 2002er-Album (dort Track 2), das hier der Einfachheit als ganzer Longplayer empfohlen sei. Vielleicht wird es eines Tages wieder aufgelegt; aktuell scheint es vergriffen zu sein. Die daraus stammenden Tracks überzeugen jedenfalls vollkommen.

“Out Of My Life” kommt mir als Konzertbesucher sofort wieder bekannt vor. Der Gesang ist nahe am gequälten Geschrei. Umso bizarrer ist die jazzig verspielte Klarinette, die nach gut zwei Minuten zum Solo bläst. Dieser Song war ein weiterer Opener, und zwar vom Album “Longshout” (2005). Die verjazzte Rhythmusstruktur und das funky Gitarrenriff machen diesen Titel ziemlich stark, auch wenn man den Gesang nur mit Humor erträgt.

Justin Hinds – Als Justin Hinds & The Dominoes lieferte er zahlreiche Hits für die Labels Treasure Isle und Island ab: “Lucky Seven”, “Botheration” und “Cock Mouth Kill Cock” waren darunter. Das Klassiker-Album war “Jezebel” (1976). Die Debonaires konnten noch für ihn als Support auftreten.

Gefragte Ska-Vorgruppe und Backing Band

Um hier abzubrechen: Es gibt noch sechs weitere Stücke – also in Summe 14 Tracks – auf dieser Zusammenstellung. Als weiteres Highlight erweist sich darunter für mich der Soul-Reggae-Song “Shutdown”. Der übliche Rahmen von Ska wird hier kreativ überschritten. Dennoch erfolgt die Selbstvermarktung in den USA am erfolgreichsten unter der Bezeichnung “Ska”. So haben sie schon im Vorprogramm von Desmond Dekker, Laurel Aitken, den Specials und den Skatalites und dereinst sogar von Ska-Legende Justin Hinds (er starb 2005) gespielt – reiche Erfahrungsschätze.

Mit “Listen Forward” kann man sich einen vielseitigen Eindruck ihres Könnens verschaffen und einige coole Verrenkungen an den Tasteninstrumenten hören. Denn im Mittelpunkt der Sounds stehen die vielen Instrumente, die der Keyboarder beherrscht.

Philipp Kause

 

Link: The Debonaires – Profil auf ReverbNation

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.