Guacáyo
Der Auftritt von Guacáyo beim FIREabend 2018 im Vorprogramm von I-Fire im Gruenspan, Hamburg, war ein Konzerthighlight des Jahres. Äußerst sympathisch und versiert stellte sich dort eine gut eingespielte und quicklebendige Band vor, die nach vielen vorherigen Konzerten an diesem Abend einen Paukenschlag hingelegte. Guacáyo muss man sich merken! Der Song “Lady” und das dazugehörige, gut gemachte Video trugen weiter dazu bei, dass sich die Fangemeinde schnell vergrößerte. Mit “Bro” liegt aktuell die nächste Single vor. Grund genug, mit Sophie Filip, der charmanten Sängerin der Band, ein Interview zu führen…
Sophie, du bist die Leadsängerin bei Guacáyo. Erzähl uns doch mal etwas über deinen persönlichen, musikalischen Werdegang!
Früher hat mein Papa meinem Bruder und mir Schlaflieder auf Gitarre vorgespielt. Das ist mir noch sehr präsent. Eher verdrängt habe ich die nicht erfolgreichen Blockflötenstunden und den sehr schleppend vorangehenden Klavierunterricht. Ich bin keine gute Überin, aber das ändert sich zum Glück gerade. Ich habe schon immer ganz viel Musik gehört, Kassetten aus dem Radio aufgenommen und auch Texte geschrieben. Ich wollte Musik machen. Mit 14 nahm ich ebenfalls eher erfolglos Gesangsunterricht. Mit 18 ging es dann auf einmal voran, als ich mich in meine erste Band traute, darauf folgte eine weitere und erfolgreicher Gesangsunterricht… und dann kam Guacáyo. Im Nachhinein weiß ich jetzt: Die Stimme ist etwas sehr Persönliches. Ich musste mich selbst erst gut kennen lernen, um auch zu wissen, wie ich sie gebrauchen kann.
Seit wann gibt es Guacáyo und wie seid ihr zusammengekommen?
Wir haben Ende 2015 für einen Weihnachtsgig das erste Mal zusammen gespielt. Der Song „How To Fly“ der Band Sticky Fingers aus Australien war der erste, den wir gespielt haben und er stellt für mich auch jetzt noch eine Art Guacáyo-Hymne dar. Das ganze Album „Caress Your Soul“ von Sticky Fingers ist einfach nur heftig! Im Januar 2017 haben wir dann unser erstes Konzert mit sieben eigenen Songs gespielt. „Bro“ und „Drop In The Ocean“ waren damals schon dabei.
Stell doch mal die Band vor…
Derzeit sind wir zu dritt unterwegs und suchen einen festen Drummer. Tim ist unser Gitarrist, Backingvocalist und Produzent während Tobi für Keys, Synth-Bass und alles was mit Aufnehmen und Technik zu tun hat und noch viele viele weitere Dinge zuständig ist. Ich teile mir mit Tobi das Booking (wir haben nun aber bald einen festen Booker), mache den größten Teil der Öffentlichkeitsarbeit und schreibe, singe und kreiere.
Wie kam es zu dem für diese Region recht ungewöhnlichen Namen der Band? Was steckt inhaltlich dahinter?
Ich bin total in Südamerika verliebt. Nur weil ich in Chile war (2013/2014) bin ich heute noch hier und mache Musik. Ich habe dort nach einem beschissenen Studium und ziemlichen Depressionen das bekommen, was ich wohl am meisten gebraucht habe: eine Heimat. Der Bandname Guacáyo hat sich dann gebildet, als mir beim Betrachten einer Guave im Hamburger Tropenschauhaus, bewusst wurde, dass ich gerne einen Bandnamen mit „Gua“ haben will. Der Rest kam dann, als ich Tim von der Idee erzählte, dazu.
Bei eurer Musik, vor allem bei den Tunes „Lady“ und „Drop In The Ocean“, die mittlerweile überall präsent sind, pflegt ihr eine Mischung aus Pop und Reggae abseits bekannter Reggaeklischees. Wir würdest du selbst euren musikalischen Kosmos verorten?
Musikalisch haben wir alle verschiedene Hintergründe und auch jeder von uns hört privat andere Musik. Wenn überhaupt….tatsächlich habe ich herausgefunden, dass Musiker sobald sie sehr viel Musik machen, relativ wenig andere Musik hören und auch mal gerne die Stille der Musik vorziehen. Wir legen sehr viel Wert auf unseren eigenen Sound und die Guacáyo-Energie. Die ergibt sich aus dem Cocktail dessen, was jeder von uns mit rein gibt. Aber wir haben jetzt nicht unser festes Schema mit dem wir Songs schreiben, obwohl ich schon immer wieder darauf achte, dass das gewisse Quäntchen Reggae nicht fehlt. Oft ist es tatsächlich so gewesen, dass wir gesagt haben “OK, wir schreiben einen neuen Song”. Dann haben wir sehr lange rumprobiert und kamen irgendwie nicht weiter und wir waren dem Verzweifeln nahe und dann kommt auf einmal von irgendwo ein Groove oder eine Idee her, die komplett anders ist, und dann schreiben wir einen neuen Song. So ist beispielsweise “Bro” entstanden.
Wie kamst du zum Reggae?
Reggae ist zur mir gekommen. Ich fand die Musik schon immer lässig und ergreifend zugleich. Alle meine Bands hatten bisher immer Reggae-Einflüsse, bis ich bei der Gründung von Guacáyo zusammen mit Gründungsmitglied und Drummer Jannes (leider ist er nicht mehr dabei. Grüße gehen raus an dich, Jannes) selbst dafür gesorgt habe, dass Reggae in die Band einfließt. Menschen, die Reggae lieben, liegen oft mit mir auf einer Wellenlinie und so wurde die Musik von Beginn an immer präsenter in meinem Leben und spätestens seit ich dann Dubparties für mich entdeckt habe, steht das alles auf einem ganz neuen Level. Zuhause höre ich aber auch viel folkige, bluesige, independent und alternative Mukke.
Was möchtet ihr mir eurer Musik erreichen?
Ich möchte, dass die Musik gefühlt wird. Das ist eigentlich auch mein Anspruch beim Songwriting. Ich habe immer erst ein Gefühl zum Song und dann eine Melodie, die dazu passt. Die Message kommt dann danach. Ich will niemandem ein Gefühl aufdrücken, aber ich will berühren…und die Message will ich manchmal schon aufdrücken! Der Klimawandel und der dringend notwendige sozioökologische Wandel in dem wir alle Verantwortung für unsere Rolle tragen beschäftigen mich sehr. Ein mir gerade sehr präsentes Thema ist die Gabe des Verdrängens, die wir Menschen besitzen. Es ist so leicht wegzuschauen und so zutun, als ob nichts wäre…das finde ich sehr gefährlich. Mir ist bewusst, dass es wahnsinnige Angst macht, sich den Klimawandel und die negativen Auswirkungen des Kapitalismus ins Bewusstsein zu rufen, aber nur durch das Spüren dieser Angst können wir den Mut finden zu handeln.
Mittlerweile habt ihr schon etliche Konzerte gespielt. Was macht euch am meisten Spaß, wenn ihr vor Publikum auf der Bühne steht?
Für mich ist das Singen mit dem Publikum sehr essentiell. Nicht für die Show sondern, um mich wohl zu fühlen. Wenn ich mit den Menschen gesungen habe, fühle ich mich verbunden. Ansonsten ist ein tanzendes Publikum unglaublich pushend!
Gibt es bei den zurückliegenden Konzerten Momente, die dich und die Band am meisten geflasht haben?
Als wir mit I-Fire im Gruenspan gespielt haben, war das der Höhepunkt des Jahres 2018. Wir haben so verdammt viel gespielt, hart gearbeitet und auch weniger spannende, schlechtbezahlte Konzerte mitgenommen. Irgendwer von uns fragte sich immer, warum machen wir das gerade? Im Gruenspan wurde mir das dann klar: Der ganze Struggle war eine Art Vorbereitung und an dem Abend waren wir definitiv bereit. Wir haben jetzt so viel Liveerfahrung, dass kaum etwas schiefgehen kann…das heißt, es war einfach ein Mega-Genuss mit den tollen Menschen dort zu feiern!
Eine andere Überraschung war bspw. ein Headliner Slot auf einem Metalfestival. Wir hatten vorher alle ein bisschen Schiss vor dem Publikum und ob die wirklich unsere Musik hören wollen, wurden aber gefeiert wie Königinnen.
“Bro” ist eure neuste Single. Worum geht es dort?
“Bro” handelt von Freundschaft. Ich habe dabei an eine Freundin aus meiner Jugend gedacht, die ich nicht mehr oft sehe, aber wenn wir uns sehen, ist alles immer noch wie früher…es gibt einfach ein unglaublich großes Vertrauen untereinander. Es ist ein Hoffnung spendender Song, der gute Laune macht… zieht ihn euch rein. (“Bro” bei Spotify).
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Wo habt ihr den Song “Bro” aufgenommen und produziert?
Früher haben wir mit Zenephant Hamburg und Holodeck Studio Oldenburg zusammengearbeitet und einiges ausprobiert und gelernt. Jetzt machen wir gerade alles selbst. Das heißt, wir nehmen in eigenen Zimmern und Garagen auf und produzieren es auf unseren, bzw. hauptsächlich Tims Laptop. Nur beim Mastern wenden wir uns an Michael von SoundSupport.
Was nervt an der Musikwelt?
Ganz klar gerade die Marketingseite. Ich hänge mehr am Iphone, als dass ich singe…und frage mich, wie wir wohl genug Likes bekommen können, um von Festivalorganisatoren ernst genommen zu werden. Das nervt hart! Ich möchte ja auch, dass unsere Musik in die Welt getragen wird, nur ist das echt nochmal ein Job für zwei… Gerade beim Bro Release wurde mich auch bewusst, wie groß die Rolle unsere Fans und Freunde ist, die zusätzlich zu uns alles teilen und verbreiten. Ein großes Danke an euch alle da draußen!
Wenn ihr gemeinsam an einen neuen Tune heran geht, wie verläuft das Vorgehen? Ist die Band komplett involviert? Macht ihr alles gemeinsam oder gibt es immer mal wieder jemanden, der die Richtung vorgibt?
Eigentlich hat jeder mal Ideen. Einen Beat, ein Riff oder eine Akkordfolge. Es gibt immer erst eine instrumentale Basis bevor die Worte kommen. Ich mag es am liebsten, wenn etwas beim Jammen entsteht, da komme ich her und da kann ich am besten kreativ sein. “Lady” ist Beispiel ursprünglich nur ein sechssekündiger Teil eines Jams gewesen, den ich mitgeschnitten hatte. Zuhause saß ich dann am Klavier und habe Gesangsmelodie und Text geschrieben. Das Wort “Lady” war ganz von Anfang an mit dabei! Den Song haben wir dann gemeinsam zu Ende geschrieben und gleichzeitig angefangen aufzunehmen. Er wurde sozusagen im Schreibprozess gleich ins Studio getragen – nach und nach entstand dann der Song so wie er jetzt ist.
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Das Video zu „Lady“ ist wirklich überzeugend. Für eine Band am Anfang von dem, was noch kommen mag, ist die Produktion sehr überzeugend. Wie kam es zu einer derart professionellen Umsetzung?
Das “Lady”-Video ist in einem Flow entstanden. Ich war schon Wochen bevor ich wusste, wie ich es haben will, aufgeregt, weil ich ahnte, dass es gut werden wird. Als ich dann die Ideen ausgeklügelt und Drehorte besucht und sogar die Crew zusammen hatte, hing es eigentlich nur noch vom Wetter und vom Menschlichen ab. Und auch das hat geflowed: wir waren wie eine Familie für einen Tag. Jeder hat auf alle und alles aufgepasst. Hat was nicht geklappt, wurde halt improvisiert. Ich liebe es, so zu arbeiten. Hindernisse überwindet man mit Kreativität und da waren wir alle auf einer Welle. Die Frauen waren großartig, ging es nun ums Feuer, Kamerapräsenz, das Entwickeln von Szenen oder für einander da zu sein. Tobi hat uns lecker bekocht und letztendlich haben wir natürlich auch den Jungs von BluMedia Studios für die tollen Bilder und den hammermäßigen Schnitt zu danken. Aber auch Roscha Naleppa, der an dem Tag spontan Fotos machte und so für die Medienwirksamkeit unserer Arbeit sorgte.
Alles war extrem tight durchgeplant aber gerade weil der Zeitplan so straff war, hätte auch viel schiefgehen können. Ich habe einfach die richtigen Menschen zur richtigen Zeit um mich gehabt und dazu noch eine gewisse Klarheit in dem, was ich wollte, und so entstand dieses Wunder… und das ist meine Beschreibung von Flow.
Was steht demnächst an? Eine erste EP, ein kommendes Album?
Auf die Songs “Lady” und “Bro” folgt die Singleauskopplung “Yu” und dann wird die EP “Yuniverse” vorraussichtlich im Juni veröffentlicht werden. Im Sommer sind wir auf einigen Festivals, wie dem Weedbeat, 3000Grad oder dem Skandalös, anzutreffen.
Interview: Karsten Frehe und Linus Schneider, Fotocredits: 1. BlueStudios Media, 2. Clara Gunzelmann, 3. Golden Dreadnut, 4. Karsten Frehe