Puppa Lëk Sèn „Afreekan Children“ (Jahsen Creation)

Puppa Lëk Sèn
„Afreekan Children“
(Jahsen Creation – 2018)

Die ekstatisch stampfenden Stammesrhythmen treiben einem den feinen afrikanischen Staub in die Nasenlöcher. In der wild geratenen Eröffnung „A la la la“ seines neuen Albums lädt dieser senegalesische Sänger zum ausgelassenem Tanzen ein. Doch ihn treiben andere, viel düstere Geister um. Dabei könnte man es auch Nachhaltigkeit nennen, sich in erster Linie für das Wohlergehen der Kinder zu sorgen. Dies gilt vor allem für Afrika, wo die Kleinsten oft am schlechtesten dran sind. Aus einem bescheidenen Fischerdorf kommt Puppa Lëk Sèn auch selbst und hat nie einen Hehl daraus gemacht. Im Gegenteil.

Diese Erfahrung lässt er wissentlich in seine Musik einfließen, was ihr auch eine seltene Authentizität verleiht. Wenn er also von „Afreekan Children“ singt, ist es nicht aus der Sicht eines wohlmeinenden Altruisten aus dem Westen, sondern von einem, der es unmittelbar erlebt hat. In dem gleichnamigen Lied ist die inbrünstige Leidenschaft, mit der Puppa Lëk Sèn die afrikanischen Kinder segnet und für sie betet, deutlich zu spüren.

Der Ton des Albums ist rau und entschlackt von Überproduktion. In der mitreißenden „Mi and Dem“ sind die Gitarren schneidig, die Beats treibend, die Bläser überwältigend und die Bässe kleben hartnäckig, ja verbissen an dem Rhythmus fest. Viel Zorn und Groll sind dabei, aber auch eine gewisse Aufbruchstimmung. Eine Selbstermächtigung aus Entrüstung, die streckenweise sehr ungestüm und kraftvoll daherkommt. Puppa Lëk Sèns Leitfiguren und Vorbilder sind dabei panafrikanische Vorreiter wie Marcus Garvey, King Selassie I und eben auch Bob Marley.

In der rhythmischen „Champion“ vermengen sich dann donnernde Gitarreneinlagen und massiver Offbeat mit einem fast gutturalen Gesang. Doch neben Reggae bedient sich dieser Senegalese im französischen Exil auch von seinen, mit im Reisekoffer gebrachten afrikanischen Einflüssen. Durch etwas behutsamere und nachdenklichere „Who Am I“ erstreckt sich somit melancholische Wüstengitarre. Und in der virtuos gespielten „Guide Us“ werden Gitarrenwucht und Akustik mit afrikanischer Perkussion und Lokalsprache vermischt, was in einer anschließenden Huldigung an den Bob Marley (‘play I some music’) mündet. In der exotisch-verspielten „Mama“ besinnt er sich gänzlich auf eine tanzbare Afro-Latin Variante, die in Westafrika in den letzten Jahrzehnten entstanden ist.

Nebenbei weht ein Hauch von einer Nyabinghi-Seance durch das Album. So auch in der hymnischen „Love“, wo rituelle Trommeln in Begleitung einer leichtfüßigen Akustikgitarre den Ton angeben. Oder auch die balladeske „U and I“, wo die warmen Keyboardklänge und verträumte Gitarren eine fast zeremonielle Stimmung aufkommen lassen. Tja, eben auch jede Schattenseite braucht ihre Lichtquelle. Die Realität in Afrika hat jedoch wenig sonnige Seiten – das weiß auch sehr wohl Puppa Lëk Sèn. Aber die Hauptaussage seines neuen Albums ist nicht der Appell um Unterstützung von außerhalb, sondern ein trotziger Aufruf zur Selbsthilfe.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)