Reggaedemmi im Interview

Reggaedemmi

Seit 2012 ist Reggaedemmi als Band unterwegs. Neun Musiker aus Hamburg und Lübeck, die seit Jahren reggaeinfiziert auf Bühnen und Festivals gut gelaunt aufspielen. Mit “EPdemmi” liegt die aktuelle Veröffentlichung vor. Grund genug, Basse (Leadsänger, Saxophonist) und DiGi (Schlagzeug) ein paar Fragen zu stellen….

Als ich das Cover von eurer aktuellen Veröffentlichung „EPdemmi“ zum ersten Mal gesehen habe, musste ich in mich hinein grinsen. Denn die ganzen Aufkleber, die dort zu sehen sind, machten mir klar, dass ich euch zunächst genau über diese wahrgenommen habe bevor ich die Musik kannte. Überall, wo ich mich – vor allem in Hamburg – bewegte, war schon jemand da, um einen Reggaeedemmi-Aufkleber zu hinterlassen. War das eigentlich ein groß angelegter Cou mit dem überbordenden Geklebe?

BASSE: Als wir uns 2012 gegründet haben war es für Bands noch nicht so üblich wie heute, sich bei Instagram, Facebook und Co. eine Fanbase aufzubauen. Daher haben wir uns überlegt, wie wir unseren Bandnamen auch analog verbreiten können, und da bot sich die Idee mit den Stickern an. Ab dann galt die Devise, dass jedes Bandmitglied immer einen Packen Reggaedemmi-Sticker dabei haben muss und so wurde bei jeder Gelegenheit Hamburg mit Stickern versehen. Insofern kann man diese Sticker-Aktion(en) schon einen Cou nennen aber eher in dem Sinne, dass man sich in den Kneipen, in den man sowieso gerne etwas trinken geht auch mit einem Reggaedemmi-Sticker verewigt.

DiGi: Groß angelegt und geplant speziell für unsere neue EP war dieser Cou nicht. Die hohe „Stickerdichte” hat sich in den letzten Jahren wie eine „Epidemie“ sehr schnell unkontrolliert verbreitet. Deswegen haben wir das in der Optik unseres neuen Release „EPdemmi“ aufgegriffen.

Ihr seid seit 2012 unterwegs. Wie kam die ganze Reggaedemmi-Sache ins Rollen? Könnt ihr mir ein bisschen über eure Anfänge und die Motivation, Reggae zu machen, erzählen?

BASSE: Angefangen haben wir, wie viele andere Bands auch, als Schülerband bei unserem alten Schlagzeuger im Keller. Als ich mit meinem Saxophon dazu kam war es ein musikalischer Mix aus Reggae, Ska, Polka, Country und noch anderen Stilen, aber das Genre Reggae zog sich irgendwie durch alle Songs so ein wenig durch.

DiGi: Reggae zählt für mich zu „echter Musik“. Es ist mehr als nur ein Genre. Genau so wie beispielsweise Rock oder HipHop. Diese „echten” Musikstile verkörpern immer eine gewisse Attitüde, eine Lebenseinstellung, vertreten bestimmte Werte und eine gewisse Haltung zu Etwas. Man macht diese Musik, weil man einfach muss, weil man sich damit identifiziert, sich darin wiederfindet, weil man sie als Ventil und auch als Sprachrohr für sich entdeckt.
Aus Drummer-Sicht: ich liebe einfach die verschiedenen Beats/Grooves von Steppas, Rockers, One Drop, Dancehall, Ska und Nyabinghi. Auf letzterem basiert der Roots Reggae. Um das Fundament hierfür zu bilden, braucht es mehrere Trommler (“Nyabinghi Section“). In welchem Musik-Genre sonst, gibt es denn sowas fantastisches?!

Von Anfang an, begonnen mit der „Demo Platte“ (2012), „Tanz Dich Frei“ (2016) bis hin zur aktuellen Veröffentlichung „EP Demmi“, habt ihr den allergrößten Teil eurer Texte auf Deutsch geschrieben und gesungen. Wie kommt es dazu, dass ihr deutsche Texte offenbar bevorzugt? Hat das auch eine inhaltliche Komponente – sprich: fällt es leichter, (kritische) Inhalte in der eigenen Muttersprache zu singen?

Basse: Ganz ehrlich gesagt: Ja. Meine ersten Songtexte habe ich auf Deutsch geschrieben – damals noch mit der Ambition im Singer-Songwriter-Bereich zu singen. Daher haben sich meine Textschreibe-Skills eben nur auf Deutsch weiter entwickelt und das Englische ist da etwas untergegangen. Als wir dann mitbekommen haben, dass es nicht all zu viele deutschsprachige Reggaebands gibt, haben wir uns dafür entschieden bei den deutschen Texten zu bleiben und den deutschsprachigen Reggae mit voran zu treiben. Glücklicherweise kam dann ja aber mit Diego als Percussionisten und zweiten Sänger die spanische und englische Sprache dazu, sodass wir nun auch etwas internationaler unterwegs sind, was die Songtexte angeht.

DiGi: *räusper* … also ich spiele in jeder Sprache!

Orientiert ihr euch diesbezüglich an anderen Artists, die ebenfalls auf Deutsch gesungen haben oder es immer noch tun? Ich denke da zum Beispiel an Nosliw oder Raggabund….

Basse: Ich glaube jede Band orientiert sich beim Songwriting etwas an ihren musikalischen Vorbildern und nimmt sich hier und da Inspirationen mit. Für mich sind das Bands und Künstler wie Ganjaman, Dubtari, I-Fire und vor allem auch das Berlin Boom Orchestra, dessen Texte mich sehr inspiriert haben, als ich angefangen habe Reggae zu hören und für Reggaedemmi Songtexte zu schreiben.

Beim Hören der aktuellen Songs fällt mir auf, dass ihr inhaltlich etliche Klippen der oft beliebigen Reggae-Inhalte umschifft und Problemlagen deutlich klarer benennt, als es im Reggae häufig der Fall ist. Sind euch bezogen auf die Botschaft die gängigen Textbausteine des Reggaes zu ausgelatscht?

Basse: Ausgelatscht würde ich jetzt nicht unbedingt sagen, aber wir wollen den Leuten eben eine klare Botschaft in unseren Texten mitgeben, wenn wir beispielsweise über die Profitgier von großen Konzernen singen oder die vielen Kriege und Krisen, die auf dieser Welt wüten, verurteilen. Und zudem wäre es auch auf Dauer etwas langweilig, in jedem zweiten Song das Wort „Babylon“ zu gebrauchen oder ständig über den übermäßigen Konsum von Weed zu sprechen.

DiGi: Obwohl ich keine Texte für die Band schreibe, wage ich mich trotzdem mal zu antworten. Ich finde an Reggae generell sehr interessant, dass die Musik und die Botschaften Nationalitäten und Sprachen übergreifend sind. Nicht nur von den Zuhörern sondern eben auch von den Musikern selbst, die diese Musik machen. Im Ursprung ist Reggae „black”. Aber hinzu gibt es halt viele Menschen anderen Ursprungs, die sich in der Grundhaltung/Attitüde der Musik wiederfinden, aber den Reggae für sich in ihrer eigenen Weise interpretieren, in ihrem eigenen Stil anwenden bzw. umsetzen. Dadurch entstehen manche Abweichungen von gängigen Phrasen ganz automatisch, so denke ich.

Wie läuft es bei euch mit den Songs? Ist es ein gmeinsamer Prozess bei dem die Tunes entstehen oder gibt es so etwas wie einen Bandleader?

Basse: In der Regel entstehen die Songs in einem gemeinsamen Prozess, entweder aus dem Jammen heraus oder einer von uns bringt eine musikalische Idee mit, die dann gemeinsam bearbeitet wird. Einen Bandleader, der ansagt wo es lang geht, gibt es insofern nicht, auch wenn manchmal einer von uns in der Probenleitung das Ruder übernimmt. Bei uns gilt aber grundsätzlich die Regel, dass jeder, der eine musikalische Idee ins Songwriting einbringt, diese auch ausprobieren kann. Auch wenn das Songwriting dadurch etwas länger dauern kann. Dies ist für uns das beste Mittel, um einen Song so zu schreiben, dass jedes Bandmitglied sich mit dem Song sowohl musikalisch als auch textlich wohl fühlt und dahinter steht.

Für die aktuelle Produktion seid ihr nach Berlin zu Aldubb in die Planet Earth Studios gereist. Wie kam der Kontakt zustande?

DiGi: Ich bekam das Studio empfohlen. Hab mich daraufhin ein bisschen schlau gemacht und es dann den Jungs vorgeschlagen.

Die Studios in Berlin haben sich in den letzten Jahren zu einem Kreativpool in Sachen Dub und Reggae entwickelt. Wie war die Atmosphäre während der Aufnahmen?

Basse: Die Atmosphäre bei den Aufnahmen war an sich nicht viel anders, als bei den Aufnahmen bei den vorherigen Studios. Bei Aufnahmen im Genre Reggae ist grundsätzlich alles sehr entspannt und locker, aber man versucht natürlich auch das Beste aus der Musik rauszuholen. Der Unterschied zu anderen Studio-Erfahrungen war vielleicht, dass man sich als Teil einer großen Community fühlte, auch wenn wir insgesamt nur drei Wochenenden dort verbracht haben. Und natürlich war es ein fast schon berauschendes Erlebnis, Aldubb bei der Arbeit über die Schulter zu schauen, wenn er zwei, drei Regler verschiebt und damit den Song wieder einen Tick besser klingen lässt.

DiGi: Für mich war es super! Räume, Equipment und Sound… ein schönes Studio! Vor allem mag ich, da muss ich leider unserem Sänger widersprechen, eine voran schreitende Arbeitsatmosphäre. „Rumdümpeln“ ist nicht so mein Ding. Ich hatte das Gefühl der Aldubb ist da ähnlich gestrickt. Das gefiel mir sehr!

Was davon lässt sich auf den Tunes nachhören bzw. erspüren?

Basse: Das ist immer schwer zu sagen, da sich die Atmosphäre nicht eins zu eins auf eine Aufnahme übertragen lässt wie bei einem Livemitschnitt. Man könnte vielleicht sagen, dass jeder Song eine eigene individuelle Energie hat, die wir im Studio in dem Sinne erlebt haben, als dass jeder von uns Musikern mit seiner Persönlichkeit seinen Teil zu der EP beigetragen hat. Und natürlich hat Aldubb mit all den Dub-Elementen wie zum Beispiel im Tune „This Moment“ die Songs nochmal deutlich verbessert, sodass wir beim Anhören des Ergebnisses nur dachten: Bam, das klingt ja sogar noch fetter, als wir uns das vorgestellt haben.

DiGi: Achtung, sehr spezifisch, aber ich persönlich liebe den Snare-Sound! Er kommt dem von vielen „Midnite“ Songs sehr Nahe. Die Snare stand im Studio einfach im Regal rum. Ich habe sie angespielt und wusste, die will ich auf der Platte!

Was steht demnächst an? Weitere Konzerte, ein neues, komplettes Album?

Basse: Da wir dieses Jahr konzertmäßig ein wenig Flaute hatten, planen wir schon ein wenig das nächste Jahr und versuchen jetzt noch ein Musikvideo zu realisieren. Nebenbei schreiben wir schon fleißig an neuen Songs und neuen musikalischen Ideen. Der Plan für nächstes Jahr ist, vielleicht eine kleine Deutschlandtour zu machen, um auch mal aus dem geliebten Norden heraus zu kommen, aber da ist noch nichts in trockenen Tüchern. Jetzt freuen wir uns erst einmal auf die beiden noch anstehenden Gigs und lassen dann in alter Reggae-Manier das Jahr entspannt ausklingen.

DiGi: Ein kleines „Wunsch-Projekt“ von mir wäre eine Riddim EP. Ein Riddim von uns mit verschiedenen Sängern aus unserem Umfeld. Welches sehr groß ist: Deutschland, Kolumbien, Jamaika. Da könnte was schönes entstehen! Schauen wir mal, ob ich das genehmigt bekomme, beim Band-Finanzminister 🙂

Interview: Karsten Frehe (09/2019)

www.reggaedemmi.de

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.