Sly & Robbie meet Nils Petter Molvaer „Nordub“ (Okeh Records)

Sly & Robbie meet Nils Petter Molwaer
„Nordub“
(Okeh Records – 2018)

Sly Dunbar, Robbie Shakespeare, Nils Petter Molvaer

 

Spätestens wenn sich hoch fliegende Keyboardflächen theatralisch über das Eröffnungsstück von „Nordub“ erheben, wie schwarze Vogelschwärme über einem herbstlich dunklen Himmel, wird klar, dass dies nicht einfach nur ein weiteres Sly & Robbie-Album ist. Obwohl die beiden berühmten Rhythmus-Spezialisten schon früher gerne mal über den Tellerrand geschaut und sich nicht gescheut haben, völlig neue Wege einzuschlagen – eine Zusammenarbeit mit dem norwegischen Jazzerneuerer und Trompetenspieler Nils Petter Molvaer kommt trotzdem als eine ziemlich große Überraschung daher. Wie kann der kühle nordische Jazz-Stil mit der üppigen jamaikanischen Rhythmik zusammenpassen? Oder vereinfacht gesagt, was hat Kilimanjaro Darkjazz Ensemble mit, sagen wir mal, Bob Marley gemein?

Vladislav Delay © Wikipedia

In ihrem ersten gemeinsamen Album, der nach etlichen, zusammen absolvierten Auftritten zustande gekommen ist, liefern sie darauf die Antwort: sie lautet Dub. Er ist der gemeinsame Nenner, der mit seinem runtergestrippten Grundkonstrukt aus Drum & Bass eine vorzüglich durchlässige Vorlage für allerlei Kombinationen liefert. So auch für Nils Molvaers experimentellen Jazz-Ansatz mit dem er schon in Vergangenheit so manchen Erfolg gefeiert hat. Schon in seinem Debütalbum „Khmer“ aus 1998 hat er sein wirres und halluzinatorisches Trompetenspiel mit fetten Elektrobeats gepaart.

Eivind Arset © Wikipedia

Doch mit „Nordub“ wird noch eine Schippe draufgelegt. Mit dem Gitarristen Eivind Arset und Vladislav Delay, der für die Electro-Sachen zuständig ist, auf der einen Seite, sowie dem Schlagzeuger Sly Dunbar und dem Bassisten Robbie Shakespeare auf der anderen, schafft er wieder ein schön-schauriges Spektakel an Sound und Rhythmus, das es in der Form so bislang nicht gab.

Doch gerade deshalb ist solch eine nicht konforme Musik herausfordernd und aufwühlend. Endlose Hall- und Echoeffekte geistern durch das ganze Album mit seinen insgesamt zehn Stücken, die sich auch mal über sieben Minuten lang hinausdehnen können. Im Hintergrund knirscht und raspelt es währenddessen an allen Ecken und Enden.

Die Musik hier passiert auf mehreren Ebenen, die ineinander verlaufen. Die meist rein instrumentellen Stücke spielen sich ab zwischen zwei Extremen – einer ätherischen, tief ins Unterbewusste tauchenden, kargen Harmonie und eruptiven Höhepunkten, die in ihrem Zenit chaotisch und sehr turbulent sein können. Das Ganze hat etwas von einem wilden und zugleich meditativen Improvisationsspiel, das nur durch Robbie Shakespeares unerschütterliche Basslinien zusammengehalten wird. Ganz unbefangen wird hier von ausgedehnten, tranceartigen und – wie beim amerikanischen Horseback zum Beispiel – aufgekratzten Gitarrensoli zum energiegeladenen Offbeat gewechselt. Oder es wird zu einem manischen, teils düsteren Trompetenspiel übergegangen. Dazwischen drängen sich immer wieder verschiedene, bis zur Unkenntlichkeit zerriebene Samples und Tonfetzen.

Obwohl alles kopfüber gestellt zu sein scheint, ist doch ein durchgehendes Konzept allein schon an dem erkennbar, dass kein Stück dem anderen gleicht. Hier wird eine Story erzählt, in einer Sprache, zu der es zwar noch keine Übersetzung gibt, die aber trotzdem sehr gut klingt.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)