Berlin Boom Orchestra, Honigfabrik, Hamburg, 14.3.14

 Berlin Boom Orchestra in der Honigfabrik

 

BERLIN BOOM ORCHESTRA, Honigfabrik, Hamburg, 14.3.2014

Es gibt wenige Reggae-Groß-Bands in Deutschland, die den Vorzeige-Barden SEEED das Wasser reichen können. Neben Culcha Candela oder I-Fire ist das Berlin Boom Orchestra definitiv auf bestem Wege, sich in diese Riege einzureihen und die Republik aufzumischen!

Das haben sie zumindest mit dem Hamburger Süden schon getan. Allein der Umstand, dass sie die Wilhelmsburger Honigfabrik trotz wenig Werbe-Vorlauf füllen konnten, ist ein kleines Wunder angesichts der Mobilitätsverdrossenheit der hanseatischen Szenegänger, die sich oft keine 500 Meter aus der Schanze herauslocken lassen.

Vergangenen Freitag begeisterte die 9-köpfige Combo ein bunt gemischtes Publikum mit einer Albumlänge Songs (Setliste s.u.). Schon die Ankündigung des ersten Titels (“Das ist ein Lied gegen den Winter!”)sorgte für allgemeine Heiterkeit – eine Stimmung, die sich trotz teilweise sehr ernster Textinhalte durch den ganzen Abend zog. Das lag zum größten Teil an der äußerst sympathischen Art des wortgewandten Frontmannes Filou. Der Songwriter, Sänger und Performer gibt nicht nur clevere, gut durchdachte Denkanstöße mit seinen Lyrics, sondern spielt sowohl stimmlich als auch tänzerisch mit den Songs. Und so wie er auf der Bühne abgeht, zum Beispiel beim energetischen Moment Mal, fällt es wirklich schwer, nicht jauchzend mit ihm auf und ab zu hüpfen – Begeisterung ist halt ansteckend!

Ansteckend ist auch das Teamgefühl auf der Bühne. Bruno (Percussions), Fred (Trompete), Anne (Posaune), Lilly (Saxophon), Luke (Keyboard) sowie die Neuzugänge Valle (Gitarre), Jan (Bass) und Jason (Drums) spielen wie eine 16-armige Einheit und wissen genau, wie sie ihre Instrumente einzusetzen haben, um dem Publikum ordentlich einzuheizen. Die Musik gemeinsam so zu zelebrieren, ohne dabei verkrampft auf cool machen zu müssen, ist eine seltene Gabe in diesem egozentrischen Bizness, das viel zu oft die Interpreten in den Himmel hebt anstatt die begleitenden Musiker zu feiern. Nicht so in diesem Fall.

Berlin Boom Orchestra in der Honigfabrik.

Nach dem schweißtreibenden Geh Doch! kündigt Filou vor Die Dreisten Vier eine kurze Umbaupause an und holt die Bläser-Fraktion an seine Seite, “weil nicht immer nur der Typ vorn stehen soll, der quasselt!”. Dann folgt ein Abriss in bester Palance-Manier, bei der bis auf wenige Ausnahmen die versammelte Massive abwechselnd nach links und nach rechts durch den Raum walzt. Dermaßen angestachelt fallen die nachfolgenden Stücke Nein, Mann und vor allem das fast punk-rockige Kein Stück Schlauer auf fruchtbaren Tanz-Boden und lassen keinen Stillstand zu. Ein großer bärtiger Fan gesellt sich sogar zu Filou auf die Bühne und lehnt sich dann übermütig in die tanzende Menge, die aber auf ein solch schwergewichtiges Stage-Diving nicht vorbereitet war. Nachdem er denn zuerst auch nach unten durchsackte, packten plötzlich alle mit an und ließen den Riesen auf vielen ausgestreckten Armen nach hinten durchwandern. Was für eine Atmo!

Das Orchester beherrscht aber nicht nur die Dancehall-Vibes, sondern auch einen relaxten, laid-back Groove, der in Songs wie Wenn es los geht oder Du bist noch so ungewiss zum Tragen kommt, letzteres ein Ode an das ungeborene, nein, un-empfangene Kind des Sängers. Auch Marching gehört in diese Kategorie und besticht neben den ruhigen Klängen erneut durch Lyrics: “Schlaf ist ein kurzer Tod, doch ich will heut nicht sterben.”

Schön zu hören, dass anstatt massentaugliche Hymnen à la PPP (party, pumpum, pussy) runterzuleiern hier um lyrische Exzellenz gekämpft wird. Noch schöner zu sehen, dass dieser Kampf sich lohnt und die message bei den Leuten ankommt. So sehr, dass Filous Ankündigung “Ich kann es fast nicht glauben, aber das ist unser letzter Song!” mit lautstarkem Protest aller Anwesenden quittiert und die Band erst nach 20 Minuten Zugabe von der Bühne gelassen wird.

Lasst euch diese Berliner nicht entgehen! Sie werden sicher auf dem ein oder anderen Festival rumhüpfen (wortwörtlich!) und gehen spätestens im Herbst wieder auf Tour, um das noch im Entstehen befindliche neue Album zu promoten. Bis dahin kriegt ihr HIER alle Infos: www.berlinboomorchestra.de

Bei mir hat’s auf jeden Fall BOOM gemacht.

Text: Gardy Stein, Fotos: Janusz Beck www.januszbeck.com

Berlin Boom Orchestra in der Honigfabrik

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Berlin Boom Orchestra in der Honigfabrik

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Berlin Boom Orchestra in der Honigfabrik

 

Set-Liste:

Big Spliff

Moment Mal

Jerusalem

Wenn es los geht

Marching

Elephants Quest

Holy Moly

Retro

Mollie Collie

Du bist noch so ungewiss

Geh Doch!

Die Dreisten Vier

Nein, Mann!

Kein Stück Schlauer

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.