Max Romeo „Words From The Brave“ (Baco Records)

Max Romeo
„Words From The Brave“
(Baco Records – 2019)

Auch wenn er seine Solo-Karriere als Skandalsänger mit dem damaligen Hit „Wett Dreams“ begonnen hatte, hat sich Max Romeos Fokus schon relativ früh in seiner Laufbahn auf die wirklich wichtigen Dinge verschoben. Das ist auch in seinem fünfzigjährigen Sänger-Dasein größtenteils so geblieben. Sein von Lee Scratch Perry produziertes Album „War Ina Babylon“ aus 1976 ist ein klanggewaltiges Rasta-Manifest, der bis heute an seiner Ausstrahlung nichts eingebüßt hat. Für diesen jamaikanischen Foundation Artist ging es immer ums Ganze. In seinen Lyrics wurde der epische Kampf zwischen Gut und Böse beschrieben und er betrieb auch schon mal Teufelsaustreibung in noch so einem zeitlosen und viel gecoverten Hit „Chase the Devil“.

(by Valentin Campagnie)

Nichts weniger als das Schicksal der Menschheit stand für ihn auf dem Spiel. Aber er war kein Salon-Prediger, sondern ein hitzköpfiger Agitator, der sich nicht davor scheute, Partei zu ergreifen. Er legte sich mit führenden Politikern an und seine Songs erhielten auch schon mal Radio-Verbot in Jamaika. Lange, jahrzehntelang danach, sollte er seiner damaligen Form nachrennen. Eine Ausnahme war die Zusammenarbeit mit Jah Shaka (Album „Far I Captain Of My Ship“ von 1992). Bis er schließlich mit dem Album „Horror Zone“ vor drei Jahren endlich wieder zu sich selbst fand. Oder besser gesagt, sein Weltuntergangs-Reggae wieder aufleben ließ.

Doch für sein neues Album „Words from the Brave“ scheint Max Romeo die stärksten Worte aufbewahrt zu haben – mit kaum zu überbietender Aktualität. Aber auch die düstersten, ganz zeitgemäß. Der Song „Have You Ever Hit Rock Bottom?“ kann auch als Romeos autobiografische Entblößung verstanden werden. Dieser hatte schon im Teenager-Alter das Leben auf der Straße ausgekostet und bestritt seinen Lebensunterhalt mit Arbeit auf Zuckerrohrfeldern Jamaikas. Diese Erfahrung hat er vielleicht auch in dem Song „Farmer‘s Story“ verarbeitet, der mit betörenden Bässen und verträumten Gitarrenbegleitung aufwartet. In „Eve Of Destruction“, einem Cover-Song von P. F. Sloan aus 1965, malt er eine aus den Fugen geratene Welt, die sich am Rande des Zusammenbruchs befindet. In „World‘s On Fire“ beschwört er eine göttliche Intervention als letzten Ausweg. Der Titel-Song „Words From The Brave“ macht eine trostlose Bestandsaufnahme der Gegenwart, während die leicht bedrohlichen Bläsersätze im Hintergrund an die aus Aswads „Warrior Charge“ erinnern.

(by Valentin Campagnie)

„Heaven“ bringt auch so eine Ladung Gänsehaut mit morbiden Sätzen wie “heaven is only six feet under / and we all gonna make it there”. Die Drums prasseln währenddessen zeitweise wie Knüppelschläge nieder, verziert mit spannenden Melodiebögen und dubbigen Effekten. Vorzugsweise sind es furios ausbrechende Gitarren oder fesselnde Bläsersätze. Ganz rustikal und warm gehalten das Ganze dazu. Hinter diesen sehr rootsigen Arrangements steht die französische Band Roots Heritage, die erstmals 2016 Max Romeo auf seiner Tour begleitete. Diese ist seitdem zu einem vielköpfigen Ensemble gewachsen, das sich so selbstbewusst aus der Vorratskammer der Reggae-Geschichte bedient, damit es wieder authentisch klingt. Die Melodien und Riddims dieser Franzosen waren für den Veteranen Max Romeo so verführerisch, dass er im Nachhinein die Song-Texte dazu schrieb – und zwar seine intimsten bis jetzt. Ehrlicher geht‘s nicht.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)