Camilla Watson

Camilla Watson Projekt

Völlig unverhofft stießen Kollegen und ich bei einem abendlichen Spaziergang im maurischen Viertel von Lissabon (Mouraria) auf ein Projekt von Camilla Watson. Eine sehr gelungene, persönliche Arbeit, die sie zusammen mit älteren Bewohnern ihrer direkten Umgebung initiiert hat. Sehr selbstbewusst präsentieren sich die Bewohner in ihrer Gasse, vor ihren Häusern oder sogar in ihren eigenen vier Wänden. Die Fotografien zieren nun die Hauswände und kehren so das Innen nach Außen. Die Fotografien der britischen Künstlerin berühren, lassen einen schmunzeln und vermitteln dabei sehr viel Wärme. Zum Glück war Camilla Watson in ihrem Atelier anzutreffen und spontan dazu bereit, ein paar Fragen zu beantworten.

Kannst du uns etwas über das Projekt mit den Fotografien älterer Menschen erzählen, das wir gerade in den Gassen um die Ecke gesehen haben und von dem wir sehr beeindruckt sind?

Ich bin 2007 nach Lissabon gezogen und habe hier im maurischen Viertel mein Atelier eröffnet. Die älteren Menschen der Umgebung haben einen enormen Eindruck auf mich gemacht. Sie haben mich freundlich behandelt und waren stets nette Mitmenschen. Hier gibt es eine Hohe Dichte von älteren Menschen.

Ich habe sie mir auf Fotografien an den Wänden vorgestellt in einer Zeit, als die meisten dieser Gebäude nicht renoviert waren. Ich sah eine Verbindung zwischen diesen alten Gebäuden und den alten Menschen, die in ihnen leben. Einerseits, weil sie hier geboren waren, und zum anderen deswegen, weil die Wände der Gebäude, so schien es mir, analog zu ihnen alterten.

Ich habe dann dieses Projekt der Stadtregierung vorgeschlagen und sie haben es akzeptiert. Ich dachte damals, dass die Ausstellung vielleicht drei Monate dauern würde. Und sie ist immer noch da – mittlerweile seit sechs Jahren. Es war in großen Teilen ein Werk, das in Zusammenarbeit mit den Bewohnern des Viertels entstand. In dem Sinne, dass sie selber entschieden, welche Bilder von ihnen an die Wände kommen. Alle von ihnen sind über 70 Jahre alt. Sie wollten auch, dass ihre Namen auf die Bilder geschrieben werden. Ich habe diesen Gemeinschaftsgedanken auch dadurch unterstützt, dass ich auf das Signieren der Arbeiten an den Wänden verzichtet habe. Jedes Jahr erweitere ich das Projekt und nehme im Schnitt 2-3 weitere Bilder auf, die von den Bewohnern ausgesucht werden.

Dona Egilda

Die alte Dame vor ihrer Haustür hieß Dona Egilda. Sie ist vergangenes Jahr gestorben. Sie lebte etwa 50 Meter von meinem Atelier entfernt. Sie war sehr stolz, ihr Bild an der Wand zu haben.

Wie waren denn die anfänglichen Reaktionen der älteren Menschen auf dieses Projekt? Auf den Bildern sehen sie ja sehr stolz aus….

Ganz am Anfang haben sie immer wieder gemeint, dass sie nicht an der Wand hängen wollen. Sehr wichtig war die erste Person, die zugestimmt hat. Es war ein Mann mit Namen Carlos. Er war insofern bedeutend, weil alle ihn sehr respektieren. In dem Moment, wo sein Bild an der Wand hing, wollten alle anderen auch ihre Bilder dort sehen. Wenn es okay für Carlos war, an der Wand zu hängen, war es für sie auch okay.

Alle repräsentieren eine Generation, die dabei ist zu verschwinden. Speziell in diesen alten Gebieten Lissabons. Das geht sehr schnell.

Kannst du uns etwas über die technischen Aspekte deiner Arbeit erzählen?

Ich mache meine eigene Fotoemulsion, was die Basis aller Fotopapiere ist. Viele Bilder entwickele ich mit meiner mobilen Dunkelkammer direkt an der Wand. Andere entwickele ich direkt auf Holz oder auf selbst hergestelltem Fotopapier. Es ist eine sehr hochwertige Emulsion, sodass die Bilder direkt an Wänden über Jahre nicht blasser werden.

Interessant ist ja auch, dass die Bilder an den Wänden in der Gasse bislang nicht zerstört wurden….

Die Menschen bewundern eher die Bilder. Es ist ein Projekt, das in einer Gemeinschaft entstand. Und das wird so transportiert.

Interview: Karsten Frehe, Fotos: Karsten Frehe, Anna Hoffmann (10/2015)

www.camillawatsonphotography.net

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.