Ostroda Reggae Festival 2018 – Highlights #1

Ostroda Reggae Festival

Vorweg ein Spoiler: auch in diesem Jahr hat das Festival in Ostroda wieder mit viel Charme und interessanten Artists mächtig überzeugen können. Es sind nämlich aus meiner Sicht nicht die ganz großen Festivals, die mit großem Aufgebot an internationalen Künstlern und viel Tam Tam ein insgesamt schönes, spannungsreiches Ambiente erzeugen, sondern sehr oft die kleineren Events – auch wenn man im Fall vom Ostroda Reggae Festival sicher schon lange nicht mehr von “klein” sprechen kann. Verglichen mit dem Summerjam, Rototom oder Reggae Jam kann das Festival in Polen in Sachen Besucherzahlen etwas weniger aufweisen – das ändert jedoch nichts daran, dass man hier viel Spannendes entdecken und hören kann. Neben internationalen Acts sind es immer wieder die polnischen Bands, die gefeiert vom heimischen Publikum überzeugen können.

Donnerstag, 5.7.18

Der erste Tag gehörte wie immer gänzlich der heimischen Reggaeszene. Der Startschuss zum Festival wird jedes Jahr im Amphitheater direkt am See gestaltet. Eine Variante, die den Ort direkt im Zentrum mit einbezieht und für alle Einwohner und Gäste gut hörbar den Beginn gestaltet. Erst am Freitag zieht das Festival auf das eigentliche Gelände. 2018 spielten das Roots Trippin Sound System, Gang Bawarii, Dubska, Junior Stress, Mesajah und Sidney Polak in unmittelbarer Nähe zur Promenade am Wasser.

Von den Bands seinen hier vor allem zwei besonders hervorgehoben: Dubska und Mesajah. Beide Bands waren schon öfter Gäste in Ostroda. Es ist immer wieder sehr schön zu sehen, wie eine polnische Reggaeszene, die auch auf Polnisch singt, ein derart großes, textsicheres Publikum hinter sich vereint. So ziemlich jeder anwesende Besucher konnte die Titel frenetisch mitsingen. Während Dubska durch ein entspanntes Programm mit vielen eigenen Songs und ein paar Coverversionen, u.a. “Everything I Own” (im Original von Bread, 1972), führte und vor allem die charmante Diana Rusinek als Sängerin feine Akzente setzte, legte Mesajah den Fokus deutlich mehr in Richtung Rootsreggae. Gemessen an der Publikumsreaktion war er der Star des Abends. Das lies sich auch daran ablesen, dass auch nach dem Auftritt ein Traube von Fans neben ihm stand, die hungrig auf Musik, Autogramme und vor allem Selfies mit dem Künstler waren.
Den Abschluss des Abends gestaltete Sidney Polak mit seiner Band. Während vorher hauptsächlich die Musik für sich sprach, vor allem für einen Menschen, der Polnisch nicht versteht, hätte man hier auf jeden Fall zuhören müssen. Sidney Polak ist eher in die Kategorie “Spoken Word” einzuordnen. Und auch wenn die Musik mit vielen Ecken und Kanten sehr interessant war, scheiterte das Finale des Abends an der Sprachbarriere.

Bereits am Donnerstag wurde klar, dass Jesse Royal am darauf folgenden Tag nicht kommen würde. Der Drummer der Band, so die offizielle Erklärung des Artists, ist aufgrund eines technischen Problems an genau dem Abend auf einem Flughafen in New York hängen geblieben. Ich möchte mich hier dazu nicht großartig äußern, weil das Nähkästchen nichts in der Öffentlichkeit zu suchen hat. Nur so viel: ein völlig unprofessionelles Verhalten auf Seiten von Jesse Royal, vor allem vor dem Hintergrund, dass von der Festivalorganisation diverse, griffige Lösungen für das Problem angeboten worden sind…

Freitag, 6.7.18

Am kommenden Tag ging es in der Reggae University um Robert Brylewski. Der polnische Vorkämpfer für eine revolutionäre Weltsicht wurde in diesem Jahr gewaltsam aus dem Leben gerissen. Sein Beitrag zu einer kritischen Haltung und der musikalischen Entwicklung von Punk und Reggae im Land wurde von vielen Zeitgenossen und Freunden ausgiebig und sehr anrührend gewürdigt. Es ist immer wieder interessant, wie viel Einfluss einzelne Persönlichkeiten auf die Entwicklung einer Gegenkultur haben können. Vor dem Hintergrund, dass sich Polen in seinen Anfangszeiten hinter dem “eisernen Vorhang” befunden hat, ist das auf jeden Fall mehr als beachtenswert.

Um 18 Uhr stand “Dreadsquad Live” auf dem Programm. Wer den umtriebigen Produzenten Dreadsquad auf dem Zettel hat, wird wissen, dass hier seit vielen Jahren hohe Qualität geboten wird. Jetzt scheint es, neben dem vielen Output, offensichtlich ein Live-Programm zu geben. Allerdings fehlt da noch etwas an Abwechslung und Tightness.

Damian Syjonfam hatte an diesem Freitag einen schwierigen und zugleich beachtlichen Auftritt. Nach den ersten Tunes fiel die komplette Energie auf der Bühne aus – ein Desaster, das nicht von dem Festival zu verantworten war, sondern außerhalb des Geländes den Ursprung hatte. Insofern war für einen langen Zeitraum Warten angesagt – und kein Mensch hat sich beschwert. Während im Hintergrund wie wild gearbeitet wurde, um das Problem zu lösen, haben sich die Besucher entspannt, sind zur Green- oder Yellow-Stage gegangen etc.. Kein Stress!

Später ging es weiter und der Künstler hat erneut gezeigt, dass er zu den vielversprechendsten, neuen Artists gehört, die Polen zu bieten hat. Ein sehr sympathischer Mensch, eine tolle, professionelle Band und viele Texte und Ideen, die das Publikum ausgiebig gefeiert haben. Sehr sympathisch geriet auch der gemeinsame, kurze Auftritt mit seinem Sohn (siehe Foto). Auf Nachfrage, warum er nicht auch mal auf Englisch singt, meinte er zu mir, dass er sich in seiner Muttersprache deutlich sicherer fühlt und viel mehr Repertoire und Zwischentöne aufrufen kann.

Als spontaner Ersatz für den fahrlässig fern gebliebenen Jesse Royal sind die Maleo Reggae Rockers eingesprungen. Eine Institution in Polen. Mag sein, dass ein paar Besucher traurig waren, dass der Jamaikaner nicht anwesend war, aber wett gemacht haben es Maleo und Konsorten auf jeden Fall.

Das Hightlight des Abends waren Dub Inc aus Frankreich. Was für eine unglaublich gute Liveband! Hammer Sound, klasse Visuals. Mit Hakim “Bouchkour” Meridja und Aurélien “Komlan” Zohou traten gleich zwei Frontmänner an, die sich sowohl in Sachen Performance als auch stimmlich super ergänzt haben. Toll! Zwischendurch gab sich Solo Banton, der später bei Singledread zusammen mit Deadly Hunta auf der Bühne der Green Stage stand,  als Spontangast die Ehre und rundete die Show ab.

Text: Karsten Frehe, Fotos: Karsten und Jaap Frehe

Hier geht es zum Highlights-Bericht #2.

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.