Namika “Que Walou” (Jive/Sony) – Porträt der jungen Frankfurterin

Namika
“Que Walou”
(Jive/Sony – 2018)

Namika in einem Reggae-Portal? Viele zucken jetzt, denken kurz “Mainstream” oder scrollen weg. Namika steht für sehr hochwertige Musik und Texte, deswegen. Deswegen wird sie jetzt hier besprochen.

Sie wurde in einer Gesichtsbuch-Gruppe rund um das Summerjam Festival 2016 von zahlreichen Festivalfans im Vorfeld als unpassend und ungeeignet fürs Line-Up bezeichnet, im schärfsten Post sogar als “dumme Kuh”.

Wer solche Reflexe hat und sie wegen der teils schon penetranten Rotation des “Lieblingsmensch”-Hits in diversen Radiostationen abgestempelt hat, der kennt wahrscheinlich weder ihre anderen Songs, noch hat er sie je eine Minute lang live gesehen oder ihr mal kurz in einem Interview zugehört.

Quelle: Jive/Sony Deutschland

Wer ist Na-Mi-Ka?

Für mich ist sie – samt ihrem Team – eine der nettesten Personen, die mir in meinen vielen Radio-Interviews bislang überhaupt untergekommen sind. Womit sie in diesem Punkt so manche der ach-so netten Reggae-Leute schlägt. Ernsthaft und reflektiert kam sie mir vor, empathisch und neugierig. Wirklich interessiert an den Fragen, und an meiner Meinung zum Album. Freundlich. Geduldig und konzentriert. Professionell, obwohl damals gerade ganz am Anfang. Vor allem ist sie eine der kreativsten Persönlichkeiten, die mir bisher über den Weg liefen!

Ein sehr positiv denkender, ansteckend positiv denkender Mensch, der mit Fug und Recht im Rasta-Umfeld gebucht werden darf. Warum denn nicht? Klar macht sie keinen Reggae oder Dub. Aber sie könnte sowas gut machen, es ist ihr absolut zuzutrauen. Nneka entdeckte den Dub auch spät für sich.

Was zeichnet sie aus?

Mit der Zusammenarbeit mit den Beatgees ist Namika sowieso schon auf dem Weg Richtung Dancehall & Reggae. Das Beatgees-Team aus Berlin hat schon Culcha Candela in der Produktion des Albums „Culcha Candela“ rund um die „Hamma!“-Tour beraten und den Sound auf dem Longplayer „Schöne neue Welt“ beeinflusst.

Jenseits der Musik, zu den Texten und zur Performance: Für mich ist Namika eine kluge Texterin. Für mich ist sie eine unschlagbar gute Bühnen-Performerin vorausgesetzt, man interessiert sich für intelligentes Songwriting, Hiphop Culture und Soul oder zumindest für zwei von diesen drei Sachen. So richtig gut lässt sich ihr Schaffen auch nicht für Zielgruppen segmentieren:

Zwischen den Offbeat-Segmenten

Einerseits adressiert sie scheinbar ein junges Publikum. Andererseits sprechen auch Menschen über 39 zu ihrer Musik auf Festivalkonzerten durchaus an. Einerseits ist sie selbst 26 Jahre jung bzw. Jahrgang 1991, andererseits bezeichnet sie sich als eines der “90s Kids”, wobei sie eben in den ’90er Jahren – so unterstelle ich – noch keinen Oldschool-Rap auf Englisch gehört haben dürfte. Einerseits schaltet sie sich effektiv ins aktuelle Mainstream-Geschehen ein, andererseits klingen ihre Songs nicht auf-Teufel-komm-raus nach heutiger Effekthascherei. Oft fluffig, aber mitunter durchaus sperrig. Oft dance-lastig, aber nicht künstlich plastikartig. Der neue Longplayer „Que Walou“ wartet allerdings mit mitunter sehr harten digitalen Beats auf.

Organische Produktion mit echten Instrumenten

Instrumente und Band sind live absolut tragend bei Namika, womit sie – Exkurs hier – neben Afrob, Megaloh, Cro, Teesy, Stephan Eicher, Edo Zanki und Joy Denalane zu denjenigen im deutschsprachigen Pop (Pop als erfolgreiche Musik verstanden) zählt, die ihren jeweiligen Hiphop bzw. ihr Songwriting stark auf den Soul der ’70er und frühen ’80er rückbeziehen. Auf die Zeit, als richtig Geld im Musikbusiness steckte. Mit Orchesterstreichern und Schnickschnack, als man noch 12”-Fassungen von Singles produzieren ließ. Sie alle werden irgendwo schon mal Marvin Gaye als ein Vorbild zitiert haben. Oder Stevie Wonder. Vielleicht auch beeinflusst sind von den Commodores oder den ganz frühen Kool & The Gang.

Quelle: Jive/Sony Deutschland

Messages und viele Silben

Während die frühen 1990er Jahre einen Bruch zum heutigen Battle-Hiphop darstellen, kann man sagen, in Namika steckt vielleicht eine “Retro”-Künstlerin. Keine Schublade jetzt, bitte nicht falsch verstehen! Nur: Ihre Texte klingen einfach nicht nach Klischees. Die allermeisten Texte im heutigen Hiphop klingen für mich nach Klischees. Im Reggae genauso, sorry to say so… So gesehen ist es schon wieder eine Schublade, wenn ich sage, dass sie einfallsreiche Lyrics baut.

In ihrem Hiphop geht es originär darum, neue Wortkombinationen zu fabrizieren, viele Silben in wenigen Takten unterzubringen und die aber mit subtilem Witz gespickt – und immer mit einer Prise Kritik an den unmenschlichen Dingen in der heutigen Zeit, Kritik ohne Schuldzuweisung, aber Conscious Lyrics, ein weiterer Qualifikationsbaustein für die Rasta-Szene:

Die EP „Hellwach“ (2015)

Sie spricht auf der Debüt-EP “Hellwach” Arm-Reich-Spaltung und Alltagssorgen an, stellt das anhand der Situation von Alleinerziehenden mit Mindestlohn-Job plastisch dar (“Zehn vor vier”), sie karikiert in “Na-Mi-Ka” die hohen, arroganten Anforderungen, die heute an junge Menschen gestellt werden ohne dass sie selbst rückwärts auch hohe Anforderungen stellen dürften (“werde misanthrop, wenn ihr mir meinen Mindestlohn minimiert”). Und sie hakt im Single-Hit nach, was Liebe ist, ohne sie zwangsläufig auf Partnerschaft zu beziehen (“Hallo, Lieblingsmensch, schön dass wir uns kennen, bei dir kann ich ich sein, verträumt und verrückt sein”).

Das erste Album „Nador“ (2015) und die Singles „Wenn sie kommen“ und „Kompliziert“

Was konkret eine Flucht als Minderjähriger bedeuten könnte, schildert sie neben dem Rapper Ali As in “Wenn sie kommen” ohne irgendwie anklagend oder moralisch zu werden. Eher geht es um ihre visuelle Vorstellungswelt, die Vorstellung, dessen, was sich im Kopf eines flüchtenden, jungen Menschen abspielt, welche Furcht und welche Sinnesreize in ihm durcheinander wirbeln. Hier beweist sie ihre filmische Art zu texten.

 

 

 

“Kompliziert” (“Ich bin nicht kompliziert, du verstehst mich nur nicht”) ist zwar irgendwie ein Schlager, aber wohl doch nicht “simpel” genug für die Masse – blieb auf Platz 60 der deutschen Single-Charts hängen. Hierin sind die verhinderten Dialoge unserer Ära das Thema, das stets schnell vorgebrachte “Ich versteh, was du meinst”, obwohl man im Grunde nur den Schnellchecker (im Job?) oder Versteher (in der Beziehung?) mimt. Ein paar Sätze zu viel kommuniziert, und man taumelt durch ganz große Missverständnisse. Superschnell ist der andere dann “kompliziert”. Besonders die Frau in der Partnerschaft. Die Scheidungsraten klettern auf 38 Prozent in manchen Altersgruppen. Weil alles zu kompliziert ist. Auseinandersetzung mit dem anderen? Nö.

Kleiner Exkurs: Es gibt ja Tinder, man findet auch beliebig neue Menschen. Je mehr Trennungen die Leute dann hinter sich haben, desto komplizierter aber auch die Anbahnungen neuer Beziehungen, möchte ich anmerken. Überhaupt, die ganzen Apps:

Quelle: Jive/Sony Deutschland

Online – Offline – Stopptaste

“Stoptaste”, ein Song über Reizüberflutung. Namika ist altersmäßig ein “Digital Native” der ersten Generation. Positiv denkend, wie sie ist, sagt sie im Interview, sie fände es sehr schön, dass die Menschen bei Konzerten ihr Handy rausholen und “den Moment festhalten” wollen.

Nicht das Internet, sondern die klassischen Verbreitungswege, Musikfernsehen, Airplay in öffentlich-rechtlichen Wellen, Preisverleihungen beim “Echo” – den es nicht mehr gibt -, Auftritte bei Newcomer-Festivals wie für den BR-Sender “PULS” oder für das “SWR3 New Pop Festival” haben sie an die Spitze gespült. Namika ist marketingtechnisch vor allem ein Offline-Phänomen, wobei YouTube unterstützend dazu kam. Andere “gehen viral”, sie kommt im UKW-Funk.

Von der Spitze zum zweiten Album

Schön. Denn selbständig schreibende Frauen schaffen es bis heute äußerst selten ins Radio-Airplay. Noch seltener welche mit Migrationshintergrund auf Debütalbum-Status mit Hiphop-Affinität. Und noch seltener welche mit gesanglichen Fähigkeiten und einer interessanten Stimme. Ganz banal, aber es muss mal erwähnt sein: Namika ist eine Hiphopperin, die singen kann. Oder anders gesagt: Überhaupt mal ein Artist, der singen kann. Wo gibt’s das schon in der Ära des Auto-Tuning, nö?

Also. Nun ist ihr zweites Album da. “Que Walou” heißt es. Damit dürfte es für einige schon gelaufen sein. Französischer Titel. “Je Ne Parle Pas Francais” heißt die Vorab-Single. Sehr schlau, denn das Video zeigt ganz gut, was die nicht-frankophonen Menschen nicht gleich verstehen: Hier geht’s darum, wie es ist, wenn man NICHT Französisch sprechen kann und sich aber in Frankreich verliebt.

“Que Walou”, der Titel gebende Eröffnungssong enthält zwei Sprachen, Deutsch und Tamazight, auch genannt Mazirisch. Tamazight ist – erst seit sieben Jahren – eine offiziell anerkannte Sprache des Staates Marokko und seit 2016 als Amtssprache in Algerien anerkannt. In Tamazight singt sie den Refrain. Über Migration nach Europa hat sich diese Sprache in Spanien, Frankreich, Belgien, Holland und Deutschland in einzelne Stadtviertel hinein verbreitet.

 

 

 

 

Die Thematik von “Que Walou” ist der gesellschaftliche Aufstieg, Namikas autobiographische Entwicklung aus einem armen Einwandererhaushalt in Frankfurt am Main zum Plattenvertrag mit einem der größten Labels der Welt. Wichtige Querverweise: Hier streift sie kurz ihren früh verstorbenen Vater, und sie nennt eine Quelle ihrer musikalischen Sozialisation, den Wu-Tang Clan. Digitale Beats und Auto-Tuning schwächen die emotionale Wirkung dieser Midtempo-Ballade. Übrigens, ihr erstes Album soll eines von Missy Elliott gewesen sein.

“Alles Was Zählt” zitiert im Intro und im Refrain ein Motiv der Harmonieführung aus der nordafrikanischen Musik. “Hab sieben Mal nach dem Wort Sinn gesucht” – die Suche nach Gefühlen und Qualität zieht sich durch diesen Song über Sehnsucht. Die Metaphern sind wunderschön poetisch und originell (“sie haben mich runtergebrochen auf sechs Sinne und 212 Knochen, sag, wenn das Herz nicht mehr schlägt, wer berechnet den Wert?”), verleihen dem Song aber eher etwas Geheimnisvolles, als dass er nahbar werden könnte. Die Melodie hat jedoch starken Charme, ist bitter-süßlich, so disharmonisch wie auch harmonisch. Hiphop ist hier, abgesehen von ein paar Spoken Word-Passagen, weit weg. Reibung im Radio-Pop, das ist hier die Stärke.

Die Single “Je Ne Parle Pas Francais” reiht sich mit ihrem Akustikgitarre-Intro – mal nicht in der Remix-Version – sehr schön ein. Das Album gruppiert die insgesamt 16 Songs klug.

Elektronisch-smooth kommt “Ok” mit Gast Lary, einer Künstlerin des Chimperator-Labels. Diese Talentschmiede des deutschen Hiphop-Soul ist durch Cro recht bekannt. Lary (Summerjam 2018 auf dem Line-Up) wäre, wenn es das Genre “Drum’n’Bass” noch so wirklich gäbe, am ehesten dieser Musiksorte zuzurechnen. Der Song ist eingängige, alternative Dance-Musik. Damit sind wir im Umfeld des Digitalen angelangt. “So als wär ich ein Programm”, wie Namika es im nächsten Track formuliert. Ein klassisches Beispiel der flexiblen Namika’schen Lyrik:

“Dreht ein Virus meine Schrauben locker, schmeißt du ihn wieder raus. Hab für dich mein Herz komprimiert, es ist fertig zum Mitnehmen. Wir sind gedanklich verlinkt, mit dem einzigen Klick – nimm mich mit auf deinem Display!”

“Diese Stadt ist ein Mikrochip, durch ihre Adern fließt Strom. Alle reagieren auf Befehle, doch ich verstehe nicht, warum. […] Und ich weiß, wenn mein System kollabiert, bist du da, um mich zu formatieren.”

“Programm” ist ein Popsong, der keinen Ton und keine Silbe zu viel hat, in 2 Minuten 37 Sekunden eine plastische Vorstellung eröffnet. Wer deutsche Gedichte mag, kann hier Spaß haben. Wer selbst reimt, kann hier wahnsinnig viel lernen. Wer auf absurden Humor und Ironie steht, findet hier einen sympathischen Soundtrack.

Auf das eher unauffällige “Liebe Liebe” (Track 6) folgt ein Höhepunkt des Longplayers, “Dschungel Im Kopf”. Ab 0’42” transformiert sich der Song nach einer stillen, ins Leise gemischten starken Spannung in eine dubsteppige Hymne. Auch hier klingt’s ein bisschen afrikanisch.

“Auch wenn ich den Himmel nicht sehe, ich überlebe, mit Instinkt und Machete.”

“Parkbank” wechselt geschickt die Kulisse vom Amazonas zu einer Parkbank. Es ist als selten zu qualifizieren, dass drei Minuten in der Popmusik einem banalen, unbeweglichen Möbelstück gewidmet sind. “Es sind 2 Meter 20 voll Erinnerung …”. Das Mutige des Songs: Die Sängerin verbindet die Erinnerung an Jugend (den allerersten Kuss) mit der Vorstellung vom Altwerden (“Irgendwann mal kommt der Tag, da bin ich grau und alt; und fallen die Schritte schwer, dann weiß ich, sie ist da: Meine Bank im Park!”). Ich würde sagen, es ist gerade in Namikas Generation ein sehr antizyklisches Alter, konkret vom Rentenalter zu fantasieren. Aus einer Wolke wird Zuckerwatte, und auch sonst macht der Song mit seiner ironischen Metaphernsprache Lust auf Wörter:

“Mann, was musste sie wohl schon für Ärsche ertragen?!”

Hat man sich bis zur Mitte des Albums durchgehört, ist der Hiphop als Bezugsgenre schon ziemlich vergessen. “DnA” ist tendenziell Easy Listening. Die Leichtigkeit bereitet auf eine Rap-/Triphop-Ballade vor, die sich schwer dahinschleppt: “Ahmed (1960-2002)” war bereits eine Single. Trifft einen der Song etwas unerwartet, dann gibt’s viel Content zu verdauen:

 

 

 

 

 

Namika breitet die Geschichte einer überforderten Figur (ihres Vaters) aus, eines Flüchtlings aus Marokko, der sein Leben vermasselt, angekommen in Deutschland mit Drogen handelt, nach einem Urteil zur Abschiebung in der Heimat in Haft gerät (illegal das Land verlassen) und nach der Entlassung aus dem Gefängnis bald darauf an Krebs stirbt. Sarkastisch-makabre Pointe, aus Kindersicht geschrieben: “Für mich war er immer schon tot.”

Traurigkeit – dieses Mal Nostalgie – durchzieht auch “Hände”, den elften Track. Das Album verliert nicht an Spannung. Es überrascht mit Stilwechseln, sprachlichen Einfällen, einer breiten Themenpalette, Tempowechseln und einem Auf und Ab an Stimmungen. “Hände” ist nun konsequenterweise ein Song über Namikas Großmutter (die Mutter des verstorbenen Vaters).

Angelehnt an den ersten offiziellen Rap-Song der Musikgeschichte

Die Konzertplatte “Live – At Carnegie Hall” erschien frühzeitig in Withers’ Karriere, schon als III. Album. “Grandma’s Hands” ist hier in einer Rap-Version enthalten – es gilt als einer der frühesten Titel in der Musikgeschichte, auf dem der Begriff RAP auftaucht.

Während Namika “Großmutters Hände” im Chorus beschreibt, läuft – leicht abgewandelt – die Melodie von Bill Withers’ “Grandma’s Hands”. Spätestens als 1996 im Rap “No Diggity” von Blackstreet eine Sequenz aus “Grandma’s Hands” aufkreuzte, konnte man merken, wie zeitlos dieser Song ist.

In der Offbeat-Musik ist dieser Klassiker aus dem Jahr 1971 von Bill Withers (“Lean On Me”, “Lovely Day”, “Ain’t No Sunshine”) zum Referenzsong geworden. Namika zitiert sie den Song live auch an anderer Stelle: 2016 während ihrer Tournee spielte sie auch gerne “No Diggity” im Doppelpack mit “90’s Kids”.


Exkurs: Bill Withers, der Vielzitierte

Vergessen, doch seine Songs sind immer da: Bill Withers in den ’70ern… Mit 33 startete der ehemalige Flugzeugmechaniker seine Musikkarriere.

 

 

 

 

… Bill Withers in den frühen ’80ern … Nach 1986 fiel ihm – nach eigenem Bekunden – nichts mehr ein …

 

 

 

 

… und Bill Withers in den 2000ern. Er lieferte neun herausragende Alben aus Soul, Folk, Funk & Disco. Auch Wally Warnings Tochter Ami und Patrice interpretieren ihn bis heute.

 

 

 

 


Interessante Randnotiz: Gastrapper im Titel “Großmutters Hände” ist Farid Bang. Das ist der Herr, der in gewisser Weise zur Abschaffung des “Echo”-Preises Anlass gegeben hat. Nach zwei Strafanzeigen ermittelt gegen ihn die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen Volksverhetzung. Auf dem Album (Veröffentlichung: 1. Juni 2018) blieb der Beitrag erhalten.

Metaphern, hymnische Refrains, Scratchings

Die weiteren Songs: “Comic” enthält ein Klavier und Streicher, auf marokkanische Rhythmen getrimmt. Der Song hat wieder die hymnische Seite, die Namika irgendwie liegt. “Roboterliebe” greift das Motiv der Digitalität noch einmal auf.

“Archivierter Schmerz, der Gefühlstank leer […], BPM auf 120 eingestellt, wir tanzen maschinell, zusammen abstürzen geht schnell.”

Auf “Kronleuchterlicht” – interessant für Dancehall-Interessierte – sind Techniken aus heutigem Dancehall eingebaut, abgerundet durch coole Scratching-Effekte am Ende. “Zirkus”, der letzte Track, scheint von Ferne eine Kadenz aus dem “James Bond”-Theme zu zitieren, Electropop mit einem pathetischen Chorus.

“Du siehst konzentrische Ringe in deinem Teeglas, weil auf einmal die ganze Erde bebt.”

Fazit: Bi-kulturelles Bilderfeuerwerk 

Namika und ihre Leute haben hier ganze Arbeit geleistet. Jede Zeile ist wohl überlegt. Das Album spart trotz der meist kurzen Songs nicht an Menge. Bildliche Vorstellungen auf den Punkt zu bringen, ist eine schwierige Kunst – hier wirkt sie leichtfüßig, worin gerade die eigentliche Kunst besteht. Eine Albumdramaturgie ist vorhanden, die Zahl der farbloseren Tracks (6 und 15), die mir nach mehrfachem Hören nicht haften bleiben und nichts vermitteln, bleibt bei einem Minimum. Auch sie sind aber mit viel Gedanken-Input aufgebaut und bei Weitem nicht unwichtig. Beide kreisen um das Thema Zweisamkeit; vielleicht ist es schwierig, hier etwas Ungehörtes auszusagen. “Die Liebe” – so lautet der Adressat einer SMS, die Namika verschicken möchte.

Über die 50 Minuten gespannt steckt in der CD viel Pfiff drin und es gehen einem beim Hinhören schnell viele bunte Bilder in den Kopf rein. Die Stimme der Frankfurterin ist angenehm. Die Anordnung der Stories ist rund. Viel Persönliches ist hier eingebaut, und insbesondere die bi-kulturellen Gesichtspunkte aus Namikas eigener Familie sind ein guter Beitrag zum aktuellen Zeitgeschehen.

Quelle: discogs.com

“Que Walou” verpasst die Möglichkeit, die guten Songs fortdauernd mit guter Klangqualität, echten Instrumenten durchzuspielen. Oft passen die Dance-Effekte, manchmal stören sie, klingen klappernd und blechern. Doch der Ideenreichtum scheint unerschöpflich. Namika ist eine hervorragende Storytellerin quer zu den Genregrenzen, Subkulturen und Musikrichtungen. Das Album ist erfrischend, und das ist die Hauptsache!

About Philipp Kause

Philipp hat Musikethnologie studiert und verschiedenste Berufe in Journalismus, Marketing, Asylsozialberatung und als kaufmännischer Sachbearbeiter ausgeübt – immer jedenfalls stellt er Menschen Fragen. Er lebt zurzeit in Nürnberg, wo er die Sendung „Rastashock“ präsentiert, die seit 1988 auf Radio Z läuft.