Iqulah Rastafari & Azania Family “Africa Call EP” (Raymond Topping / Salemhouse)

IQulah Rastafari Giddeon Family featuring Azania Family
“Africa Call”
(Raymond Topping / Salemhouse)

Bereits im Interview erläuterte er uns letztes Jahr, dass die Grenzziehungen in Afrika im Grunde die Ursache für all die Unruhe auf dem Kontinent und die Art und Weise, wie die Migration nach Europa und die Integration hier verlaufen, seien. Klar gibt es Leute, die im aktuellen und in den nächsten Jahrzehnten zu erwartenden Geschehen keinerlei Probleme sehen. Iqulah gehört nicht dazu. Die künstlichen Grenzen, the “artificial borders”, sie dienten den Menschen bis heute nicht – so einer der drei Songs auf der im April digital erschienen EP.

Dass ausgerechnet der Grandmaster des Oldschooligen im Roots-Rasta-Reggae auf die Vertriebskanäle iTunes, Amazon und eBay setzt, überraschte mich schon ein bisschen. Aber so wenig perfekt die visuellen Mittel (siehe Cover und Pressefoto) und so verwirrend die zig Bandnamen und deren wechselnde Schreibweisen erscheinen mögen – man soll den ergrauten Herrn bitte nicht unterschätzen….

Dass man das Booking-Prozedere vielleicht vereinfacht, indem man einfach mal seine Handynummer auf Facebook ausstellt, könnte eine innovative Anregung vom älteren Herren für jammernde Youngsters sein – die es nicht immer schaffen, Schriftnachrichten abzuarbeiten. Iqulah ist da anders, der schreibt auch sofort zurück und scheint mit der digitalen Welt besser klarzukommen als die überreizten gestressten jungen Menschen, die sich noch beweisen müssen.

“Burn artificial borders” – Africa calling

Iqulah muss nichts mehr beweisen, außer dass er noch dazu gehört. Mit Lyrics wie “Dem gotta burn the artificial borders they were creating in a Berlin conference. […] The youth of today are the men of tomorrow. From Ghana to Ethiopia, Africa must be free.” macht man sicher nicht das Innovativste, was der Reggae je gesehen hat. Richtig erscheint es trotzdem, dass mal wieder jemand sagt, dass es um dieses Thema auch noch geht. Ist ja ein bisschen verschwunden, das Bewusstsein für Afrika.


In der Mitte und vor allem der zweiten Hälfte der Achtziger, als Iqulah seine Musikkarriere startete, war das noch ganz anders. Fast alle “Weltmusiker/innen” meinten, etwas zum Thema Apartheid sagen oder singen zu müssen. Der Keyboarder Manfred Mann besann sich 1982 – zwei Jahrzehnte nach seiner Auswanderung gen London – auf seine Jugend und Kindheit in Johannesburg und machte eine nachdenkliche Themen-LP zum Rassismus in Südafrika. “Azania”-Land, dieser Begriff war Anfang der `90er mal in der Diskussion, um South Africa einen neuen Namen zu geben. Auch in der möglichen Aufspaltung Sudans in Südsudan und Sudan – die 2011 vollzogen wurde – war “Azania” eine Art Symbolname für das Projekt eines eigenständigen Staates. Dass der Südsudan als 54. afrikanisches Land im Zuge einer düsteren und blutigen Vorgeschichte entstand, scheint Afrika wenigstens noch etwas Aufmerksamkeit eingebracht zu haben.

Immer wenn Krieg und Gewalt ausbrachen, z.B. in Ruanda/Burundi oder durch den Terrorismus der Boko Haram in Nigeria, schafften es kleine Ausschnitte Afrikas in die Schlagzeilen. Dass es ungelöste, immense Binnenmigrationen in Afrika gibt – es taucht seltenst bis nie in der deutschsprachigen Presse auf. Ist aber nicht so unwichtig, und darauf weist der weise Iqulah hier mal hin.

“No man no higher than Jah” – Jazz & Soul vibes

Mit “No Man No Higher Than JAH” kommt wieder die jazzige Soundfarbe durch. Diese für mich sehr erfrischende Klangsorte war 2014/15 schon auf dem Album “Food For Thought” auffallend. Außerdem legt in dem Song “No Man No Higher …” eine unbekannte Sängerin namens Ntuthu Nyiki einen starken Gesangsauftritt vor. Das Einfügen von Bläsersätzen geht auf Empress Sarah zurück. Sie ist in klassischer Musik ausgebildet. Das ist zwar ganz was anderes als Jazz, geht aber prima auf.

Unter dem Namen Salemcamp hat sie auch das Booking und die Pressearbeit in die Hand genommen. Beides gestaltet sich schwierig. Vor allem der deutsche Markt ist Iqulah (undankbarerweise) nicht sonderlich zugetan. Für mich ist er ein Held, wie man ausgiebig hier studieren kann.

“Strength of life” – Roots feeling

“Strength Of Life” heißt der dritte Song auf der EP, “from Cape to Cairo” werden wir von Schlagzeug und Gitarre durch Afrika getrieben. Ein bisschen Zulu-Rhythmen à la Johnny Clegg (“Jericho”, “Berlin Wall”, “Scatterlings Of Africa”) lassen sich im Intro entdecken. Ein bisschen Kritik an den “brainwashing institutions”. Und danach ist der Text dann extrem “repetitiv”, um es vornehm zu sagen. Afrika ruft seine Kinder, womit wir bei der Titelidee der EP angelangt wären. “Mama is calling, crying for her children.” Ja nun, passt schon, kann man sich schnell denken. Fettes Riddim-Bett, sehr ordentliche Percussions, funky Keyboards, ein paar Wendungen und Effekte. Aber irgendwie mag der Funke nicht ganz überspringen bei diesem dritten Song.

Eine die Welt aus den Angeln hebende und Bäume ausreißende Comeback-EP ist auch das Ganze nicht. Was es aber ist, das ist das Signal an die Fans: “Ich habe etwas zu sagen!” Das würde ich mir jeden zweiten Tag live anhören, wenn er in meiner Stadt wohnen und auftreten würde. Iqulah-Konzerte sind das, was man sich bei dem Wort “Roots” erhoffen kann, und zwar vollumfänglich. Toller Typ!

Text: Philipp Kause

Bookings: salemcamp@gmail.com / +1530-521-2081

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.