Jamaram im Interview

Jamaram

JAMARAM

Vor Kurzem ist von Jamaram das Album „La Famille“ erschienen. Als ich es zu ersten Mal gehört habe, hat es mich sofort gepackt. Die Freude und Leichtigkeit ihrer Musik wollte ich live erleben, und die Menschen dahinter kennenlernen. Jamaram ist eine Band aus München, die nach eigener Aussage „eine gesunde Mischung“ aus allen Musikrichtungen spielt, die ihnen persönlich gefallen. Ich habe mit ihnen in Hamburg mein erstes Interview geführt und sie als sehr sympathisch und offen kennengelernt. Auf ihrem Konzert im Knust konnte man sehen, dass es den Besuchern genauso ging. Das ganze Puplikum ging ab dem ersten Lied wild feiernd mit. Tom, der Leadsänger, begründet das so, dass sie eine Liveband sind und: „Was uns eigentlich mehr ausmacht, ist uns live zu sehen, als auf CD zu hören“.

Wie war so die Rückmeldung auf euer neues Album „La Famille“?

Tom: Gut! Die Rückmeldungen sind total unterschiedlich, dem einen gefällt das besser, dem anderen gefällt dies besser. Man kriegt auf die unterschiedlichsten Lieder Rückmeldung, und … der eine findet den ersten Song super geil, der ist ganz ruhig, und eher ein Kinderlied, die anderen finden eher die Reggae-Sachen super … also, die sind total unterschiedlich, die Rückmeldungen. So unterschiedlich die Scheibe ist, so unterschiedlich sind die Rückmeldungen auch. Aber das ist gut.
Lionel: Aber es gab noch keinen, der gesagt hat, das ist beschissen. Was cool ist.

Gab es überhaupt Kritik?

T.: Mir hat einer gesagt, ihm gefällt immernoch das Live-Album am besten, weil es am meisten widerspiegelt, was wir machen und… aber das es Scheiße ist hat noch keiner gesagt .. so wirkliche Kritik …
L.: Ich habe das Feedback bekommen, dass das Album mutig ist. Das wurde mir dann so erklärt, das halt kaum Reggae drauf ist, mehr Folk und Country und so Indie-Sachen und, dass wir ja eigentlich eine Reggaeband seien. Da musste ich den Kritiker auch sofort ausbremsen, weil wir einfach keine Reggae-Band sind. Aber er meint trotzdem, dass es mutig ist, weil es eigentlich kein Reggae-Album ist. Also: unser neues Album ist mutig!

2012_jamaram

Das ist eine gute Beschreibung (Lionel und Tom lachen). Wenn ihr neue Lieder schreibt, wie entstehen die dann, in Einzel- oder eher in Gemeinschaftsarbeit?

T.: Das ist ja der Punkt. Viele Lieder entstehen einzeln, manche in Gemeinschaftsarbeit. Das ist meistens so … man kommt mit ‘ner Idee an, und dann lässt man den Rest von der Band sich da mit verwirklichen. Aber oft ist es so: der Sam hat ‘nen Song geschrieben und ich hab ‘nen Song geschrieben und der kommt dann fertig an. Oder… „La Famille“ z.B. hat der Lionel komplett alleine geschrieben und dann kommt dann halt was dazu. Der Muxen, macht dann… Lionel kommt mit ‘ner Idee, die wohnen zusammen in ‘ner WG und dann entwickelt sich in der WG diese Grundidee weiter bis sie Handfest wird und dann geht man in den Bandraum und dann baut man das noch fertig. Es kommen noch die Bläser oben drauf und man schleift das Ganze dann noch so zusammen, das da ein richtiger Song draus wird. Die Songs entstehen also auf drei verschiedene Art und Weisen. Man kommt mit ‘nem fertigen Song oder man kommt mit ‘ner Songidee an und die wird dann von den anderen fertig gemacht… und die müssen sowieso durch acht. Also jeder Song, egal wie man damit ankommt, wird meistens von den anderen Leuten dann noch leicht geformt.

Würdet ihr trotzdem sagen, dass ihr einen Bandleader habt?

T.: Kommt darauf an für welchen Bereich. Wenn man sagt, jetzt fürs Touren und live Spielen und für den Sound auf der Bühne, definitiv, das ist der Bennie. Das ist der Bandleader für das Technische, der technische Bandleader. Nen musikalischen Bandleader gibt es nicht so, jetzt nicht direkt.

 Ok. Und wie seit ihr zur Musik gekommen?

L.: Jeder …
T.: Von klein auf, oder?
L.: Jeder anders…
T.: Du von klein auf.
L.: Ich von klein auf, ja ja.

(Sam betritt den Raum)

T.: Sam auch von klein auf, du hast auch viel gesungen oder?
Sam: Nee, ich erst mit sechzehn.
T.: Habt ihr nicht zu Hause Songs gesungen, als Kinder?
S.: Doch, doch, schon.
T.: Also.
S.: Ja … dann schon von klein auf glaub ich.

Wie seid ihr dann aus Einzelmusikern zu einer Band geworden?

T.: Sam hat angefangen Gitarre zu spielen, zu der Zeit. Ich hab zu der Zeit in einer Bigband Musik gemacht, und wir haben uns zufällig getroffen und zufällig haben wir uns am Nachmittag im Café zusammen gehockt und gejammt. Dann kam der Murxen dazu, der damals schon in zwei Bands Schlagzeug gespielt hat. Der kannte unseren damaligen Bassisten, über Freunde und so. Es ist so, dass wer bei uns in der Band spielt, über Freunde dazu kam. Der Lionel, hat z.B. in ‘nem Haus gewohnt, wo wir früher ‘ne WG hatten. Da haben wir ihn kennengelernt und wir haben auch gejammt und irgendwann hat sich herauskristallisiert: Ey, das passt ja ganz gut, und als dann der Platz frei wurde war der Lionel am Start.
L.: Jammen ist das neue Vorstellungsgespräch unter Musikern. Das ist einfach der Stil.
T.: Aber in erster Linie, ist es schon so, dass man auf die, sagen wir mal, auf die sozialen Fähigkeiten Wert legt. Also das man sich wirklich cool als Freunde versteht, und dass wichtig.

Habt ihr mit eurer Musik eine bestimmte Zielgruppe, wo ihr sagt, das Alter oder die Menschen, wollen wir ansprechen?

T.: Nee, eine Zielgruppe gib’s gar keine, also eigentlich an alle die Bock auf…
L.: Alle!
T.: Alle, die Bock ham’ auf Musik. Eigentlich ist die Zielgruppe, dass man alle erreichen möchte. Aber, das forciert man nicht, sondern die Zielgruppe sind wir. Wir sind eigentlich unsere Zielgruppe, wir haben Spaß dran und wem’s noch taugt ist cool. Aber eigentlich, ja, Musik für alle, kann man sagen. Wenn man sich die Konzerte anschaut, im Sommer wenn wir auf dem Flugschachtfest spielen, dann sind alle Altersstufen vertreten.

Ihr wart ja jetzt auch in mehreren Ländern unterwegs. Nicht nur Deutschland, z.B. in Polen. Würdet ihr sagen, es gibt Unterschiede zwischen den Menschen, die auf eure Konzerte kommen?

L.: Ja, aber die Unterschiede sind auch von Stadt zu Stadt ganz … dramatisch, oder von Konzert zu Konzert, das ist echt wie Russisches Roulette. Im Osten stehen sie dann mehr auf Ska und auf so …
T.: Balkan-Sachen
L.: Oder in Frankfurt standen sie krass auf den Dubstep und mehr elektronische Sachen. Das hatten wir mal und dann, keine Ahnung, dann gibt’s … klar Stellen auf denen sie mehr auf Balkan stehen. In München feiern sie krass den Reggae und … also es ist echt krass, wirklich von Stadt zu Stadt, wie da die Hörgewohnheit sich ändert und von Land zu Land auch.
T.: Aber es kommt auch erstaunlich gut an, wenn man wo anders hinfährt.
L.: In Harare standen sie auf unseren Reggae … also die fanden irgendwie geil, dass da ein paar Weißbrote hinkommen und trotzdem ‘nen amtlichen Reggae-Beat spielen können.
T.: In Afrika stehen die auf den Reggae.
L.: Das hat die echt geflasht, ja! Und dann waren wir aber in Kenia und da standen die eigentlich nur auf die Rockelemente. Die stehen voll krass auf Rock, also zumindest in dem Club wo wir waren. Man kann das natürlich nicht verallgemeinern, aber nach uns hat so ‘ne Lenny Kravitz Rock-Cover-Band gespielt und die Leute sind durchgedreht und fanden’s super geil. Also es ist wirklich immer von Stadt zu Stadt anders, mehr als von Land zu Land, würde ich jetzt mal behaupten.

Ihr macht ja seit zwölf Jahren Musik, jetzt schon fast dreizehn. Würdet ihr sagen, dass man irgendwann aufhören sollte?

(Lionel lacht)

T.: Nee, auf keinen Fall. Je länger man das macht umso mehr merkt man, dass es ja mega ist, also, dass es wirklich Wahnsinn ist. Ein super Lebensinhalt, Musik zu machen, mit Menschen ‘ne gute Zeit zu verbringen, auch miteinander irgendwie rumzuhängen. Man ist ja irgendwie doch, also genau wie das Album, „La Famille“ heißt es ja, eine Familie. Man wächst zusammen durch die Zeit, die Erfahrungen die man macht, durch das viele Herumfahren. Das muss man sich so vorstellen: wenn man live spielt sind diese zwei Stunden, die man auf der Bühnen ist, verglichen mit der ganzen Zeit die alles andere kostet, mit dem Fahren, Übernachtungen, Aufbauen, Abbauen, nur ein verschwindend geringer Teil davon. Also man hängt vielmehr Zeit davon einfach so zusammen, das macht es ja auch aus. Also auf jeden Fall von uns glaube ich, will das jeder so lange wie möglich betreiben.

Ihr kommt auch untereinander super miteinander klar, oder?

T.: Ja klar, weil wir auch viel streiten… Es ist so: wenn wir Differenzen haben, dann werden die auch ausgesprochen, oft auch sehr emotional und voll übertrieben, aber dann ist es wieder gut. Also, das kennt ja jeder, man kennt sich ja inzwischen auch lange, man weiß genau, der eine regt sich da mehr drüber auf, dem anderen ist des eher wurscht und dann passt das schon, also …
L.: Mann kann dann natürlich bewusst entscheiden, die Person zu quälen, weil man genau die kleinen Wunden kennt und man kann Salz reinschmeißen und außerdem kann man sich bewusst entscheiden, das zu machen oder es zu lassen.

Macht ihr das manchmal?

L.: Ja klar. Man ist in einer schlechten Laune und weiß genau wie man die Person, auf die man’s jetzt abgesehen hat oder von der man sich angegriffen fühlt … oder die man nerven will ganz schnell auf die Palme bringen kann.
T.: Das hat sich aber schon gebessert, muss ich ganz ehrlich sagen. Man kennt auch selber seine eigenen Fehler besser oder sagen wir mal, seine eigenen Schwachpunkte, und dann weiß man dann: Ok, will man dann jetzt wirklich die Energie verschwenden, sich darüber jetzt aufregen? Ich merke bei mir selber, dass man sich immernoch über die gleichen Sachen aufregt. Aber man versucht dann doch, weil man es wirklich nicht ändern kann, sich darüber nicht aufzuregen.

Könnt ihr von eurer Musik leben?

T.: Naja, man muss … jeder muss nebenbei arbeiten. Also wenn man jetzt nicht, irgendwie, total reduziert. Also: nein. Man muss auf jeden Fall nebenbei arbeiten. Wir sind acht Musiker, plus Tontechniker, plus Lichttechniker meistens und eine Person die mitfährt, um die Sachen zu verkaufen, ‘nen Mercher. Dann bist du schon mal bei … elf Leuten. So, wenn dann die Managerin mitfährt, bist du bei zwölf Leuten und das sind alles Fixkosten die die Gage ja schmälern. Der Bus muss gemietet werden, das Benzin bezahlt werden. Dann hat man noch laufende Kosten, die Band muss sich ja auch selber finanzieren. Was man dann tatsächlich auszahlen kann ist nicht so üppig. Nicht so viel, aber es passt schon. Ich muss ehrlich sagen, man tut es dann doch ganz gerne. Es wäre jetzt noch nicht der Grund gewesen, dass man sagt, man hört mit der Band auf, es rentiert sich nicht. Man muss das Ganze ja auch gesund betrachten. Wenn man’s vergleicht mit anderen Produktionen, bleibt unterm Strich dann doch das meiste bei uns selber hängen, weil wir es doch alles selber machen.

Ich habe zu Schluss noch drei allgemeineren Fragen. Die erste wäre: wenn ihr euch jetzt spontan zwei Dinge wünschen könntet, welche wären es?

T.: Ich wünsche mir, dass meine Kinder und meine Frau hier sein könnten.
Irgendjemand aus dem Off: Ich wünsch’ mir ‘ne Flasche Fanta.
L.: Er wünscht sich ‘ne Flasche Fanta. Ich war die letzten Tage krank und das nervt total. Gesund bleiben, ist super geil, das hilft und macht einfach glücklich. Also wünsche ich mir das. (lacht) Und, ja… dass es weiterhin stetig aufwärts läuft. Das wäre auch cool.
T.: Das die Leute auf die Gigs kommen. Was wünscht man sich noch alles. Ja was eigentlich?

Wenn ihr euch jetzt entscheiden könntet, eine historische Person, tot oder lebendig, zu treffen, wen würdet ihr treffen wollen?

L.: Ich würd’ schon gerne mit Michel Jackson einmal schnacken können. Also das wär’ schon ne coole Person mit der ich mich gerne nochmal unterhalten hätte.

Warum?

L.:Weil der einfach ein krasses Arbeitstier war und man kann glaube ich viel von seiner Arbeitsmoral lernen. So verstört wie es gewesen sein mag, aber der Typ war einfach krass und talentiert. Und es wäre cool, sich einfach mal ein bisschen mit dem auszutauschen. Was heißt austauschen?! Ich hätt’ ihn einfach reden lassen.
T.: Hm … Michel Jackson sagst du? Krass. Ich glaub, das kling vielleicht verrückt, aber wir hatten in den letzten Tagen ein paar Gespräche gehabt und es wäre echt interessant, Jesus mal zu treffen. Ich glaub das wäre ziemlich interessant, einfach mal ein paar Sachen zu checken. Wo die Diskussion aufhört und…
L.: (lacht) Was er darüber zu sagen hat.
T.: Ja. Das wäre, glaube ich, ganz interessant.

Was ist euch neben der Musik wichtig, oder am wichtigsten?

T.: Hm … neben der Musik?! Also am allerwichtigsten ist mir, noch mehr als die Musik, die Familie. Ich bin jetzt Papa, hab zwei Kinder und es ist definitiv die Priorität in meinem Leben. Wenn man Kinder kriegt, verschiebt sich alles, werden andere Sachen voll unwichtig. Sagen wir nicht voll unwichtig, aber viel weniger wichtig. Das hat den größten Stellenwert bei mir eingenommen. Die Zeit mit seinen Kindern und seiner Frau zu verbringen ist mega wertvoll geworden.
L.: Also neben der Musik finde ich gut, dass man schaut, nicht auf der Stelle zu treten. Also, dass man immer irgendwie Fortschritte macht, egal in welchen Gebiet. Dass man sich immer frisch hält. Sich nie auf dem ausruht, was man schon kann, weil das geht ganz einfach. Ich glaub mittlerweile sind wir recht verwöhnt, dass das alles so funktionieren würde. Aber, man sollte sich trotzdem immer so ein bisschen fordern, ein bisschen puschen. Z.B. immer noch früher die Steuern abgibt als gewollt. Noch cooler sein Leben versucht zu optimieren und in den Griff zu kriegen. Das versuche ich auch mit Jamaram. Das gilt für alles.

Was wäre so ein Ziel?

L.: Ich will organisierter werden. Einfach, dass ich weiß, was ich will … wo ich in ‘ner Woche bin. Damit fängt es schon an, das ist schon ‘ne coole Sache.
T.: Ja … krass. Bei mir ist es genau das Gegenteil. Ich würd’ am liebsten ein bisschen gechillter werden und mich nicht so viel verrückt machen, mit Zeug. Man kann gar nicht alles schaffen was man möchte. Geht nicht. Aber, ich tendiere dazu, mich dabei noch verrückt zu machen, und deswegen wäre mein Ziel dann eher, entspannter zu bleiben und zu sagen: „Na gut, dann ist die Küche halt nicht aufgeräumt und ich chill dafür einfach mal ‘ne Stunde mit meinen Kids.“ Oder so… Dann gucke ich halt nicht jetzt meine Kontoauszüge an, oder wie auch immer. Mache meine Büroarbeit jetzt mal nicht, die zwar gemacht gehört, aber nicht so wichtig ist, wie z.B. auch zu entspannen und mal wieder runter zu kommen.

Interview: Nele Frehe (03/2013)

 

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.