Claude Fontaine „Claude Fontaine“ (Innovative Leisure)

Claude Fontaine
„Claude Fontaine“
(Innovative Leisure – 2019)

Die Kehrseite von Liebe ist nicht Hass, es ist schlicht und einfach die Abwesenheit derselben. Die Leere, die sie hinterlässt, ist so groß, wie es die Liebe selbst einmal war. Über die Welt und einen legt sich ein bleierner Schleier, wie undurchdringliche Folie umhüllt es alle Dinge; nichts riecht, schmeckt und erfreut mehr. Es bedarf eines Erdbebens, um diesen dunklen Vorhang zu zerreißen. Und ein gebrochenes Herz kann sehr wohl auch etwas Befreiendes sein. Für diese junge Amerikanerin mit klangvollem Namen war es die Entdeckung der Musik. Nicht irgendeiner — alte jamaikanische und brasilianische Platten wiesen ihr den Weg, wie sie den Scherbenhaufen, zu dem sie zerfallen war, wieder zusammenflicken könnte. Daraus wurde ein mutiges, fast schon größenwahnsinniges Unterfangen.

In ihrem gleichnamigen Debüt stellt Claude Fontaine Fragen, auf die es keine ausreichenden Antworten geben kann. Doch, sie macht es trotzdem, um ihrer selbst willen. Kann jemand neues genauso wieder geliebt werden? Und wie? Kann man überhaupt noch lieben? Ihr Singen ist mehr ein verträumtes Flüstern mit einer unschuldigen und weichen Stimme, mit dem sie eine sehr melancholische, und noch mehr romantische Reise in die Vergangenheit vollzieht. Vollkommen in sich gekehrt, singt sie sich in eine gefühlvolle Traumwelt, die jedoch von der Wirklichkeit tief vernarbt wurde.

© Bandcamp

Flucht in die Vergangenheit

Es ist kein Zufall, dass das Album genauso klingt, wie die Platten, von den Claude Fontaine so inspiriert war. Es gelang ihr, zusammen mit ihrem Label, einige der Musiker zu versammeln, die schon auf jenen alten Platten zu hören waren. Und nicht nur das, sogar die Instrumente klingen so, als hätte man sie aus einer Zeitkapsel wieder ausgegraben. Eine Mischung aus altgedienten und erstklassigen Musikern, die sowohl jamaikanische, als auch brasilianische Musik mitgeprägt haben, fand sich mitwirkend auf diesem Album wider. Dabei ist ihr Erstling in zwei Hälften unterteilt. Eine Reggae- und eine Bossa Nova-Seite mit jeweils fünf Songs, die sich wie fehl am Platz befindliche Artefakten anhören.

Rasch aufatmende, feierliche Bläser, kantige Gitarrenbegleitung und kurvige Basslinien tummeln sich entlang fest verlaufenden Rhythmen und prägen die ersten fünf Songs, die genauso direkt aus Coxsone Dodds Studio One der frühen 70er hätten stammen können. Gelegentlich fließen die Songs zu ihren Enden in kurze Dub-Verlängerungen, in denen sich schief gestellte Gitarren zur Endlosigkeit wirbeln. In der zweiten Hälfte dominiert dann eine verträumte und melodiöse Akustikgitarre, die mit geschmeidigen Streichern oder sanften Flöten untermalt, die flüssigen Beats, die keine Eile kennen, begleitet. Das ganze mag auch übertrieben sentimental und etwas kitschig klingen. Aber jedenfalls ist es immer so ehrlich, wie die Tränen einer jungen Frau, die zum ersten Mal volle Breitseite vom Leben abgekriegt hat; wenn das keine gute Ausgangslage für ein Album ist.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)