David Hillyard & The Rocksteady 7 „Burrulero EP“ (Badasonic Records)

David Hillyard & The Rocksteady 7
„Burrulero EP“
(Badasonic Records – 2018)

(Quelle: Badasonic Records)

 

„Kingston Town“ ist einer dieser Songs, die die Zeit ganz plötzlich und unerwartet auf Pause stellen und sie sogar in die Vergangenheit zurückspulen. Für manche, jüngere, ist es die Version von UB40 aus 1989, andere aber setzen auf das Original von Lord Creator aus dem Jahr 1970. Bei ihrer Ausführung dieses jamaikanischen Evergreens haben sich diese New Yorker eher an dem zweiten und ursprünglichen Song orientiert. Die warmen Bläsermelodien, verträumte Gitarrenbegleitung und gedämpfte Bruststimme des Sängers und Perkussionisten Larry McDonald, nehmen uns mit in eine verheißungsvolle Periode des Karibik, wo die ehemaligen Kolonien wie Jamaika ihren Weg in die Unabhängigkeit suchten. Auf verschiedene Arten und unter verschiedenen Umständen. Jedoch stellte sich allmählich heraus, dass der Abgang fremder Herrscher nicht unbedingt auf eine bessere Zukunft hinsteuerte.

Diese Erkenntnis und die dadurch entstandene Resignation, spiegelte sich auf Jamaika musikalisch in Rocksteady wider, dass den schnelleren Tempo von Ska ablöste. Die anfängliche Euphorie also wich einer Melancholie und Nostalgie, die irgendwie noch nicht wahrhaben wollte, dass die Zukunft nicht zwingend rosig sein wird, wie erhofft. Die Liebe, als die letzte Ausflucht aus einer unerfreulichen Realität, gewinnt hier die Oberhand. Die rasch untergehende Sonne wird von einer hellen, mit Sternen gepflasterten Nacht abgelöst, in der die Liebesverheißung wartet. Der ruhige Hafen, umspült von sanften Wellen im Mondlicht, bietet die perfekte Kulisse für einen romantischen Abend. Das Lied bedient alle Register einer Vorstellung von tropischer Romanze und vielleicht ist es auch deswegen so schwer, es in Vergessenheit zu versenken.

Nichts liegt auch dem Retro Hut- und Anzugträger David Hillyard und seinen Rocksteady 7 ferner – einer ständig wechselnden Truppe aus Musikern, die sich beim Wiederaufleben von diesen vergangenen Zeiten hörbar wohlfühlen – und das schon seit den neunziger Jahren und über ein Dutzend Alben hindurch. Es ist eine andauernde Hommage, was die hier veranstalten. Die dezent lässigen Bläser flirten mit schwungvollen Beats, die wiederum von der zurückhaltenden Perkussion des ehemaligen Taj Mahal und Count Ossie-Trommlers Larry McDonald treu begleitet werden – was an sich ein Novum in dieser Art von Musik darstellt. Afro-Jamaican Jazz nennt der Bandgründer und Ex-Slackers Mitglied David Hillyard das, was er hier vor dem Zuhörer wie einen imaginären Technicolor-Film auf einer Leinwand hochzieht. Eine mit Jazz angereicherte, wehmütige Mischung aus altbackenen jamaikanischen und Latino Zutaten also, die ihren Verfallsdatum hartnäckig nicht erreichen wollen.

Am deutlichsten wird das noch in den zwei sogenannten „Burrulero“ Versionen – einem im jamaikanischen, schnelleren und spannungsgeladenen, und einem in gediegenen Latino-Schwingungen eingespielten Instrumentalstück. In einem weiteren Instrumental „So Long Cedric“ wird noch einer jamaikanischen Legende bedacht, dem Saxofonisten Cedric Brooks, der mit seinem verwirbelten und kunstvollen Saxofon-Spiel wie kein anderer den Jazz in jamaikanischer Musik von Anfang an verkörperte. Und der wahrscheinlich auf David Hillyard einen großen Einfluss ausübte, der selbst auch ein Saxofon-Spieler ist. Es ist ein musikalisches Revue passieren lassen, das träumerisch und sehnsuchtsvoll auf eine Zeit zurückblickt, die es nicht mehr gibt und so auch nicht mehr geben wird. Doch diese widerspenstigen New Yorker leben die ungeachtet dessen mit vollen Zügen noch aus.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)