Step Forward Youth (Greensleeves)

Step Foward Youth
(Greensleeves – 2018)

Punk war ab Mitte der 70er Jahre ein wesentlicher Einfluss in der Musik. Zudem verkörperten Punks (in New York und London) eine rebellische Haltung, die schnell zu einem Lebensstil wurde – oft individuell geprägt, später jedoch, vor allem in London, als subkulturelle Strömung, die sich gegen verkrustete, gesellschaftliche Strukturen und vor allem Faschisten richtete. Ende der 70er kam es in London zu diversen Straßenkämpfen, wie zum Beispiel beim Notting Hill Carnival (1976) oder am 13. August 1977 beim “Battle of Lewisham”, als ca. 4000 Gegendemonstranten auf rund 500 Nazis der National Front trafen, die einen Marsch durch einen Teil von South East London geplant hatten. Punk war als Musik mittendrin und sicher auch für viele Beteiligte ein wesentliches Elixier für den Widerstand.

Interessanterweise hörten viele Punks auch Rootsreggae. Reggae galt als Musik der Revolution. Zudem war die oft raue und schnelle Produktionsweise dem Wesen von Punk nicht unähnlich und vor allem unmittelbar – auch wenn die Ergebnisse der Genres in ganz unterschiedlichen Richtungen unterwegs waren. Reggae wurde allerdings nicht nur gehört, so zum Beispiel aufgelegt von Don Letts vor und nach Punkkonzerten, sondern auch in die Musik integriert. The Clash nahmen zum Beispiel im Frühjahr 1977 eine Coverversion von Junior Murvins “Police & Thieves” auf – sicher mit Bezug auf die Riots beim Notting Hill Carnival im Jahr zuvor. Neben Coverversionen entstanden auch eigene, reggaefizierte Stücke, wie etwa “Babylon’s Burning” von den Ruts, die damit sogar mächtig in den britischen Charts punkten konnten, und viele viele mehr. Eine musikalische Verbindung entstand, frei nach dem Motto “Gegensätze ziehen sich an” – vor allem dann, wenn sich in einer gemeinsamen Schnittmenge der Kampf gegen Ungleichheit und Obrigkeiten befand bzw. befindet, denn auch heute ist diese Nähe, wenn auch seltener, etwa in der Skaszene nachspürbar. Nicht zu vergessen sind auch britische Reggaebands, wie etwa Aswad, Steel Pulse und die Capital Letters, die vor allem in den 70er Jahren zum Widerstand aufriefen und ebenfalls in der Punkszene gefeiert wurden.

Auf der jetzt vorliegenden Compilation wird die Zeit der “Punky Reggae Partys” erneut ins Bewusstsein gehoben. Versammelt sind 36 Tunes, die damals eine Rolle gespielt haben. Hierfür wurden alte Interviews, Radiosendungen und Filmaufnahmen herangezogen, um eine passende Titelauswahl zu präsentieren. So zum Beispiel die Favoriten von Johnny Rotten (Sex Pistols) alias John Lydon (PiL), u.a. Augustus Pablo, Dr. Alimantado und Culture, von The Clash (Junior Murvin “Police & Thieves”, Prince Far I “Heavy Manners”), Ian Curtis (Joy Division) und sein Lieblingsstück “Turn The Heater On” von Keith Hudson sowie von The Slits (Junior Byles “Fade Away” und I Roy, der mit “A Noisy Place” und “Point Blank Observer Style” dabei ist). Patti Smith (USA) hatte sich damals für Tappa Zukie begeistern können, der hier mit “Jah Is I Guiding Star” vertreten ist. Hinzu kommen Titel von britischen Reggaebands, wie etwa “Ku Klux Klan” von Steel Pulse, “Three Babylon” von Aswad sowie “U.K. Skanking” von den Capital Letters. Die Compilation wurde zudem mit vielen Informationen angereichert, die von Harry Hawks kompetent zusammengetragen wurden. “Step Forward Youth” greift den Ansatz von “Dread Meets Punk Rockers Uptown – Selected By Don Letts” (EMI, 2001) auf und führt sie konsequent weiter.

Karsten Frehe

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.