I-Fire spricht Tacheles!

I-Fire spricht Tacheles!

Gut gelaunt erscheint die neunköpfige HipHop-Reggae Band I-FIRE aus Hamburg vor ihrem Gig im Ingolstädter „Ohrakel“ zum Interview. Die 2004 gegründete Combo fläzt in den Sofas der Katakomben und wartet auf den Soundcheck. Die über die Jahre gewachsenen engen freundschaftlichen Bande sind offenkundig. I-FIRE lässt sich den aktuellen Tourstress nicht anmerken. Trotz inszeniertem Chaos wird kräftig geflachst.

Wann erscheint I-FIREs nächste CD?

FREE (Voice): 2013. Hoffentlich!
DUB-ILL-YOU (Voice): Zumindest ist das die Planung.

Und das holt Deutschland aus der Depression?

(Kollektives Gelächter und Prusten.)
FREE (versucht ernst zu bleiben): Ähem – nein, soweit würde ich nun auch wieder nicht gehen wollen.

Also wird I-FIRE auch den Klimawandel nicht aufhalten können?

(Wieder Gelächter.)
RAWBIRD (Voice): Vermutlich hätte sich das Klima, bedingt durch epochale Zeitabschnitte, auch ohne Zutun der Menschheit gewandelt. Aber dass wir den Klimawandel durch unseren Treibstoffausstoß forciert haben, liegt auf der Hand. Dazu muss ich kein Biologe sein.
DUB-ILL-YOU (empört): Das Zeug, aus dem wir Strom beziehen kommt aus der Erde und davon gibt es nicht viel. Ich finde es eine Unverschämtheit, dass wir diese Energie einfach schaufelweise aus dem Fenster schippen! Das ist eine Sauerei, Klimawandel hin oder her. Derart verschwenderisch mit einer Sache umzugehen, die nur begrenzt zur Verfügung stehist verantwortungslos und dämlich!

Trifft I-FIRE Entscheidungen demokratisch?

DUB-ILL-YOU (zwinkert): Ja, klar, schließlich sind wir das Politbüro, da läuft das so!
(Gelächter.)
FREE: Es geht tatsächlich demokratisch nach dem Abstimmungsprinzip zu.

Achtet ihr auch auf die Ernährung?

FREE (grinst): Einige mehr, andere weniger.
DUB-ILL-YOU: Willst Du wissen ob wir auch immer schön viel Fleisch essen? Ja, das kann ich bestätigen!
RAWBIRD (Vegetarier): Nein, tun wir nicht!
FREE: So, jetzt geht es nämlich los! Ich dachte zwar meine Antwort war ganz gut, aber wir können das auch vor der Tür austragen.
DUB-ILL-YOU: Ach was, das schneiden wir einfach raus.
FREE: Das bleibt drin.
DUB-ILL-YOU: Ich denke, man kann jede vegetarische Speise mit etwas Fleisch aufpeppen
FREE: Also bei mir ändert sich das samt meiner Lieblingsspeise saisonal.
DUB-ILL-YOU: Free meint Scholle, Matjes, das junge Reh…
RAWBIRD: Haha! Ich kann zu diesem Thema leider nichts sagen, denn es würde nur zu Unstimmigkeiten innerhalb der Band führen. (Erneutes Gelächter.)

Stichwort Frauenquote in Eurer Band, von wegen politisch korrekt?

RAWBIRD: Gibt es nicht – Punkt. Oh Gott, was sag ich da! (Gelächter.)
FREE: Ist reiner Zufall, hat sich einfach nicht ergeben.

Was hat es mit Eurer Verbindung zu „Baobab“ auf sich?

DUB-ILL-YOU: Wir haben Andy, den Gründer von „Baobab“, das erste Mal zu I-FIREs Anfangszeit bei einem Gig in Bremen getroffen. Was Andy auf die Beine gestellt hat, ist eine Supersache und hat mich schwer beeindruckt! Andy hat damals Geld geerbt und wollte an sich auf Weltreise gehen. Dabei ist er in Kenia hängengeblieben und hat da mal eben ein Waisenhaus gebaut. Bis heute holt das Projekt vor Ort Kinder von der Straße, kümmert sich um sie und gibt ihnen Unterricht. Das finde ich spitze. Zudem verkauft „Baobab“ Kinderspielzeug, um auf sich aufmerksam zu machen und nebenbei Geld zu sammeln. Dazu organisiert er Konzerte, bei denen I-FIRE selbstverständlich immer gern vertreten ist. Ebenso engagieren wir uns für „Viva con Aqua“ und ähnliche Non-Profit-Projekte. Da wären wir wieder bei dem Verantwortlichkeits-Thema. Ihr wisst schon…
(I-FIRE wird zum Soundcheck gebeten.)

 

I-Fire –  „Sorry, ich hab grad nicht zugehört.“

Die leere Halle des Ingolstädter „Ohrakels“ ist erfüllt vom fetten Beat. Drummer Andreas absolviert als erster den Soundcheck. „Die Snare Andreas, ich will die Snare!“, ruft Tonmaster Matthias in breitem nordischen Slang. „Okay. Und jetzt den Rimshot!“ Nach Andreas erscheint Anton und schlägt den Bass an. Dazu gesellt sich Marcus an der Gitarre, als nächstes Keyboarder Valentin. Nachdem auch Bläser Nils und Niklas mit dem Soundcheck durch sind, komplettieren die drei Vokalisten das Bühnenbild der Hamburger Reggae-HipHop Band I-FIRE. Rawbird hockt auf dem Podest zu Füssen der Drums und singt eine melodische Hookline, während Dub-Ill-You entspannt den linken Bühnenrand abschreitet und einstimmt. Indes schlendert Free rappend den rechten Bühnenbereich ab und wird nicht müde, Matthias‘ Anweisungen Folge zu leisten. Das authentische Szenario vermittelt pure Leidenschaft. Die wenigen Songfetzen, die zu Hören sind, beinhalten auch Lieder, die bislang unbekannt sind und versprechen einen exzellenten Konzertabend. Matthias winkt ab. „Cut, das war’s!“ Ton- und Lichtmischung stimmen.
Ab an die Bar und mit Getränken bestückt in die Katakomben. Den Tourstress lässt sich die flachsende Combo nicht  anmerken und fläzt in den Sofas. Im orangen Schein der dürftigen Beleuchtung werden nun die Interview-Fragen beantwortet. I-FIRE wirkt sympathisch und vermittelt Bodenhaftung, wobei der allgemeine Spaß deutlich im  Vordergrund steht.
Die erste Frage bezieht sich auf I-FIREs Entstehungsgeschichte. Rawbird antwortet als erster, und reicht das Mikro an Free weiter. Nachdem auch seine Antwort „im Kasten“ ist, passiert ein Klassiker: Der unablässig rot blinkende Record-Button am Mikro sollte zwar rot leuchten, aber nicht blinken! Als klar wird, dass er versehentlich nochmals gedrückt wurde und die ganze erste Aufnahme nicht existent ist, krümmen sich die Anwesenden vor Lachen und das Interview beginnt von vorne.
Rawbirds Running-Gag: „Shietkram, das Mikro blinkt“, zieht sich durchs gesamte Interview. Es wird debattiert über Putins Vorgehen in Bezug auf Pussy Riot, den Klimawandel und Castingshows, während das Mikro von einer und Hand zur nächsten wandert. Nicht immer sind die I-FIRE-Mitglieder einig, doch stets ist die familiäre Zusammengehörigkeit spürbar. Der nächste Lacher erobert den Backstagebereich als Dub-Ill-You die Frage nach I-FIREs Altersrange (innerhalb) der Band missversteht und meint, es sei nach dem Alter des Publikums gefragt. Wie aus der Pistole geschossen, kommentiert er selbstbewusst: „Von Null bis 99. Sollte jemand älter sein und es trotzdem zum Konzert schaffen, wird ihm das sicher auch noch gefallen.“ Rawbird flüstert: „Mensch, WIR sind gemeint!“ „ Ach so – äh – ja“, Dub-Ill-You korrigiert sich, „26. Das gilt für mich, und auch für alle anderen.“ Wieder wird gegrölt, denn natürlich sind nicht alle Bandmitglieder im gleichen Alter wie Dub-Ill-You, der seine ganz eigene Logik nachsetzt: „Ich finde, bevor man nicht alt geworden ist, lohnt es sich nicht darüber nachzudenken, wie alt man ist – Punkt.“
Auf die Frage, wie es mit dem Fithalten on Tour aussieht, antwortet Free, er würde sich zwar immer viel vornehmen, aber kaum etwas davon durchziehen. Daraufhin wirft Rawbird ein, dass Free einfach nur die Fitnessräume der Hotels nutzen müsse, worauf Dub-Ill-You die Tatsache zu bedenken gibt, diese Räumlichkeit sei höchsten in jedem zehnten Hotel  gegeben. Free bestätigt: „Ja, genau. Und selbst dann ist die Nutzung dessen maximal ein einziges Mal von zehn Mal geschehen.“ Erneute Lachsalven ertönen und Free betont, alles sei „im ROTEN Bereich“. Was wiederrum Rawbirds Stichwort ist, um panisch das Lämpchen am Mikro zu kontrollieren.
Das Fass zum Überlaufen bringt Minuten später der Bläser Nils. Er beantwortet nämlich die Frage, wie I-FIRE im Tourbus die Zeit totschlägt mit: „Sport treiben!“, was glatter Schwindel ist und verdeutlicht, dass er wohl während des Interviews nicht immer geistig anwesend war. Spätestens jetzt fließen Tränen des Gelächters und der Rest der Band fühlt sich dazu inspiriert, ihre bevorzugten Spiele des Zeitvertreibs durch die Katakomben zu plärren. Dabei erschallen Wortfetzen wie „Dummschwätzen“, „Bierstoßen“, „Sprüche klopfen“ und „Ghetto spielen“, bis Drummer Andreas das Spiel „Ein- und Ausladen“ favorisiert.
Da macht es auch nichts mehr, dass Nils das Mikrophon mit den Worten: „Hmmm, Eis am Stil! So ein Konstrukt hab ich wirklich noch nie gesehen“, inspiziert, als käme es out of Space.
Die Frage, ob I-FIRE nebenbei noch Jobs hat, wird abgetan mit: „Sorry, ich hab grad nicht zugehört.“ Dann ergänzt Nils scherzend: „Nö, die haben wir alle verloren – fertig“, und: „Guck uns doch an, wer hält diesen Haufen schon aus?“  Schlussendlich outen die Jungs ihre Brotjobs doch.
Das Catering wird aufgefahren, während Basser Anton noch zum Zuge kommt. Auf die Frage, wen er gerne Treffen würde, antwortet er trocken und allen Ernstes: „Heute? Muss ich?“, was ihm den Abschluss-Lacher garantiert. Nach dieser Stand-Up-Komedy ist derAbend nur noch mit dem anschließenden Konzert zu toppen. Das Publikum fordert I-FIRE inzwischen lautstark auf die Bühne.

Interview & Text: Melanie Nunner

www.i-fire-sound.com

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.