Black Roots „Take It“ (Nubian Records/Khanti Records)

Black Roots
„Take It“
(Nubian Records/Khanti Records – 2018)

Sie waren nicht nur live dabei, sie haben mitgemacht. Die großen Umbrüche in der britischen Gesellschaft während der siebziger Jahre, die begleitet wurden vom aufkommenden Punk und Reggae als den Sprachrohren von Abgehängten, Unterdrückten und Vernachlässigten. Sie waren – zusammen mit anderen – die Alternative. Nichtsdestotrotz, die damalige Eiserne Lady (Margaret Thatcher) hat das Land in den Achtzigern einer verheerenden, zügellosen turbo- kapitalistischen Therapie unterzogen, von der sich das Land nie wieder erholt hat. Sie machten aber trotzdem weiter. Und mehr noch: während dieser Zeit liefen sie zu Höchstform auf!

Mit Alben wie „The Frontline“, „In Session“ und „All Day All Night“ trugen sie ihren Teil zur britischen Reggae-Geschichte bei. Danach, in den Neunzigern wurde es, abgesehen von drei Dub-Alben mit Mad Professor und Dub Judah, um die Gruppe aus Bristol ruhiger. Mehr als zehn Jahre lang verschwanden sie ganz von der Bildfläche, bevor sie 2012 mit neuem Album („On The Ground“) auftauchten. Diesen folgten noch zwei andere („Ghetto Feel“, „Son of Man“). Aber an die Erfolge und die Qualität der vorangegangenen konnten sie nicht anknüpfen. Die neueren Veröffentlichungen ließen anfangs viel verheißen. Auf dem Cover von „Ghetto Feel“ stand ein brennendes Auto und bei „Son of Man“ starrte uns ein ernstes und warnendes Jungengesicht entgegen. Doch deren Inhalte folgten nicht der gleichen Spur, trotz erkenntlicher Bemühungen.

Die Black Roots blieben ihrer Gesellschaftskritik zwar treu, redeten uns weiter ins Gewissen. Auch schlagkräftig und ohne vorgehaltener Hand gingen sie dabei ans Werk. Nannten die Dinge beim richtigen Namen. Aber musikalisch fehlte es an Würze, dem Schneidigen und Frechen, das ihre Alben aus den Achtzigern so ausgezeichnet hatte. Auf dem neuen Album „Take it“ ist die Aufmachung dagegen moderater. Die Bandmitglieder zeigen sich persönlich. Stehen lässig, aber stolz da – ihrem Alter entsprechend, könnte man auch sagen. So ist aber auch wieder ihr Reggae. Ja, er ist reif und präzise. Sicher und behutsam treiben die Stücke dahin. Doch neben einer virtuos gespielten, ineinander verflochtenen Gitarren- und Keyboardbegleitung, wird wenig gewagt auf dem neuen Album. Spannungsbögen und Wendungen sind selten.

Gebe es doch nur mehr von Songs wie „Be“, wo eine mit Spannung aufgeladene Jazz-Demonstration den Anfang macht und dem treibenden Rockers-Beat den Weg ebnet. Es ist aber im Großen und Ganzen ein Altherrenreggae, der hier vorgetragen wird. Störrisch und unbelehrbar an dem festhaltend, was sie kennen und am besten können. Alle Bestandteile tun lediglich das, was sie sollen. Nicht mehr und nicht weniger. Eine ereignisarme Harmonie gibt den Ton an, die Rhythmen und Bässe folgen gehorsam. Die feierlich straffen Bläser sind zur Stelle, wenn sie benötigt werden. Das ist alles immer noch sehr schön anzuhören – vorausgesetzt man hat übertrieben viel Zeit und Geduld. Auch wenn es manchmal den Anschein hat, dass Errol Brown, der Hauptsänger der Gruppe, nicht immer Herr seiner Stimme ist. Der Kontrast könnte nicht größer sein zwischen dem, was die Black Roots uns vermitteln möchten und der Art und Weise, wie sie es tun. Ihre Gegenwartsbeschreibung ist so schmerzlich, wie wahr. Würde eine Regierung die Inhalte und Erkenntnisse des Albums auf ihre Agenda setzen, gebe es am Ende eine Menge glücklicher und zufriedener Menschen. Doch der nötige musikalische Nachdruck fehlt. Es ist ein Jammer. Die Älteren haben nicht mehr die Kraft – und die Jungen können, wissen oder wollen es nicht.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)