J.P. Bimeni & The Black Belts “I Miss You” (Tuxcone Records)

J.P. Bimeni & The Black Belts
“I Miss You”
(Tuxcone Records – 2018)

Heute können wir einen seltenen Einblick in die (theoretische) Musikszene Burundis bekommen. Hierzu hole ich richtig weit aus – in einem anderen Beitrag.

Das Land ist in den frühen 1990er Jahren in einen Bürgerkrieg geschlittert. Radiosender hat es, doch die werden gelegentlich vom Präsidenten angezündet. Eine funktionierende Musikindustrie hat Burundi keine. Zum 25. Jahrestag des Mehrfachmordes an einem Regierungschef und an seinen Ministern (dem Ereignis, das einen Bürgerkrieg unermesslichen Ausmaßes auslöste), meldet sich J.P. Bimeni zu Wort. Dann wird er, Ende Oktober, ein Soul- & Funk-Album herausbringen – seinen ersten Longplayer. 1978 in Burundi geboren, als Asylbewerber nach England gekommen, macht er heute mit vier Spaniern Musik, den Black Belts. Wie es sich für ordentlichen Soul und Funk gehört, sind zwei der vier an Saxophon und Trompete tätig.

Ich unterstelle, dass ihm in England der unerwartete Erfolg des Uganders Michael Kiwanuka mit Motown-artiger Soulmusik seit 2012 aufgefallen ist. Jedenfalls versucht auch er nun, den Kanal der Soulmusik für die Vertonung von Verlustängsten und melancholisch gefärbter Hoffnungen zu nutzen. Auf der Single “I Miss You” gelingt ihm das schon sehr gut, und auch das Album lässt Großes erwarten.

Bimeni singt sehr drängend, wenn auch vielleicht nicht unbedingt “schön”. Ich nehme an, dass er sich von Englisch bis zu Gesang und speziell Songwriting auf Englisch, Komposition und Soul-Gesang vieles selbst beigebacht hat. Dennoch blitzt bei mir eine Erinnerung an die Chicagoer Vokalgruppe The Chi-Lites auf, die eine ähnlich dramatische Stimmung in ihren Songs (z.B. “Have You Seen Her”; “There Will Never Be Any Peace (Until God Is Seated At The Conference Table)”) aufzubauen wussten.

Bimeni will der Welt “zeigen, dass es mehr als Hass und Mord gibt”, erzählt er in den Presseinfos zu seinem ersten Album. Musik zu kaufen in Burundi – das war in dem Alter, zu dem Menschen das sonst so tun, mit zwölf, dreizehn Jahren, für ihn gar nicht möglich – von ein paar Schwarzmarkt-Cassetten mit lokaler Tanzmusik abgesehen. In die großen Musikströmungen der 1960er und ’70er Jahre auf dem afrikanischen Kontinent war Burundi nicht im Geringsten einbezogen. Funk und Afrobeat, Chimurenga, Jazz, Rumba, Soul, Highlife-Musik, Fusion-Styles aus traditionellen Musiken und Afrofunk, aber auch später Reggae gingen an den kaputten Ländern im Herzen des Kontinents, an der Zentralafrikanischen Republik, Ruanda und Burundi weitgehend vorbei.

An den Einfluss der Geschichte eines Landes auf die Lebensgeschichte eines einzelnen Menschen, erinnert J.P. Bimeni mit seinen Songs. Gleichzeitig hat er gelernt mit Hilfe von Musik das Gegenteil von Erinnern zu tun: das Vergessen. Die Musik früh verstorbener Soul-Legenden wie Otis Redding und Marvin Gaye führt er hierzu an (Marvin Gaye, sogar vom eigenen Vater umgenietet). Bob Marley hat er angeblich viel gehört.

Heute selbst Musiker, führte ein Konzert in Spanien ihn mit der Gruppe spanischer Musiker zusammen. Doch er findet, dass er sich nur auf Zeit in Spanien oder Großbritannien befindet. Eines Tages will er nach Burundi zurückkehren. Zwei musikalische Sidekicks müssen von meiner Seite aus noch sein, denn die Welt ist so reich an Soulmusik, die fast kein Mensch mehr kennt oder noch zu wenige Menschen erreicht hat.

Philipp Kause

Link zu einem mehrsprachigen Radiosender im heutigen Burundi: http://www.isanganiro.org/

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.