Dur Dur Band of Somalia “Volume 1, Volume 2 & Previously Unreleased Tracks” (Analog Africa)

Dur Dur Band of Somalia
“Volume 1, Volume 2 & Previously Unreleased Tracks”
(Analog Africa – 2018)

Es ist Menschen wie Samy Ben Redjeb zu verdanken, die die Welt nach vergessenen oder verlorengeglaubten Aufnahmen absuchen und diese, teils unter lebensgefährlichen Bedingungen, letztendlich einem größeren Publikum zugänglich machen. Für den Gründer von Analog Africa, einem in Deutschland ansässigen Label mit dem markanten Logo “the future of music happened decades ago”, das sich genau dieser Mission verschrieben und schon einige musikalische Schätze aus der Versenkung wieder hervorgebracht hat, war die Erkundungsreise nach Mogadischu, die Hauptstadt des vom Bürgerkrieg zerrütteten Somalia, sicherlich eine der gefährlichsten. Mit bewaffneter Begleitung zum Schutz begab er sich dort auf die Suche nach Aufnahmen, von denen er nicht mal sicher war, ob sie noch existierten und die Wirren des Bürgerkriegs überstanden haben. Und das von einer Gruppe, die wie ein Phantom zu sein schien.

Dur Dur Band in den 1980ern

Der Sage nach war die Dur Dur Band eine der größten der somalischen Musikszene in den achtzigern und gehörte zu den Attraktionen der dortigen Hotels, wo sie regelmäßig spielten. Der Zeit also, bevor das Land in dem darauffolgenden Jahrzehnt implodierte und heute nur noch durch die Schlacht von Mogadischu – mit der berühmten Niederlage der amerikanischen Spezialeinheiten (Black Hawk Down) – der islamistischen Al Shabaab Miliz und der Piraterie vor ihrer Küste, bekannt ist.

Von Alldem war in den Zeiten von Dur Dur Band nichts zu ahnen und Somalia galt als die ostafrikanische Perle am Indischen Ozean mit offener, lebhafter Kultur und Gesellschaft. Die Dur Dur Band spiegelt das wider in ihren funkig verspielten Stücken, durchsetzt mit viel älteren lokalen Musikrichtungen. Und genau diese Mischung aus Moderne und Traditionellem verleiht dieser Band ihre Einzigartigkeit. Dies war auch die Absicht ihres Gründers und Keyboardspielers Isse Dahir. Er holte dafür die besten Musiker aus der Mogadischu-Szene und gleich drei Sänger, die die unterschiedlichen Regionen mit ihren eigenen Musik- und Kulturhintergründen repräsentierten. Vordergründig waren das Daantho aus dem Norden des Landes, das erstaunlicherweise wie Reggae klingt und Saar, eine Art zeremonieller Geisterbeschwörungsmusik, von der die Veranstalter Angst hatten, die damals zahlreichen, nichtsahnenden Touristen könnten von Geistern besessen werden.

Dur Dur Band heute

 

Der allererste Durchbruch der Band war zugleich ihre erste Veröffentlichung im Jahr 1986. Der Song “Yabaal”, der genau diese Elemente in sich trug und von der Sängerin Sahra Dawo gesungen wurde, eroberte mit seinem treibendem Beat, kreischender Gitarre und geschwungener Bläserbegleitung die Musikszene Somalias im Sturm. Es ist nicht sonderlich schwer nachzuvollziehen, warum die Musik von Dur Dur Band unter den wenigen Kennern bislang als der “tiefste Funk” bezeichnet wurde – in Abwesenheit einer genaueren Bezeichnung für die exotische Art dieser Musik. Mit ihrem schweißgebadeten, rollenden Rhythmen, die unweigerlich zum wildem Tanzen einladen, den pulsierenden Bässen und rustikalen Instrumentierung, bedient sie vortrefflich die Vorstellung eines, unter der tropischen Hitze kochenden, verrauchten afrikanischen Tanzlokals, wo das Archaische mit dem Urbanen aufeinanderprallt und für das es keine vorgefassten Regeln, Schablonen oder Gesetze gab.

Shimaali, einer von drei ursprünglichen Sängern der Gruppe

 

Die Musiker um den Gründer Isse Dahir bewegten sich auf unerforschtem Terrain und entwickelten einen eigenen Musikstil, das sowohl typisch afrikanisch-somalisch, als auch modern nach Funk, Reggae und achtziger-New Wave klang. Aber es ging noch weiter darüber hinaus. Im “Saafiyeey Makaa Saraayeey” wagten sie sich ins Smooth Jazz und Soul Gewässer. In “Haddi Aanan Gacaloy” und “Diinleya” dominiert der rhythmische Reggae Offbeat zusammen mit melodiösen Bläsern, schillernden Keyboards und Stammesgesängen des Daantho, von dem Sänger Shimaali vorgetragen. Zwischen den dynamisch vor sich hin peitschenden Beats von “Jubba Aaka” und den breiten Bläsern, drängen sich Bluesgitarre und poppige Keyboardpassagen. Die Musiker und Sänger der Dur Dur Band benehmen sich dabei mit so einer Leichtigkeit und Unbefangenheit, als wäre es das Gewöhnlichste der Welt und es gar nicht anders klingen könnte.

Anfang der neunziger nahm das Schicksal der Gruppe mit dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen ein jähes Ende und ihre Mitglieder flüchteten aus Somalia. Die Gruppe war auseinander gegangen und die einigen, auf Kassetten veröffentlichten Alben verfielen in Vergessenheit bis sie erstens von dem Label Awsome Tapes from Africa und jetzt von Analog Africa wiederentdeckt wurden. Der Samy Ben Redjeb von Analog Africa schaffte es sogar in Mogadischu Mastertapes von der Gruppe zu finden! Durch das wiederentdeckte Interesse an ihnen, traten sie in jüngster Zeit auch wieder gemeinsam auf. Es muss gar nicht gesagt werden, dass das schon längst überfällig war.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)